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zerschlagen haben, ebenso wie über die Entstehungsgeschichte anderer, die uns Lesern in seliger Erinnerung sind. (Und als Redakteur schauderte ich über die strikten Hierarchien und den zuweilen militärischen Umgangston der ersten Jahre …)

      Michael grub Material aus, das verblüfft. Sei es das Cover der belgischen PERRY RHODAN-Ausgabe, Fotos aus dem italienischen Studio, das die PERRY RHODAN-Comics zeichnete, die inzwischen bereits zu Pop-Art-Denkmälern geworden sind, oder bislang unbekannte Autorenschnappschüsse. Er würdigte die Macher von PERRY RHODAN. Natürlich die Altmeister, aber auch diejenigen, die nur wenige Beiträge zum Perryversum lieferten. Wer, zum Beispiel, erinnert sich noch an Klaus Fischer? Michael tut es.

      Dabei verlor er bei aller Liebe zur Serie nie aus den Augen, dass PERRY RHODAN nicht für sich allein steht. PERRY RHODAN hat die Geschichte der bundesrepublikanischen Science Fiction bestimmt, aber die Serie ist trotz ihres wahrhaft gigantischen Umfangs nur ein Teil dieser Geschichte. Michael präsentierte die Macher der Serie in ihrem Gesamtschaffen. Walter Ernsting war Mitgründer von PERRY RHODAN, aber auch der Mann, der sich später intensiv mit der Präastronautik auseinandersetzte und Jugendbücher schrieb. Ernst Vlcek war einer der wichtigsten und fleißigsten PERRY RHODAN-Autoren, aber seine Liebe zum Horrorgenre war ihm ein steter Begleiter – Michael beleuchtete beides. Und er ging noch weiter: Er bettete seine Darstellung in den Kontext der Geschichte der Bundesrepublik ein. Der Held Perry Rhodan, der den Atomkrieg verhindert und die Menschheit eint, ist offensichtlich ein Kind des Kalten Krieges. Michael zeigte auf, wie Romanfigur und Serie dem Wandel der Gesellschaft folgen – und ihm zuweilen vorangehen.

      Dass eine derart ausführliche Darstellung Platz benötigte, verstand sich von selbst. Nur, wie viel, das hat mich dann doch überrascht. Glaubten wir anfangs noch, mit zwei, maximal drei Folgen pro Publikationsjahr auszukommen, gelangten wir rasch in ganz andere Größenordnungen: Das RHODAN-Jahr 1974 verlangte nach zehn Folgen, das Jahr 1975 bereits dreizehn. Michael blieb dran und schrieb die Chronik bis in das RHODAN-Jahr 1980 weiter. Dann, 2007, wurde die dritte Auflage der Serie eingestellt. Die Chronik fiel der Einstellung zum Opfer, trotz ihrer Beliebtheit bei den Lesern. Die letzte Folge war die Nummer 147.

      Doch, wie man weiß, ist Perry Rhodan unsterblich – und die Serie und alles darum herum ist nicht totzubekommen. Nun ist die PERRY RHODAN CHRONIK wieder zurück. Sorgfältig überarbeitet, erweitert und in Buchform. Band eins der Chronik liegt seit Wochen auf meinem Nachttisch. Die Chronik ist meine Lieblingslektüre. Ein Leckerbissen, der viel zu schnell zur Neige zu gehen droht. Ich teile mir die Lektüre gut ein, schwelge in Reminiszenzen an den Lesestoff meiner Jugend, folge dem Auf und Ab früherer Autorengenerationen und staune darüber, wie viel sich verändert hat – und wie viel über die Jahrzehnte gleich geblieben ist.

      PERRY RHODAN ist und bleibt eben die größte Soap Opera des Universums!

      Wie PERRY RHODAN immer größer wurde

      Als PERRY RHODAN am 8. September 1961 erstmals auf den Markt kam, befand sich Deutschland mitten im Kalten Krieg. Juri Gagarin hatte durch seine Erdumkreisung die Sowjetunion zur führenden Raumfahrtnation gemacht, und der neue US-Präsident John F. Kennedy hatte daraufhin erklärt, noch vor Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf den Mond zu schicken und sicher zur Erde zurückzubringen.

      Das war die herrschende Grundstimmung, als im ersten PERRY RHODAN-Heft, angesiedelt im Juni 1971, der deutschstämmige Perry Rhodan, Major der US Space Force, dieses Versprechen einlöste, auf dem Mond landete und im Besitz einer außerirdischen Technologie zurückkehrte, die den Dritten Weltkrieg verhinderte.

      Raumfahrt ohne Technik erschien schon seit Jules Vernes Zeiten unvorstellbar, und so war Technik auch in der Science Fiction das häufigste Mittel, an neue Schauplätze zu gelangen. PERRY RHODAN machte da keine Ausnahme. In den ersten sechs Jahren, dreihundert Hefte lang, wurde mit einer immer ausgeklügelteren technischen Bestückung die Erforschung der Milchstraße und benachbarter Galaxien vorangetrieben. Dabei herrschte durchaus ein »Feind-im-Weltall-Konzept«, wie William Voltz es einmal nannte. Es wimmelte von Wesen, die den Terranern Übles wollten – auf der Erde wie auch im Weltraum.

