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oder viermal versucht, meinen Bruder anzurufen, und es klingt jedes Mal so, als wäre sein Telefon abgestellt. Schließlich habe ich sie gebeten zu überprüfen, ob die Nummer auf der Anrufliste korrekt ist. Eine Ziffer fehlte und der hilfsbereite Chef hat versprochen, das korrigieren zu lassen, doch bis jetzt ist noch nichts geschehen.

      Kartya war da und wir haben eine erste Besucherliste erstellt, die, wenn die betreffenden Personen da waren, auch wieder geändert werden kann. Charlie Portelli27 war außer sich vor Wut über einen Artikel in irgendeiner Lokalzeitung, in dem fälschlicherweise behauptet wurde, dass zwischen ihm und mir Absprachen getroffen worden seien. Er hat eine Richtigstellung erzwungen. Trotzdem habe ich Kartya gebeten, ihm Franz von Assisis Gruß pace e bene [Frieden und Gutes] zu überbringen, und ihr den Hintergrund ein bisschen erklärt. Kartya fand das schön.

      Schwester Mary hat mir die Kommunion gebracht und wir haben gemeinsam eine kleine Andacht mit den Sonntagslesungen gehalten. Ich vermisse es, die Messe zu feiern, und ich war dankbar für die Kommunion. Ich fühle mich immer unbehaglich, wenn wir gleich nach der Kommunion beginnen, uns zu unterhalten. An den Besuchstagen setzen die Leute das voraus. Wahrscheinlich sollte ich vorschlagen, dass wir ein paar Minuten warten, ehe wir uns unterhalten. Die Seelsorger machen einen guten Job, und Schwester Mary hat erzählt, dass die Häftlinge ihre Arbeit schätzen. 35 Prozent würden sich selbst noch als katholisch bezeichnen.

      Die beiden Leiter der Segs-Einheit, die mich bei allen Besuchen außerhalb des Gefängnisses begleiten werden, haben mir meinen Status und ihre Aufgabe erklärt. Die Handschellen sind offenbar unvermeidlich. Ich habe ihnen erklärt, dass eine Flucht nicht sehr wahrscheinlich sei, dass ich gar nicht dazu in der Lage und auch für niemanden eine Bedrohung wäre, und sie haben mir zugestimmt. Es geschieht alles zu meinem Schutz.

      Ich habe im Fernsehen gesehen, wie Winx28 ihr 31. Rennen in Folge gewonnen hat, ihr 23. in Gruppe I – Weltrekord.

       Gott, unser Vater, hilf mir, mich so nach dir zu sehnen, wie ich mich nach dem Licht und dem Anblick der Sonne sehne. Hilf uns allen, die wir in der Kirche als Lehrer tätig sind, den vielen, die sich nicht um ihre Blindheit sorgen oder sie vielleicht nicht einmal bemerken, dieses Licht zu zeigen.

       2. WOCHE

       EINSAMER ASCHERMITTWOCH

       3. März bis 9. März 2019

       Sonntag, 3. März 2019

      Heute ist seit vielen Jahrzehnten, wahrscheinlich seit über 70 Jahren, der erste Sonntag, an dem ich – ohne krank zu sein – keine Messe besucht oder zelebriert habe. Ich konnte nicht einmal die Kommunion empfangen.

      Die erste Lesung im heutigen Brevier handelt von Ijob, dessen Prüfungen gerade erst begonnen haben. Alles liegt noch vor ihm. [Robert] Richter, der kein christlicher Theist, sondern Jude ist, hat ihn mir ein paarmal als Vorbild vor Augen gestellt. Ich habe ihm geantwortet, dass mich der Gedanke an Ijob ein bisschen tröstet, weil sein Glück – anders als das unseres Herrn – noch zu seinen Lebzeiten zu ihm zurückgekehrt ist, und ich glaube noch immer, dass es für die Richter nur ein einziges gerechtes Urteil gibt: den Schuldspruch aufzuheben.

      Paul [Galbally] und Kartya [Gracer] besuchten mich heute Nachmittag, um mir zu sagen, dass Paul und [Bret] Walker das weitere Vorgehen besprechen und sich darüber beraten wollen, ob es sinnvoll ist, beim Berufungsgericht eine Freilassung gegen Kaution zu beantragen. Solche Anträge haben nur sehr selten Erfolg, aber vielleicht bringen sie den Fall dennoch voran. Wie Richter zu Richter Kidd sagte, als ich festgenommen wurde: »Sie haben soeben die Haftverschonung eines Unschuldigen aufgehoben.«

      Paul und Kartya haben mir von Paul Kellys erstklassigem Artikel in The Australian1 erzählt, laut Paul dem besten Artikel, der bis jetzt erschienen ist. Tess [Livingstone] hat mir einen Ausdruck ihres Online-Artikels, den sie am Donnerstag veröffentlicht hat (und der zwei Tage lang die meisten Klicks erhalten hatte)2 und ihres Artikels von letztem Samstag3 gesandt. Paul freut sich über die rege Debatte, die es ähnlich intensiv nur im Chamberlain-Fall gab4, und er spürt, dass sich insbesondere unter den Richtern die Sympathien in meine Richtung bewegen.

