Скачать книгу

seiner »Politeia«, enden.

      Ganz gleich wie seither eine wahrhaft menschliche, gerechte Gesellschaft konstruiert wurde, die persönlichen Erfolge von Ungerechten und die Nachteile für die Mehrheit der Menschen durchziehen wie ein roter Faden die Geschichte, was von vielen stetig hoffnungsvoll vom Traum einer besseren Gesellschaft oder eines gerechteren Menschen begleitet wird. In der Nachhaltigkeitskrise spitzt sich heute die Frage zu, was diese Ausgangsposition für die Zukunft bedeutet. Die Nachhaltigkeitskrise antwortet nicht auf Erfolg und Misserfolg von Menschen, ihr ist jedes Gerechtigkeitsproblem gleichgültig, sie antwortet nur auf das, was die Menschen den Grenzen der Erde aufbürden. Wie aber sollen die bisher Ungerechten, die stets Erfolgreichen darauf reagieren? Gerade für die bisher Ungerechten und darin Erfolgreichen ist die Nachhaltigkeit ein im Grunde unmögliches Ereignis: Die Ressourcen der Erde wurden dynamisch ausgebeutet, und heute schwinden sie, das Klima wird heißer, das Wasser verschmutzter, das Land wird knapp, die Wohnungen werden teuer, die Arbeit ist unsicher, der Wohlstand nur auf Zeit und geborgt. Alter, Krankheit und Kinder werden zu Bedrohungen des eigenen Wohlstandes, alles, was bisher Gewinne und Erfolg brachte, wird riskanter und unsicherer. Immerhin, so scheint sicher, wird es zuerst vor allem die ärmeren Menschen treffen. Für sie sind die Auswirkungen gefährlicher, weil die ärmeren Menschen als stetige Verlierer über zu wenig Ressourcen verfügen, diese Krise zu meistern. Und auch Platon wusste schon: An der heiklen Stelle einer sichtbaren Gefährdung, einer existenziellen Bedrohung und steigenden Unsicherheit, wird mit Gewissheit die Stunde des Populismus schlagen, um diesen Menschen eine neue Erfolgsgeschichte anzubieten. Die Geschichte unterscheidet sich nur darin, dass diese Populisten in jedem Zeitalter andere Namen tragen.

      Wer aber soll vor dem Hintergrund solcher Vor- und Nachteile und einer Wiederkehr des ewig Gleichen in der heutigen Zeit gerecht im Sinne der Nachhaltigkeit sein? Um diese Frage zu beantworten, will ich vom Anfang der Neuzeit, vom Beginn der bürgerlichen Gesellschaft11 und der Entstehung umfassender kapitalistischer Verhältnisse und Geldgeschäfte ausgehen, um von dort aus zu verdeutlichen, wie sich bis heute gültige Vorstellungen und Denkweisen entwickelt haben. Sie bestimmen die menschliche Erzählung, wie sich aus dem Naturzustand ein Gesellschaftszustand entwickelte, den wir heute für selbstverständlich halten und kaum noch hinterfragen. Hier wurden die Grundlagen unserer Vorstellungen dafür gelegt, wie wir bis heute meinen, das Verhältnis egoistischer Begierden und einer Konkurrenz aller gegen alle mittels staatlicher Regulation und Verträgen lösen zu wollen. Dabei geht es immer auch und immer wieder um die Fragen, die ich eben mit Platon erörtert habe. Nur treten jetzt stärker das Geld, die Märkte, der Wohlstand und Konsum in den Mittelpunkt der Überlegungen.

      Der Soziologe Zygmunt Bauman (1993) hat Charakteristika der Moderne und unserer heutigen Lebenssituation besonders genau und zugleich anschaulich beschrieben. Der Begriff Moderne bezeichnet einen historischen Umbruch, der in allen Lebensbereichen gegenüber einer Vormoderne, einer traditionellen Gesellschaft mit überwiegend feudalen Strukturen, stattgefunden hat. Die Französische Revolution von 1789 wird als wesentliches Ereignis dieses Umbruchs gesehen.

       Kennzeichen der Moderne

      Angetrieben wird die Moderne vor allem durch den Kapitalismus, der sich in ihr in einer Industriegesellschaft durchsetzt, aber auch durch eine weitreichende Säkularisierung der Gesellschaft und eine begleitende Aufklärung in der Beobachtung und Konstruktion dieser Veränderung durch die Wissenschaften, die Künste und veränderte Lebenseinstellungen. Sehr einfach gesprochen bezeichnet der Begriff Moderne das eher Neuzeitliche, das auf eine Zukunft gerichtete Neue gegenüber einem Antiken oder Antiquierten, Traditionellen oder Konservativen, das aus feudalen und monarchischen Verhältnissen stammt, aber auch gegenüber einer religiösen Dogmatik und Enge. Der Begriff ist sehr vage, denn er umfasst eher eine Richtungszuschreibung oder Perspektive, weniger ein konkretes und schon gar kein vollständiges oder abgeschlossenes Ereignis. Dieses Vage und die Offenheit sehr unterschiedlicher Verwirklichungen entsprechen den Bedürfnissen des neuen Zeitalters und des Kapitalismus nach Ausweitung, um in alle Poren der Gesellschaft einzudringen und nach außen die ganze Welt zu erobern. Wie dies konkreter ökonomisch und politisch geschieht und welche Auswirkungen es auf die Nachhaltigkeit hat, das beschreibe ich näher im zweiten Band.

