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denen Sie das Problem nicht wahrnehmen?

      Woran merken Sie das, und was ist für Sie dann anders?

      Wofür interessieren sich Ihre Kinder noch?

      Was, glauben Sie, kann Ihr Kind am besten?

      Was, glauben Sie, würde sich Ihr Sohn von seiner Mutter/seinem Vater am meisten wünschen?

      Mit neuen Fragen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, auch wirklich neue Einsichten zu gewinnen.

      „Alles Fragen ist ein Eindringen. Wo es als Mittel der Macht geübt wird, schneidet es wie ein Messer in den Leib des Gefragten. Es ist bekannt, was man da finden kann.“

      Elias Canetti Gewöhnlich werden Seminare mit sogenannten Impulsreferaten eröffnet, „um alle auf den gleichen Wissensstand zu bringen“. Diese Vorgehensweise passt nicht zum Dialog und zwar aus zwei Gründen: Erstens wird es einen „gleichen“ Wissensstand nie geben. Der Dialog betont ja gerade die Verschiedenheit. Zweitens werden die Eltern im Dialogkreis eingeladen selbst nachzudenken, statt in einer passiven Konsumhaltung zu verharren. Deshalb ersetzen Impuls-Fragen übliche Impulsreferate.

      Entscheidend für den „Erfolg“ des hier beschriebenen Vorgehens, ist allerdings, dass Teilnehmende und Dialogbegleiterinnen gegenseitig echtes Interesse und ehrliche Neugier spüren. Scheinfragen irritieren und vermitteln das Gefühl, bei „falscher“ Beantwortung der Lächerlichkeit preisgegeben zu sein. Dies gilt im Übrigen analog für den Umgang der Eltern mit ihren Kindern. Die Kinder stellen sich auch deshalb häufig „taub“, weil sie die verborgene Absicht ihrer Eltern spüren, sie auszufragen, anstatt sich wirklich für sie zu interessieren.

      [38] Fragen können neben dem Dialogischen auch einen manipulativen Charakter haben (vgl. Gilsdorf 2004, S. 300). Ein Dialogischer Begleiter muss sich immer wieder dessen bewusst sein, dass die von ihm gestellten Fragen nicht nur der Informationsgewinnung dienen, sondern gleichzeitig auch Information schaffen. „In jeder Frage versteckt sich nämlich eine implizite Aussage, die die gewohnte Art, wie […] die Dinge gesehen werden, potenziell verstören kann“ (v. Schlippe u. Schweitzer 1996, S. 137).

      Im Dialog achte ich darauf, dass die Fragen möglichst so formuliert sind, dass sie den Teil ihrer Beziehung zu ihren Kindern erkunden, den die Eltern als „gelungen“ bezeichnen, wie z. B.: „Nehme ich mein Kind wahr, in dem, wie es ist, und was es ausmacht?“ oder „Was schätze ich an meinem Kind besonders?“ (Letztgenannte Frage steht auf einem Plakat geschrieben, das an der Wand hängt.) Immer wieder bin ich über die unterschiedlichen, manchmal verlegenen Reaktionen auf diese simple Frage erstaunt. Würde ich danach fragen, was ihnen missfällt oder was ihnen auf die Nerven geht, wüssten viele Teilnehmer ad hoc eine Menge aufzuzählen. Durch die Botschaft, die in der positiven Frageperspektive steckt, werden die Eltern daran erinnert, einmal anders, mit der wohlwollenden „Goldenen Brille“ auf ihre Kinder zu blicken.

      Fragen schärfen auch das Bewusstsein dafür, dass niemand sonst mir die Verantwortung dafür abnehmen kann, dass ich selbst auf meine Fragen auch meine Antworten finden muss. Der Wissenszuwachs findet zwar durch den Gruppenprozess statt, wird jedoch ganz individuell und sehr unterschiedlich wahrgenommen. Dadurch wird plausibel, dass das Wissen keine Allgemeingültigkeit für alle besitzen kann. Die Wirkungen einer Frage sind individuell sehr unterschiedlich. Je nachdem, wo die Eltern erreicht werden, beschäftigen sie sich weit über den Seminarabend hinaus mit den Impulsen, die durch die Fragen ausgelöst wurden.

      Wie gelingt es, den Blick auf positive Aspekte des eigenen Lebens zu richten, anstatt immer auf das nicht Funktionierende, auf die Katastrophen, auf das Chaos? Zahlreiche Eltern vergessen in der Sorge um ihre Kinder ganz, deren Fähigkeiten und Anstrengungen zu würdigen.

