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wird, bietet mir nicht allzu viel Inspiration.32 Offenbar war in Betracht gezogen worden, ihn in den Kanon des Neuen Testaments aufzunehmen, aber es wundert mich nicht, dass es keinen Platz für ihn gab. Er ist viel weniger merkwürdig als die Apokalypse, aber ein bisschen gewöhnlich.

      Mit meinen 20 Seiten von Antonius dem Großen hatte ich auch einige Mühe. Wir sollen den Leib im Zaum halten, »da er ein Gegner und Feind der Seele ist«33, was zum Teil sicher stimmt, aber eben nur zum Teil. Wir haben schon ein Recht darauf, uns für eine Weile wohlzufühlen.

      Natürlich betreffen meine Bedenken oder Einwände nur einige einzelne Punkte – schließlich ist Antonius ein, wenn nicht der Gründer der monastischen Bewegung im Osten und ein Experte in Fragen des inneren Lebens.

      Er gibt uns jede Menge Stoff zum Nachdenken. So schreibt er zum Beispiel: Wenn ein Mensch »nicht gut ist, weiß er nichts, noch wird er jemals Gott erkennen. Die Art und Weise der Erkenntnis Gottes ist nämlich das Gute.«34

      Darin spiegelt sich natürlich das Wort des Psalmisten, wonach nur der Mensch mit reinen Händen und lauterem Herzen hinaufgehen darf zum Berg des Herrn.35 Aber ist das alles, was man darüber sagen kann? Eines der Geheimnisse unserer Zeit ist der wachsende Unglaube – und das zuweilen auch bei Männern und Frauen, die ein tadelloses moralisches Leben führen oder zu führen scheinen. Augustinus hat geschrieben, dass unser Herz unruhig ist, bis es in Gott ruht36, doch so viele abständige Katholiken scheinen in dieser Hinsicht überhaupt keine Unruhe zu verspüren, so als ob sie völlig unsensibel geworden wären – und sie sind damit zufrieden! Ich sträube mich gegen die Schlussfolgerung, dass alle, die nicht glauben, nicht gut sind. Ich denke an meinen Vater, der ein guter Mensch, aber religiös unmusikalisch war, obwohl er später der Kirche gegenüber wohlwollender eingestellt war. Und ich denke an einen meiner Cousins, den gütigsten Menschen, den man sich nur vorstellen kann, der seine Mutter, eine schwierige Person, in ihren letzten Jahren gepflegt hat und der auch seine Frau, mit der er glücklich verheiratet war, gepflegt hat, als sie krank wurde. Zu meiner Überraschung hatte er ein vollkommen irreligiöses Begräbnis.

      Generell habe ich den Eindruck, dass die Liebe zum Wohlstand – die zuweilen echter Materialismus ist – und die sexuelle Revolution den Blick für Gott getrübt haben. Dass viele Menschen unzufrieden und rastlos sind, beweisen die Ehen, die in die Brüche gehen, die Alkohol- und Drogenprobleme und die Pornografiesucht.

      Die Lehrer an unseren Schulen stehen nun an vorderster Front, wenn es darum geht, den Kindern, die unter den Fehlern und Defiziten ihrer Eltern oder Stiefeltern oder »Onkel« leiden, zu helfen und sie zu unterstützen. Ich erinnere mich an ein brasilianisches Graffiti: Scheidungsverträge werden mit den Tränen der Kinder geschrieben.

      Was auch immer diese soziologischen Verwerfungen zu bedeuten haben, ein Teil der Probleme der Kirche ist selbst verschuldet. Wenn Christus der Sohn Gottes ist, dann besitzt seine Lehre eine einzigartige Autorität und bringt, wenn man nach ihr lebt, menschliches Gedeihen hervor. Trotz G. K. Chestertons Pessimismus haben im Lauf der Jahrhunderte viele gute Menschen erfolgreich versucht, ein christliches Leben zu führen. Wenn wir glauben, wir könnten Jesus berichtigen, indem wir die schwierigen Teile seiner Lehre aussortieren oder die Bedeutung von Gebet, Glauben, Kreuz usw. herunterspielen, dann sollten wir nicht überrascht sein, dass die Menschen die Kirche verlassen oder ihr nicht beitreten. Eine Religion, die zu leicht ist, ist eine falsche Religion.

      Was genau wollen einige der Reformkräfte in der Kirche ändern? Sie legen nie alle Karten auf den Tisch. Für mich war es ein Aha-Erlebnis, als ich einem hochrangigen europäischen Prälaten gegenüber erklärte, dass das erste Kriterium für einen guten Bischof sein Bekenntnis zum katholischen und apostolischen Glauben sei. Mein Gesprächspartner schäumte förmlich vor Empörung und Missbilligung.