      In der bundesrepublikanischen Wirklichkeit kam es unterdessen zu drastischen Veränderungen auf sozialem, kulturellem und politischem Gebiet. Die Jugend brach mit den Werten der älteren Generation, mehr Freiheit und Demokratie wurden eingefordert – und so mehrten sich bald auch bei PERRY RHODAN kritische Leserstimmen, die immer raffiniertere Techniken und Waffensysteme ablehnten, selbst wenn sie der Verteidigung dienten. Das war genau die Argumentation der Kalten Krieger gewesen, gegen die sich die Serie bei ihrem Start gewendet hatte, und durch die Medienberichterstattung, allen voran die ZDF-Sendereihe »Monitor«, bekam man das auch mitleidlos unter die Nase gerieben. Der Druck auf die Macher von PERRY RHODAN, ihre Serie neu zu erfinden, stieg.

      Ein »Neustart« erfolgte im April 1969 mit PERRY RHODAN 400, dessen Handlung tausend Jahre nach dem vorigen Heft angesiedelt war. Abermals ging es darum, eine mögliche Bedrohung der Menschheit abzuwenden, doch wurde nun zur »Verteidigung« vor angreifenden Flotten das Sonnensystem um fünf Minuten in die Zukunft versetzt und damit unangreifbar gemacht. Kriegerische Auseinandersetzungen gab es vorwiegend als Light-Fassung, und die Wiederwahl von Perry Rhodan zum Großadministrator des Solaren Imperiums erfolgte fast ein wenig verstohlen. Nur war dieser Neustart nicht tragfähig genug, es gelang den Machern im Verlauf des gesamten Zyklus nicht, ein klares Konzept zu finden. Die Serie durchlief inhaltlich wie auflagenmäßig ein noch nie dagewesenes Tief.

      Der Wiederaufstieg von PERRY RHODAN begann schließlich mit dem aufwendig gestalteten Jubiläumsband 500, der im April 1971 erschien. Er sollte für zehn Jahre der letzte Romanbeitrag von K. H. Scheer zur Serie sein, der krankheitsbedingt auch die folgenden zehn Exposés nicht schreiben konnte. Immer stärker kamen nun die Konzepte des Kriegsdienstverweigerers William Voltz zum Tragen. In der Gründungs- und Aufbauphase der Serie durch seinen langjährigen Freund Scheer hatte er den idealen Nährboden für humanistische Auffassungen gefunden, die nach seiner offiziellen Übernahme der Exposéredaktion mit Band 650 zunehmend das Gesicht der Serie prägten. Voltz’ Handlungen orientierten sich bewusst an den neuen gesellschaftlichen Entwicklungen seiner Zeit, aber auch am jüngsten naturwissenschaftlichen Kenntnisstand. Während der nächsten zehn Jahre machte er die kosmischen Mythen in der Serie zu seinem Markenzeichen.

      K. H. Scheer hatte mit Clark Darlton die Serie begründet, und gemeinsam hatten sie eine Melange aus Technik und kosmischen Träumen geschaffen, bis der wachsende Einfluss von Voltz Scheers technologische Vision zunehmend ins Kosmologische und Mythische erweiterte. Und so gegensätzlich die beiden Autoren zunächst auch erscheinen mögen, hat gerade diese Verbindung den anhaltenden Erfolg der Serie ermöglicht.

      Fünfzig Jahre sind seit dem Start von PERRY RHODAN vergangen. Auf Scheer und Voltz folgten Ernst Vlcek mit Thomas Ziegler und Kurt Mahr, Robert Feldhoff und jetzt Uwe Anton als Exposéautoren, die der Serie ihren Stempel aufdrückten. Und doch hätte sie niemals so lange bestehen können, wenn nicht Scheer und Voltz schon in frühen Jahren ein derart tragfähiges Fundament aus Technologie und Humanismus aufgebaut hätten.

      Von diesem Spannungsverhältnis lebt PERRY RHODAN heute noch. So sehr die Serie sich auch der grandiosen Zusammenarbeit aller Beteiligten verdankt – ein großartigeres Vermächtnis hätten K. H. Scheer und William Voltz ihnen nicht hinterlassen können.

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      Ein Jubelband mit Überlänge

      Mit 84 Seiten war der PERRY RHODAN-Jubiläumsband 700, der im Januar 1975 erschien, um ein Viertel umfangreicher als üblich. Als Serviceleistung für den Leser hatte er ein umlaufendes Titelbild und einen Leserbriefanteil von vier Seiten, also von doppelter Länge. Sie brachten einen Ausblick auf den neuen Handlungsbogen, der Aphilie-Zyklus genannt wurde, eine Würdigung der amerikanischen PERRY RHODAN-Ausgabe, die gerade mit dem fünfzigsten Taschenbuch erschienen war, eine Umfrage nach den besten Heften und Autoren der Fantasyserie DRAGON, die Meldung, dass H. J. Bruck den Deutschen Hugo 1975 verliehen bekommen hatte, und einen SF-Witz von Michael Thiesen, damals SF-Fan, inzwischen enger redaktioneller Mitarbeiter von PERRY RHODAN. (Der Leser-SF-Witz im folgenden Heft stammte übrigens von keinem Geringeren

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