      „Eine problemorientierte Sicht ist mehr vergangenheitsorientiert – eine lösungsorientierte Sicht ist eher zukunftsorientiert.“

      Winfried Palmowski Der Blick auf die Stärken orientiert sich an den Erkenntnissen des Medizinsoziologen und Stressforschers Aaron Antonovsky, der seit Mitte des letzten Jahrhunderts die „Ursprünge der Gesundheit“ untersuchte (vgl. Antonovsky 1997, S. 17). Unter dem Begriff „Salutogenese“ (Salus, lat.: Unverletztheit, Heil, Glück; Genese: griech.: Entstehung) hat er den Paradigmenwechsel hin zur ganzheitlichen Gesundheitsförderung entscheidend mit geprägt. Die salutogenetischen Fragestellungen lauten: Was stärkt uns? Was schützt uns? Was hält Menschen trotz vieler potenzieller gesundheitsgefährdender Einflüsse körperlich, emotional und sozial gesund?

      Im Gegensatz dazu, sagt er, steht die heute immer noch vorherrschende Denk- und Handlungsprämisse der pathogenetischen Sichtweise (Pathos, griech.: Leid, Leiden, Leidenschaft). Diese fragt vorrangig danach, warum jemand krank, auffällig, süchtig oder gewalttätig wird, mit dem Ziel, die endgültig wirksame Strategie zu finden, mit der zukünftige Störungen möglichst vermieden werden können. Antonovsky benutzt zur Erklärung seines Ansatzes folgende Metapher: „Die pathogenetische Herangehensweise möchte Menschen mit hohem Aufwand aus einem reißenden Fluss retten, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie sie da hineingeraten sind und warum sie nicht besser schwimmen können“ (Bengel u.a. 2000, S. 24f.).

      Das gleiche Denken herrscht oft auch bei Eltern vor. Aufgrund ihrer Unsicherheit vertrauen sie ihren Selbsthilfekräften wenig. Zur eigenen Beruhigung suchen sie schon bei kleinsten „Auffälligkeiten“ psychologische Beratungsstellen auf, um dort mit Hilfe von Tests Störungssymptome (wie beispielsweise Dyskalkulie, oder Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom/ADS), feststellen zu lassen.

      [40] In den Seminaren schildern Mütter oder Väter oft, dass ihre Kinder nur deswegen auffällig geworden seien, weil an der betreffenden Schule oder im Wohnumfeld der Familie oder aus anderen Gründen, die außerhalb der Familie liegen, etwas nicht in Ordnung sei. Ein typisches Thema ist immer wieder: der „schlechte Einfluss“ der Clique oder die „falschen“ Freunde, die das eigene Kind vom „rechten“ Weg abbringen.

      Wenn nur der Schüler, der meine Tochter zum Haschischkonsum oder zum Schule schwänzen verleitet hat, von der Schule verwiesen würde, würde sicher alles wieder anders, oder Mein Sohn wäre allein niemals darauf gekommen zu klauen,

      hoffen sie. Am liebsten würden sie Maßnahmen von örtlichen Beratungsstellen, von der Schulbehörde oder von der Polizei fordern. Die sofortige Vermeidung des Problems wäre ihr größter Wunsch.

      Auch hier versuche ich als Dialogbegleiter, die Elterngruppe sowohl über ihre konkreten Ängste als auch Erfahrungen im Umgang mit ähnlich gelagerten Situationen miteinander ins Gespräch zu bringen.

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      [41] Wer kennt ähnliche Ängste bei sich oder bei Leuten, die Ihnen nahe stehen?

      Ist Ihnen bekannt, wie diese Personen mit der entsprechenden Situation umgegangen sind?

      Wollen Sie von anderen hören, wie sie an Ihrer Stelle handeln würden?

      Gibt es jemanden hier im Raum, der so etwas noch nie erlebt hat?

      Was haben Sie bisher unternommen?

      Wer, glauben Sie, könnte die richtige Person sein, die Ihnen oder Ihrem Kind jetzt am besten helfen könnte?

      Dieses Vorgehen entlastet gerade diejenigen Eltern, die zuvor eine konkrete Situation aus ihrem Erziehungsalltag geschildert hatten. Sie lernen dadurch, bestimmte Dinge anders einzuordnen; denn es wird offensichtlich, dass sich einerseits bestimmte „jugendtypische“ Verhaltensweisen durchaus „auswachsen“ können oder sich im Laufe der Zeit von selbst regulieren, dass wir andererseits aber auch nicht alle Macht in der Hand haben, das Verhalten unserer Kinder störungsfrei zu steuern.

      „Es ist ernüchternd, dass es kein Rezept gibt, aber ich weiß jetzt, dass ich mein Kind begleiten und mit ihm im Gespräch bleiben muss.“

      „Manchmal muss man wohl hoffen und darauf vertrauen, dass es gut laufen wird.“

      „Wir haben

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