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Eine grenzenlose Liebe. Aino Trosell
Читать онлайн.Название Eine grenzenlose Liebe
Год выпуска 0
isbn 9788711442340
Автор произведения Aino Trosell
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Mittlerweile waren die Kinder des Hauses näher gekommen, sie starrten sie wie verhext an. Eli lächelte ihnen zu. Soll ich euch das Märchen vom süßen Brei erzählen?
Jaa. Sie watschelten, tappten und krochen noch näher, und der Älteste, ein Junge von sechs, setzte sich vor ihr auf den Boden. Hildur machte eine Bewegung, die besagen sollte, Eli nehme sich zu viel heraus, dass es irgendwie anstößig sei, aber Eli tat, als verstehe sie nichts.
Dann erzählte sie das Märchen vom süßen Brei von Anfang bis Ende, und keiner sagte ein Wort, alle hingen an ihren Lippen, obwohl sie noch so klein waren und die Jüngsten bestimmt nicht mehr verstanden, als dieses Wort, dieses süße Wort, das sie immer wieder hören wollten. Als die Geschichte zu Ende war, flüsterten sie: Mehr.
Die Frau am Herd lobte Eli, ein so schönes Märchen, die Kinder wären völlig verzaubert, es stimmte wahrhaftig, was sie gesagt hatte, dass sie mit Kindern umgehen könnte. Eine solche Kleinmagd wie sie wäre hier auf dem Hof schon vonnöten. Besonders seit sie was Krankes hätten.
Und als ziehe man einen unsichtbaren Vorhang weg, wichen die Kinder zur Seite und öffneten gewissermaßen einen Weg ins Halbdunkel. Eine Pritsche wurde hinten an der Erdwand sichtbar. Etwas bewegte sich zwischen den Lumpen, ein weiteres Kind. Ein Hustenanfall und gleich noch einer, bellender Husten.
Es ist die Schwindsucht, erklärte die Frau.
Und obgleich sie es nicht sagte, stand da eine Frage im Raum, tut das etwas?
Hildur machte wieder eine winzige Bewegung, doch Eli ignorierte ihre Warnung erneut. Ich bin an kranke Kinder gewöhnt, sagte sie, stimmt doch Hildur, du kannst es bezeugen.
Die Ansteckung, zischte Hildur. Der Doktor ist hier gewesen, sagte die Frau, die das sicher gehört hatte, er sagt, es bestehe keine Gefahr für die Kinder, sie können hier wohnen bleiben.
Wohin sollten sie wohl sonst gehen?, dachte Hildur, sagte nun aber nichts mehr, wollte nur möglichst rasch aufbrechen.
Eli aber war stocktaub für die Zeichen der Tante. Sie wollte bleiben. Sie wollte nicht noch weiterwandern, und der Proviant war aufgegessen, der Topf mit Ziegenkäse hingegen verbreitete einen himmlischen Duft. Alles war in gewisser Weise auch so bekannt, all die kleinen Kinder, die Enge, sogar das mit dem lungenkranken Mädchen. Wenn sie gesund wurde, konnten sie zusammen spielen, sie konnten Schule spielen. Eli hatte bereits alles von den älteren Geschwistern gelernt. Ich kann ihr das Schreiben beibringen, sagte sie. Und ich habe ein Zuckerstück, das sich die Kleinen teilen dürfen.
Sie meinte es nicht wirklich. Es rutschte ihr nur so heraus, aber die Kinder jubelten.
So kam es, dass Eli ihre erste Stellung antrat, und ein paar Stunden später musste Hildur allein aufbrechen.
Die drei Jahre in dieser Familie – was für ein Leben!
Aber doch immerhin ein Leben. Vom unsichtbaren Mittelkind, das keiner haben wollte, zur unschätzbaren großen Schwester für andere. Sie machte sich schnell unentbehrlich, wollte dort bleiben, wollte zu essen bekommen, und das hier war die einzige Methode. Sie konnte ihre ganze Intelligenz einsetzen, konnte reden, schweigen, konnte erzählen, und auch im Zuhören war sie gut. Obendrein tat sie eine Menge, sah, was gebraucht wurde, war geschickt, alles ging leichter, wenn Eli dabei war.
Doch in erster Linie nahm sie sich der Angst an, des Schmerzpunktes im Leben der Familie. Diese Angst kannte sie nur zu gut, diesen süßen Geruch vor dem Herannahen des Todes.
Also bot sie sich völlig freiwillig an, und so wurde es dann auch, sie teilte das Bett mit dem schwindsüchtigen Mädchen. Wärmte die Gleichaltrige mit ihrem Körper, besser konnte es wirklich nicht sein.
Bestimmt war auch sie voller Furcht, aber das zeigte sie nicht. Und Wunder über Wunder, sie wurde nicht krank. Nein, Eli durfte sogar ihr neunundachtzigstes Lebensjahr erleben, das konnte sie damals jedoch nicht wissen, als sie an die Erdwand gepresst dalag und Kälte, Dämonen, ja den Tod selbst am Eindringen hinderte.
