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Göttingen, im Mai 2013 Gerald Hüther

      [18] Vorwort zur 4. Auflage

      Sigrid Tschöpe-Scheffler

      Wie kann es gelingen, wahrhaft interessiert und offen für das zu werden, was Mütter, Väter und Kinder bereits an Wissen und Können, individueller Erfahrung, biografischen Erkenntnissen, Lebensleistungen, Intuition und Expertentum für ihr eigenes Leben mitbringen?

      Johannes Schopp zeigt in seiner sehr anregenden Publikation, nun bereits in der 4. Auflage, dass dies nur durch echten Dialog möglich ist. Dialog ist nicht in erster Linie eine Methode, auch wenn er eingeübt werden muss, sondern eine Haltung, die eine auf Prozesshaftigkeit angelegte existentielle Begegnung mit sich selbst und dem anderen initiiert.

      Mir scheint es, dass diese Haltung inzwischen nicht nur in der Zusammenarbeit mit Eltern „angekommen“ ist, sondern dass sich daraus auch ein Paradigmenwechsel insgesamt für die Familienbildung abzeichnet.

      Es ist ein großer Verdienst der dialogischen Arbeit, wie sie von Johannes Schopp und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Publikationen und Aus- und Fortbildungen gelebt und präsentiert wird, dass Menschen spüren, wie bedeutungsvoll zwischenmenschliche Erfahrungen und Begegnungen für sie selbst sind, und sie diese darum in ihre (nicht nur pädagogische) Arbeit und in ihr Leben übertragen wollen.

      Der Autor zeigt sehr eindringlich, dass es nicht in erster Linie die Konzepte, Trainings und Methoden sind, die Menschen in der Tiefe zusammenführen, sondern individuelles Wachstum und eigene Entwicklung erst in der tiefen Begegnung mit dem Anderen realisiert werden können.

      Ich wünsche dem Autor, seinem großen Anliegen und damit auch seiner Publikation weiterhin eine große Verbreitung, noch viele Auflagen und interessierte Leserinnen und Leser, die durch dieses Buch angeregt werden, selbst dialogisch unterwegs zu sein, sich für die Standpunkte des Anderen ernsthaft zu interessieren und mit ihnen (und sich selbst) in einen echten Dialog zu treten.

      [19] Einführung

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      [21] Einführung

      Die meisten Eltern handeln in der Überzeugung, das Beste für ihre Kinder zu tun. Dabei stoßen sie jedoch immer wieder an Grenzen, die in der Natur der Sache liegen. Kinder sind von Geburt an individuelle Wesen, die ihren eigenen Willen und eigene Vorstellungen haben, die sie mit zunehmendem Alter immer weiter entwickeln. Von daher gibt es ganz natürliche Reibungspunkte zwischen den Interessen der Eltern und denen ihrer Kinder. Darüber hinaus bedeutet Elternsein ganz pragmatisch, Tag für Tag, Woche für Woche und Jahr für Jahr eine Vielzahl von Entscheidungen zu treffen und im Dschungel der Möglichkeiten zwischen „richtig“ und „falsch“ abzuwägen.

      Darum suchen heute mehr Eltern denn je Halt und Unterstützung, um im Zusammenleben mit ihren Kindern die selbst gestellten bzw. gesellschaftlich formulierten Anforderungen bewältigen zu können. Dabei stand ihnen noch nie so viel pädagogisches und psychologisches Wissen zur Verfügung: In Elternzeitschriften, Internetplattformen und anderen Ratgebern werden sie geradezu überschwemmt mit Vorschlägen für gelingende Erziehung. Doch durch die Vielzahl sich widersprechender Tipps nimmt die Verunsicherung zu. Wem soll man vertrauen? Was war zuerst da, die Ratlosigkeit oder die Ratgeber?

      „Die Menschen vergessen, was Du sagst und was Du tust. Aber was sie in deiner Gegenwart gefühlt haben, Vergessen sie nie.“

      Maya Angelou Auf der anderen Seite suchen auch professionelle Experten nach Alternativen bzw. Ergänzungen für die so genannten „Eltern-Erziehungs-Konzepte“. Der vorliegende Leitfaden widmet sich genau diesem Punkt. Er will zeigen, welche Bedeutung die Dialogische Grundhaltung im Rahmen von Seminaren und Beratung haben kann, damit Eltern wieder an sich und ihre Kompetenzen glauben lernen. Eine wichtige Voraussetzung dafür, Kinder auf dem Weg zu innerlich starken, lebensfrohen und zuversichtlichen Persönlichkeiten zu begleiten.