       Gott, unser Vater, gib, dass wir deinem Sohn, unserem Erlöser, immer die Treue halten, und hilf den führenden Kirchenmännern zu erkennen, dass die katholische Einheit sich nur auf die apostolische Überlieferung gründen kann.

       Die Alternative ist der sichere Niedergang.

       4. WOCHE

       ERLAUCHTE GESELLSCHAFT

       17. März bis 23. März 2019

       Sonntag, 17. März 2019

      Heute ist der St-Patrick’s-Tag, und wahrscheinlich ist es das erste Mal in 70 Jahren, dass ich den Festtag – von einigen Extragebeten für Irland einmal abgesehen – nicht auf eine besondere Weise begangen habe. Das Fernsehen berichtet auf allen Kanälen über das grauenhafte Massaker in der Moschee von Christchurch, das ein spielsüchtiger australischer Fanatiker begangen hat. Einen Beitrag über Irland habe ich im ganzen SBS – der politisch und gesellschaftlich vermutlich noch weiter links steht als die ABC1 – jedoch nicht finden können.

      Die Kirche in Irland verliert an Bedeutung. Sie hat noch immer zu viele Priester und fast keine Seminaristen, obwohl die Zahl der Messbesucher landesweit angeblich bei mehr als 30 Prozent liegt. Ein harter Kern bleibt treu und Wallfahrtsorte wie Knock und Croagh Patrick sind nach wie vor gut besucht. In Knock gab es vor ein paar Jahren auch noch viele Beichten.

      Ich habe mich unter Papst Benedikt stark dafür eingesetzt, für Irland Bischöfe zu berufen, die energischer durchgreifen. Er stand diesem Anliegen wohlwollend gegenüber, doch war es ihm nicht gelungen, seine Wünsche in Taten umzusetzen. Als [Erzbischof] Charlie Brown zum Nuntius [in Irland, 2012–2017] ernannt wurde, hoffte ich, dass die Lage sich bessern würde. Doch auch wenn es scheint, dass es seither keine »schlechte« Ernennung gegeben hat, so sind alle neuen Bischöfe, genau wie ihre älteren Amtsbrüder, nach wie vor von der Bischofskonferenz abhängig. Mit einer starken Führung könnte verhindert werden, dass sich ein Zusammenbruch wie in den Niederlanden und in Quebec wiederholt. Ein Bischof muss Flagge zeigen und ankündigen, dass er den Lehrplan für den Religionsunterricht reformiert und ein neues Priesterseminar errichtet. Wenn in der irischen Kirche noch Leben vorhanden ist, dann sollten sich nicht wenige Gläubige um ihn scharen.

      Mich überrascht die Passivität der irischen Katholiken, die bis vor 50 Jahren noch ganz anders waren als ihre australischen Vettern. 2011 habe ich bei einer Tischrede in Cork die rhetorische Frage gestellt, ob denn »all das gute irische Blut nach Übersee ausgewandert« sei. Auch wenn es den Anwesenden damals nicht an Kampfgeist mangelte. Wie eine gute Frau sich ausdrückte: »O mein Gott, ich war bereit zu marschieren.«

      Mir gefällt das Newman-College-Projekt von Kathy Sinnotts, einer katholischen Hochschule für freie Künste wie Campion hier in Australien. Es kämpft ums Überleben (wenn es überhaupt noch existiert). Wenn es eine Chance haben soll, dann braucht ein solches Projekt eine starke akademische Führung (und die haben sie in Nicholas Healy, der an der Ave-Maria-Universität in Florida und vorher in Michigan war), ein passendes Gebäude und Geld. Notwendig sind auch eine ausreichende Menge an Studenten – daran scheint es zu mangeln – und zumindest einige wohlhabende Förderer. Ich bin mir auch nicht sicher, wie viele es davon in Irland gibt.

      Paul und Kartya waren da und haben mich darüber informiert, dass das Berufungsgericht die Verurteilung eines christlichen Mitbruders aufgehoben hat, der beschuldigt worden war, in den 1960er-Jahren pädophile Straftaten begangen zu haben. Das sind gute Nachrichten.2

      Ich warte immer noch auf mein Brevier, doch Kartya hat mir versichert, dass es inzwischen im Gefängnis angekommen ist. Ich erwarte auch einige neue Zeitschriften und ein paar Bücher. Weitere 24 Briefe sind heute angekommen, was sehr ermutigend ist. Deo gratias.

      Nachdem ich meine Betrachtungen zum Hebräerbrief beendet habe, habe ich beschlossen, mich jetzt dem Buch der Offenbarung zuzuwenden.

      Als ich Erzbischof von Melbourne war, kam eines Tages ein Klassenkamerad, Father John Williams, zu mir und erzählte mir, dass er bald sterben werde. Er war ein engagierter und loyaler Priester, ein trockener Alkoholiker mit einem trockenen Humor, und er erklärte mir mit einem Lächeln, er wisse nicht, ob er mit dem

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