      Die Moderne steht für eine Epoche und all ihre Ereignisse, auch für bestimmte Stilrichtungen etwa in der Kunst, Musik, Architektur oder im Film. Ich benutze den Begriff als ein Konzept der Philosophie und der Sozialwissenschaften, das aus einer Metaperspektive einen Blick auf große Veränderungen in den Lebensverhältnissen der neueren Zeit erlaubt. Dabei sind einige einschränkende Bemerkungen zu machen:

      Die Bezeichnung Moderne drückt Veränderungen aus, die zunächst in den kapitalistischen Ursprungsländern in Europa stattgefunden haben und dann durch die globale Kapitalisierung immer mehr auch auf andere Kulturen mit ihren Perspektiven und Ansprüchen übertragen wurden. Seit dem späten 18. und mittleren 19. Jahrhundert – mit Bezügen zu vorausgegangen Prozessen – wird hierbei von einer Moderne gesprochen, die auch als ein Übergang von einem feudalen zu einem bürgerlichen Gesellschaftsmodell charakterisiert wird. Dies ist ein Übergang, der gleich exemplarisch mit Hobbes, Locke und Rousseau diskutiert werden soll.

      Mit der Moderne entstehen neue Denkweisen, neue Begriffe und Herausforderungen eines Wandels. Dazu gehört auch die Nachhaltigkeit. Mit der Moderne setzt ein Zeitalter ein, das durch die Beschleunigung aller Produktions- und Lebensprozesse auch erhöhte Gefährdungen der Ökosysteme bedingt. Die theoretische Konstruktion der Moderne war solchen Veränderungen gegenüber jedoch zunächst durchgehend ignorant, sie entwickelte sich selbstbezüglich als reines Fortschrittsmodell und relativ selbstvergessen gegenüber den Auswirkungen auf die Umwelt und die Gefährdung von Menschen. Wenn der Wohlstand wächst, dann treten Fragen nach Gesundheit, Wohlbefinden und Sicherheit für alle Menschen schnell in den Hintergrund.

      Der Begriff der Moderne verweist zwar auf einen historischen Zeitraum, aber mehr noch versucht er, einen neuen Denkansatz in der Beschreibung von den Veränderungen, die stattgefunden haben, zu bieten. In der soziologischen Reflexion auf diese Veränderung drückt der Begriff der Modernisierung einen Wandel hin zu einer Industriegesellschaft, zur Kolonialisierung, Urbanisierung, Bürokratisierung, sozialen Differenzierung nach Arbeitsteilung und zunehmender Individualisierung aus, der auch eine Demokratisierung bedeuten kann und zunehmend globale Ausmaße annimmt. Insbesondere in der Kolonialisierung, der Unterwerfung anderer als unterentwickelt charakterisierter Kulturen, wurde in der Moderne ein Kriegszug gegen alle Völker und Ethnien durchgeführt, die nicht in das Bild des kapitalistischen Aufschwungs passten oder ihm bloß Arbeitskräfte zuliefern sollten.

      Die Begriffe des Völkermordes, des Genozids oder des Ethnozids sind erst ab dem 19. Jahrhundert entwickelt worden, aber überliefert sind solche Taten seit der Antike. Was sich früher in Eroberungskriegen und einer rigiden Überlebensstrategie der Menschheit in zahlreichen Kriegen ausdrückte, zeigt sich mit dem Beginn der Moderne vor allem in der Kolonialisierung. Die Kolonialisierung durch europäische Mächte, etwa während der »Indianerkriege« oder der Eroberung Afrikas und weiter Teile Asiens, war durch Unterwerfung, Eroberung, rücksichtlose Auslöschung bestehender Kulturen und ihre umfassende Ausbeutung mittels Landaneignung und Versklavung geprägt. Besonders dramatisch in der Folge solcher Eroberungen war es, dass sich nach der späteren Entkolonialisierung im entstandenen Machtvakuum viele Ethnien aufgrund der zuvor künstlich errichteten Grenzen der Kolonialmächte ihrerseits bekämpften und Völkermorde untereinander anrichteten.

      Nach Loo & Reijen (1997) ist die Moderne vor allem durch vier Prozesse gekennzeichnet, die sowohl den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt als auch die Nachhaltigkeit betreffen:

      (1) Die Moderne domestiziert die innere und äußere Natur, indem moderne Gesellschaften durch Innovationen ständig neue natürliche Ressourcen erschließen, den wissenschaftlich-technischen Fortschritt vorantreiben und, so will ich ergänzen,

Скачать книгу