      Die Dialogische Haltung stellt die einzigartige Existenz eines jeden Menschen in den Mittelpunkt. Sie betont den Respekt vor der Unterschiedlichkeit, vor unterschiedlichen, auch von der Norm abweichenden Lebenswegen, vor dem Tempo individueller Entfaltung und vor der Unvollkommenheit menschlicher Existenz. Dieser Einstellung liegt die Annahme zugrunde, dass jede und jeder durch den Dialogkreis ermutigt werden kann, das Vertrauen in die eigene Urteilsfähigkeit und das Gespür für den eigenen „richtigen“ Weg wieder zu finden. Das macht die [22] Menschen langfristig unabhängiger vom Urteil sogenannter Experten und deren Wissen und es stärkt sie. Im Titel des Buches ELTERN STÄRKEN verbinden sich also gleichzeitig die Grundannahme, dass Eltern die eigenen Stärken bereits in sich tragen, und das Ziel, diese mit der Begleitung im Dialog wieder zu finden.

      Diejenigen, die sich auf den Dialog einlassen, erfahren Wertschätzung und Anerkennung, sie erleben, was es heißt, gehört zu werden und sich Gehör zu verschaffen. Ohne dem perfekten Ideal nachzueifern, das es im Leben nicht geben kann, werden sie ermutigt, ihr eigenes Ideal zu finden, das sich wandeln und entwickeln darf. Die Verantwortung für ihren individuellen „Lernzuwachs“ bzw. „-rückschritt“ trägt jede/jeder für sich.

      „Wir sagen nicht, wir haben eine neue Denkweise, sondern wir sagen es gibt viele Denkweisen, die uns nützlich sein können.“

      L. Freeman Dhority Dialog ist eine Form, die eigene Achtsamkeit (wieder) zu entdecken und zu verfeinern. Achtsamkeit „schult“ auch die Wahrnehmung für die Augenblicke des Staunens über das Wunderbare, aber auch das Komische und das Andere bzw. Fremde im Zusammenleben zwischen Erwachsenen und Kindern. Für das Leben gibt es kein Rezept. Das Zusammenleben mit Kindern hat etwas mit Experimentieren zu tun. Es ist ein gemeinsamer Lebens- und Entwicklungsweg.

      Im Dialog geht es konkret nicht darum, was ich anderen Menschen vermittle oder beibringe, sondern wie ich mit ihnen in Beziehung trete. Im Dialog soll niemand um-erzogen oder durch Training dazu gebracht werden, bestimmte Verhaltensweisen abzulegen und sich andere anzueignen. Unter sensibler Dialogbegleitung geschieht gegenseitige Unterstützung ohne Belehrung. Die Philosophie, die dahinter steckt ist, dass niemand – auch nicht die Dialogbegleitung – weiß, welcher Schritt gerade in diesem oder jenem Augenblick in der jeweiligen Familie der richtige ist.

      Im Dialog nehmen sich die Teilnehmenden – die Dialogbegleiter eingeschlossen – anders, persönlicher wahr, ohne sozialromantisch zu verschmelzen. Der Dialog meint den ganzen Menschen, und die Betonung liegt auf dem Wort Mensch. Funktionen und Titel spielen im Dialog keine Rolle. „Im Dialog [ist] kein Platz für das Autoritätsprinzip, Überordnungen und Unterordnungen…“ (Bohm 2000, S. 92). Wer sich auf den Dialog einlässt, versteht, warum niemand ein Anrecht auf die objektive „Wahrheit“ hat. Jeder nimmt seine Sicht als seine Wahrheit wahr.

      [23] Radikaler Respekt für Verschiedenheit bedeutet, dass wir unsere Ansichten über generell „Richtiges“ und generell „Falsches“ aufgeben müssen. Unter dieser Prämisse ist die Frage neu zu beantworten, wer „Experte“ ist und für welchen Bereich.

      Eckpunkte einer Dialogbegleitung in diesem Sinne sind:

      • Es gibt keine allgemeingültigen „Rezepte“.

      • Eltern werden beim Suchen eigener Antworten auf ihre Fragen begleitet.

      • Eltern werden sich bewusst, dass Fehler zum Leben dazugehören.

      • Im gegenseitigen Verständnis füreinander spüren Eltern Entlastung und lernen, wieder über sich und ihre Situation zu schmunzeln oder zu lachen.

      • Eltern sind Fachleute und Verantwortliche in eigener Sache.

      • Eltern sind gleichwertige und gleichwürdige Dialogpartner.

      • Wir können niemanden verändern. Ziel ist es, die Überzeugung der Eltern zu

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