So viel Schauerliches, wie es zu jener Zeit gab, können wir uns heute nicht vorstellen. Lange bevor es Radios, Fernseher und alle Arten von Musikanlagen gab, herrschte dennoch eine Art Raunen, sobald die Dunkelheit herabsank. Da krochen die Geschichten über all das Grausige aus den Ecken. Übrigens genau wie heute, obwohl wir die Scheußlichkeiten nun nicht selbst weitergeben müssen, jetzt wird das kommerziell erledigt.
Und bevor ein öffentliches Gesundheitswesen existierte, gab es uralte Mittel, wichtigtuerische Quacksalber und Hausmittel, die bestenfalls ungefährlich waren, unangenehm aber waren sie sehr oft.
Eine Anweisung war von jemandem ergangen, die besagte, das kranke Mädchen würde leben, wenn es eine Tasse von einem speziellen Gebräu trank, das Blut enthalten sollte – und zwar von einer Kröte. Die musste jedoch lebendig sein, wenn ihr das Blut entnommen wurde!
Die Kröte wurde eingefangen. Sie hechelte, als ihre Haut im Eimer, wo sie eingesperrt saß, immer trockener wurde, sie war gewiss schrecklich verängstigt, man hatte sie geweckt, als sie schon tief in einem Laubhaufen am Erstarren war, es sollte schließlich Winter werden.
Der alte Finne mit der Blechtasse, der Bleikugel und dem Rest des Rezeptes sowie der Formel, die dazu herunterzubeten war, sagte, jemand müsse der Kröte das Blut aussaugen.
Eli war unentbehrlich, war gewissermaßen die große Schwester. Doch zugleich war sie auch eine Dienstmagd, die hier das Gnadenbrot aß. Was konnte sie also dagegenhalten? Sie war beinahe so etwas wie das Eigentum der Leute. Sie konnte sich nicht weigern.
Es gab eine Alternative, ganz sicher, und genau die war das Problem. Wieder loszuziehen, bald kam der Winter und sie dann vollkommen allein, nein. Tod durch Verhungern oder Erfrieren lag in dieser Situation am nächsten, was hatte sie für eine Wahl. Sie tat das einzig Richtige.
Aber die Krötenphobie wurde riesig, ja selbst, wenn es um Frösche ging, sogar bei solch kleinen süßen Krabben, wie wir die winzigen Minikröten nennen, die es immer gibt, wenn eine Quelle völlig sauber ist. Eli wurde total hysterisch, wenn sie die Tiere sah, und vererbte ihr Entsetzen auch der nächsten Generation.
Damals jedoch war es ernst. Vielleicht passierte es sogar mehrmals, vielleicht musste die Kur wiederholt werden. Und sie durfte sich nichts anmerken lassen. Musste die zappelnde, nasskalte Kröte packen, sich durch die Warzenhaut beißen, saugen und das, was kam, in eine Tasse spucken, wieder und wieder. Umgeben von einem Kreis angeekelter Bewunderer, den Kindern, die überzeugt waren, dass Eli einfach alles schafft.
Und kann das zusätzliche Eisen, das Protein, dieses Mädchen womöglich geheilt haben, oder war es einfach der Placeboeffekt? Nichts deutet darauf hin, dass sie gestorben ist. Und auch Eli steckte sich nicht an. Der Preis war eine Krötenphobie, das muss man akzeptieren.
Sie war eine Dienstmagd, war ein Niemand. Sie hatte keinerlei Wert und war dennoch unschätzbar, ähnlich wie die Negersklaven in Amerika.
Einer Kröte Blut auszusaugen, vielleicht war das gar nicht so schlecht. Es sättigt gewiss, allein schon der Gedanke, es ist so Ekel erregend, dass selbst der alltägliche Gestank zur reinen Poesie wird. Im Vergleich dazu wird die einfachste, selbst leicht verdorbene Mahlzeit zum Festessen. Jedenfalls hatte man doch keiner Kröte das Blut aussaugen müssen. Ja, eigentlich geht es einem doch richtig gut. So manche aller hausgemachten Qualen jener Zeit hatten vielleicht ihren Ursprung in solch dunklen Mechanismen.
Sie weinte wohl ein paar Tränen, aber nur insgeheim, draußen allein im Dunkeln unter dem Vorwand natürlicher Bedürfnisse. Danach hieß es gleich wieder die Bühne zu betreten – erzähl doch mal, wie hat sich das angefühlt!
Sie war gut im Erzählen. Als sich der Winter mit seinem Schneebauch über die Menschen herabsenkte, und tausend Sterne leuchteten, und man die Ziegen hinter der dünnen Bretterwand deutlich hören konnte, bevölkerte sie die Erdhöhle