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besuchen, ist gläubig und fromm.

      Die Situation ist heute beinahe das Gegenteil von der Lage gleich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, als wir, die jungen Priester und Ordensleute, alle »progressiv« waren und uns den Konzilsreformen verpflichtet fühlten. Erst nach und nach zeichneten sich die Unterschiede zwischen denjenigen, die sich an den Wortlaut der Konzilsdokumente halten wollten, und denjenigen, die die Texte für bloße Kompromisse hielten, die man als Sprungbretter für andere, »bessere« Optionen nutzen konnte, ab. 30 000 Männer gaben ihr Priesteramt auf und die Zahl der Ordensleute, die ihren Orden verließen, war noch größer. Ratzinger, de Lubac, Daniélou und von Balthasar18 haben deutlich gemacht, wo die Grenze zwischen Kontinuität und Bruch verläuft.

      Eine Briefschreiberin teilte mit, dass die von mir ergriffenen Maßnahmen ihr Leben gerettet hätten. Deo gratias. Jim Wallace19 hat ebenfalls einen Beitrag verfasst und unser Rechtssystem nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst.

      Meine Betrachtung heute Morgen war ein kleines Desaster, weil ich in zwei Drittel der festgesetzten Zeit und auch noch 20 Minuten darüber hinaus gedöst habe. Ich erinnere mich nur noch verschwommen, aber ich meine, die »Kleine Blume«, die heilige Therese von Lisieux, hätte gesagt, auch der Schlaf sei ein »gültiges« Gebet, denn auch wenn das Fleisch schwach ist, sei doch die Absicht gut.20

      Eine Dame deutete an, dass der Herr mich für McCarrick Buße tun lasse, dem ich viele Male begegnet bin.21 Ich wäre glücklich, wenn ich dazu einen kleinen Beitrag leisten könnte, denn er hat großen Schaden angerichtet, der durch die Vertuschung und durch sein Comeback nach Benedikts Rücktritt noch vergrößert worden ist. Sie hofft auch, dass ich nicht so schlecht behandelt werde wie der heilige Johannes vom Kreuz, als ihn seine Ordensbrüder in den Kerker steckten. Ich werde nicht schlecht behandelt.

      Das erinnert mich an ein Gespräch, das ich mit Pater Kolvenbach, dem Generaloberen der Jesuiten, geführt habe, nachdem ich 1993 oder 1994 im Fernsehen mit dem australischen Provinzial der Jesuiten [Pater William Uren] wegen der großartigen Enzyklika des heiligen Johannes Paul II. über die kirchliche Morallehre Veritatis splendor aneinandergeraten bin. Zumindest, sagte ich zu Kolvenbach, bin ich nicht wie der heilige Karl Borromäus, der im 16. Jahrhundert Erzbischof von Mailand war und der aufgrund seiner Reformbemühungen Ziel eines Mordanschlags seitens einiger seiner Mitbrüder wurde. »Noch nicht«, hatte Kolvenbach geantwortet. Ein großartiger Linguist, Kolvenbach, und ein intellektuelles, moralisches und vermutlich auch spirituelles Schwergewicht, ein würdiger Oberer der Jesuiten, auch wenn mich die eine oder andere seiner Äußerungen ein wenig irritiert hat. Fest steht jedenfalls, dass es dieses hohe intellektuelle Niveau in Rom heute im Großen und Ganzen – von einzelnen Ausnahmen abgesehen – nicht mehr gibt.

      Im SBS-Fernsehsender habe ich gesehen, dass der Heilige Vater Kardinal Barbarins Rücktrittsgesuch nicht angenommen hat, weil Barbarin in Berufung geht.

       Lieber Herr Jesus, hilf mir, mit Liebe zu urteilen, ehrlich und treffend, aber mit Liebe. Segne alle, die sich wirksam für die Neuevangelisierung einsetzen, und gib diesen guten Menschen, die es gut meinen, aber über keine klare Erkenntnis verfügen, die Gabe der Unterscheidung. »Lasse Teiche des (betenden) Schweigens in diesem dürren Land entstehen.« 22

       Donnerstag, 21. März 2019

      Die größte Abwechslung in meinem ruhigen Gefängnisleben war das erste AFL-Spiel23 der Saison im Melbourne Cricket Ground [MCG] vor 84 000 Zuschauern zwischen den traditionellen Rivalen Carlton und Richmond. Richmond hat am Ende mit einem soliden Vorsprung von 30 Punkten gewonnen nach einem starken ersten Viertel, in dem wir fünf oder sechs Tore erzielt und nur einen Treffer der Blues zugelassen haben, ihr schlechtestes erstes Viertel gegen Richmond. [Alex] Rance, der grandiose Backman von Richmond, der fünfmal in das All-Australian-Team24 gewählt wurde, hat sich eine üble Verletzung am Knie zugezogen. Das wird ein enormer Verlust sein, wenn er für die Endrunde nicht wieder fit sein sollte.