      Er hält es nicht für gut, wenn ich auf James Gargasoulas’ Brief von Freitag antworte. Als ich ihm erklärte, dass ich mich als Priester ein bisschen schuldig fühle, wenn ich ihm nicht irgendwie antworte, hat er mir vorgeschlagen, ihm zu schreiben, wenn ich wieder in Freiheit bin. »Galbally ist sein Geld wert«, habe ich zu Kartya gesagt. Heute sind zwei weitere dieser (buchstäblich) verrückten Botschaften eingetroffen. Gargasoulas ist der Mann, der bei einer Amokfahrt mit seinem Wagen in der Bourke Street sechs Menschen getötet hat.5

      Dem Besuch von David, Judy und Sarah [Pell]6 morgen um 13.00 Uhr steht nichts mehr im Weg, und ich habe die Liste mit den zehn Personen vervollständigt, die ich anrufen darf. Der freundliche polnische Wärter B. hat meine Wäsche mitgenommen und waschen lassen. Er und E., der Chef, sind gleichermaßen hilfsbereit.

      Ein sehr heißer Tag, 40 Grad Celsius, mit schlimmen Bränden rund um Bunyip und Nar Nar Goon [in Gippsland, Victoria]. Viele Häuser sind zerstört.

      Muslimische Gebetsgesänge sind in meiner Zelle zu hören und ich frage mich, von wem sie kommen, vermutlich nicht von Gargasoulas. Ich bin nicht sicher, auf welche Religion er sich bezieht, wenn er behauptet, Gott oder der Messias zu sein. Heute Abend ist es wieder etwas lauter, mindestens einer der anderen Häftlinge schreit seine Verzweiflung heraus.

      Ich bin noch immer mit dem Hebräerbrief beschäftigt, ein großartiger Text, in dem sich Paulus’ zentrales Anliegen entfaltet, nämlich die Bedeutung Jesu in alttestamentlichen oder jüdischen Kategorien zu erklären: dass er das Werk und die Botschaft des ersten Bundes vollendet. Die Treue zu Christus und seiner Lehre bleibt unverzichtbar für jeden fruchtbaren Katholizismus und jede religiöse Erneuerung. Deshalb sind die »approbierten« argentinischen und maltesischen Auslegungen von Amoris laetitia7 so gefährlich. Sie widersprechen der Lehre des Herrn über Ehebruch und den Lehren des heiligen Paulus über die notwendigen Voraussetzungen für den würdigen Empfang der heiligen Kommunion.

      Heute Morgen hat man mich unverhofft zu einer ärztlichen Untersuchung gerufen. Alles in Ordnung, auch wenn mein Blutdruck (120/80 im Stehen) niedrig war. Das habe ich jedoch vermutet, weil ich mich ein bisschen schlapp fühle.

       Gott, unser Vater, ich bete für all meine Mithäftlinge, vor allem für die, die mir geschrieben haben. Hilf ihnen allen, ihr wahres Selbst zu erkennen. Hilf auch mir, darin besser zu werden. Bring ihnen allen ein bisschen Seelenfrieden, besonders jenen, die ganz sicher keinen haben.

       Montag, 4. März 2019

      Im Brevier ging es heute weiter mit Ijobs Problemen, die sich sogar verschlimmert haben, weil es Satan erlaubt wurde, ihn mit bösartigen Geschwüren zu schlagen. Ijob hat Gott nicht gelästert, obwohl seine verbitterte Frau ihn drängte: »Lästere Gott und stirb!« Doch ihm kam kein sündiges Wort über die Lippen. »Nehmen wir das Gute an von Gott, sollen wir dann nicht auch das Böse annehmen?« (Ijob 2,9–10).

      Wenn ich bei manchen Gelegenheiten nach unverdientem Leid gefragt wurde, habe ich oft geantwortet: »Gottes Sohn Jesus hatte auch kein wirklich einfaches Leben.« Christen bringt das oft dazu, innezuhalten und nachzudenken, und manchmal habe ich sie auch gebeten, sich an all das Gute in ihrem Leben zu erinnern.

      Das habe ich an meinem ersten Osterfest als Priester im Jahr 1967 in dem italienischen Dorf Notaresco in den Abruzzen gelernt. Die meisten der Männer lebten und arbeiteten damals in der Schweiz oder in Deutschland, schickten ihren Familien Geld nach Hause und kamen nur einmal im Jahr auf Heimaturlaub. Ich war ein gänzlich unerfahrener Neupriester und wusste nicht so recht, wie ich diese Ehefrauen und Mütter trösten sollte. Ich versuchte dieses und jenes – ohne Erfolg –, doch dann sagte ich ihnen ganz einfach, dass Jesus auch gelitten hat, und das war ein Trost für sie. Der Sohn Gottes hat gelitten, und sie litten ebenfalls.

      Schriftsteller, die

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