      Mein Zeitplan ist durcheinandergeraten, denn ich schreibe dies bereits am nächsten Morgen und nicht wie sonst zwischen 21.00 Uhr und 23.00 Uhr. Es wird interessant sein festzustellen, ob ich am Ende mehr Spiele der Football-Liga verfolgt haben werde als je zuvor in meinem Leben oder ob es mir irgendwann zu viel wird. Es wird sich herausstellen.

      Manchmal wird erzählt, ich hätte mich für das Priestertum und gegen die VFL entschieden (so wurde sie damals genannt: die Victorian Football League – »die Viktorianische Football-Liga«). Die Wahl, die ich damals treffen musste, war, zur Universität zu gehen und eine Berufslaufbahn anzustreben, oder aber, Priester zu werden. Ich bin ins Priesterseminar eingetreten, weil ich spürte, dass Gott es so wollte und dass ich es tun musste. Deshalb war ich viel weniger fröhlich und großherzig als viele meiner Mitseminaristen.

      1959, in meinem letzten Jahr am St-Patrick’s in Ballarat, erhielt ich Anfragen von einer ganzen Reihe von VFL-Clubs, die mich unter Vertrag nehmen wollten, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt schon quasi widerstrebend entschieden hatte, ins Seminar einzutreten. Nicht einmal mit Richmond habe ich jemals trainiert, obwohl ich bei ihnen unterschrieben hatte und sie mir einen Platz für das Training und die Übernahme meiner Studiengebühren versprochen hatten. Außerdem gab es noch das Problem, dass das Newman College an der Universität Melbourne seinen Studenten damals nicht erlaubte, in der Liga Football zu spielen, und ich wollte unbedingt dorthin. Richmond war noch nicht die Spitzenmannschaft, die es heute ist oder in den späten 1960er- und in den 1970er-Jahren wurde, und das Training war nicht annähernd so streng und professionell wie heute.

      Ich bereue es nicht, dass ich Priester geworden bin, obwohl mein Leben turbulent geworden ist, denn ich glaube, dass ich – wenn auch unvollkommen – Gottes Willen erfüllt habe. Ich habe mein Leben einer Sache gewidmet, die von höchster Bedeutung ist – und einem priesterlichen Lebensweg, der viele menschliche Tröstungen bereithält.

      Bei der Royal Commission [zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs bei Kindern]25 haben einige die übertriebene Ehrerbietung und den Respekt beklagt, die viele Katholiken dem Klerus entgegenbringen würden. Zweifellos hat eine Minderheit von Klerikern dies auf abscheuliche Weise missbraucht, doch der Respekt und oft auch die Liebe, die man den Priestern bezeigt, waren nicht das Ergebnis irgendeines kirchlichen Erlasses, sondern sie waren auf den großen Einsatz von Generationen von Priestern im Dienst und im Gebet zurückzuführen. Außerdem waren die Menschen in ihrer Hingabe und Loyalität nicht unbedacht. Sie waren tolerant eingestellt, aber Einzelpersonen und Familien haben ihre eigenen Einschätzungen und Entscheidungen getroffen.

      Heute habe ich überraschend den Besuch eines sehr höflichen indisch-australischen Physiotherapeuten erhalten, der sich um meinen linken Arm und meine Schulter gekümmert hat, denn meine Knie scheinen Fortschritte zu machen, obwohl sie noch immer dick geschwollen sind.

      Lieber Besuch von Tim und Anne McFarlane, die mir erzählt haben, dass die öffentliche Meinung unter den Rechtsexperten eindeutig zu meinen Gunsten ausschlägt, selbst bei denen, die meine Ansichten ablehnen.

      Die zweite Lesung im Brevier war heute ein Auszug aus der Abhandlung des heiligen Hilarius von Poitiers über »Selig der Mann, der den Herrn fürchtet«.

      Die Furcht des Herrn ist dem progressiven Flügel ein Dorn im Auge, weil Gott so liebe- und verständnisvoll ist und alles vergibt. Darüber vergessen sie manchmal, dass man bereuen muss, bevor Gott vergeben kann. Ich erinnere mich noch daran, wie ein angesehener Bischof auf einem Treffen der australischen Bischöfe gegen die »Furcht des Herrn« gewettert hat und wie tatsächlich eine Mehrheit der Bischöfe dafürstimmte, die »Gottesfurcht« oder die »Furcht des Herrn« aus den liturgischen Übersetzungen zu streichen.

      Hilarius erklärt, dass die Furcht des Herrn etwas ist, das man lernen muss, indem man betet und nach Weisheit und Erkenntnis strebt, und dass sie nichts gemein hat mit unserer natürlichen Furcht, von Krankheit, Gefahren oder Naturkatastrophen betroffen zu werden.

      Ich bin für eine richtig verstandene Gottesfurcht, und das nicht etwa, weil ich Gott für grausam oder unberechenbar oder feindselig halte. Ich habe im Lauf der Jahrzehnte viele Diskussionen mit dem Hinweis auf die Schrift

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