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Ereignisse selbst gegeben hat, ich schreibe über mich, das weißt du genau. Jedes Buch, das ich verfasst habe, zeigt nur verschiedene Seiten meiner selbst, und deshalb ist es mir auch nicht möglich, eins davon als das beste zu bezeichnen oder mit einem anderen unzufrieden zu sein, es geht einfach nicht. Es wäre so, als würde man seine Kinder benoten, man hat eine gemeinsame Beziehung, hat gemeinsame Erinnerungen und eine gemeinsame Geschichte, man ist abhängig, egal, wie es auch sein mag.

      Es beginnt immer mit einer romantischen Vision, dem Traum, dass man aus sich hinausgelangen könne. Ich bin ein Produkt beider Länder, eine romantische und unmögliche Liebesgeschichte, bitter und wundervoll zugleich, umrankt von unscheinbaren, aber lieblich duftenden Erdglöckchen und mit grauen Strähnen im Haar.

      Es gab viel zu wenig Liebe. Dieses Buch hier eine Liebesgeschichte zu nennen ist wahrhaft ironisch, wo ich Ironie, diese Arroganz, doch so verabscheue.

      Harmonisch ist es selten, wenn Menschen lieben. Die Liebe hat keine schützende Haut, man trägt leicht Schrammen und Wunden davon, Blut rinnt. Im Hexenstich, mit zwei Y’s, nähe ich diese Wunde zusammen, Trysil, Sysslebäck.

      Was ist eine Grenze? Ein Übergang? Zwischen Nationen? Zwischen Menschen? Und die Grenzen der Geschlechter, was wissen wir darüber?

      Ich lebe an einem östlicheren Stück des Pilgerpfads. Jener Pilgerzug, der einst an Sysslebäck und Trysil vorbeiging, führte in Richtung Westen. Signalfeuer hatte man stets am Osthang angelegt, damit sie in Norwegen nicht zu sehen waren. In den Nächten leuchteten die Flammen meilenweit. Tagsüber hingegen stieg Rauch auf, signalisierte und warnte, doch was kümmerte es die Bevölkerung? Sie hatte ihr Zuhause auf beiden Seiten der Grenze.

      In dieser Grenzregion stellten die Hochzeiten, die Mundarten, das Wild und die gemeinsame Armut jenes Fundament dar, auf dessen Granitrücken die Zugvögel des Krieges zuweilen zwischenlandeten, mehr nicht.

      Eine Pilgergegend, eine Union und die Auflösung der Union, genau wie jene zwischen den Geschlechtern. Die glücklich im selben Land leben und alles teilen sollten. Doch die Frauen wurden immer verzweifelter. Diesen Krieg wird keiner gewinnen. Bitte sag, dass es andere Methoden gibt!

      Dieser Rausch, war das Liebe, dieser Wahnsinn, war das alles, ist es so banal? Oder greift die Union tiefer ins Fleisch, dennoch tiefer – weit unter die Grenzlinie? Vergebens versuchen allerlei Scharlatane Kapital aus diesem starken Supraleiter zu schlagen, ihn für eigene Zwecke zu okkupieren. Überlebt trotzdem etwas, das ewig ist, überlebt eine Art Burgfrieden in uns trotz all der unsanften Behandlung?

      Ich bin äußerst vorsichtig gewesen, um das peinliche Selbstbild nicht weiterzugeben, ich will, dass du der Überzeugung bist, einfach existieren zu dürfen, ohne Rücksicht darauf, ob du dem Bild des braven Mädchens entsprichst. Das Einzige, was ich für wichtig gehalten habe, war, dass du deine eigene Wahl triffst. Du weißt, dass ich dir zu deiner ersten Menstruation gratuliert habe, und du erinnerst dich bestimmt, dass ich damals sagte, die Männer seien besser als ihr Ruf, sie seien wundervoll, du brauchtest keine Angst zu haben. Doch ich glaube, dass du mir das nicht abgenommen hast.

      Ein Pilgerzug ging durch das Tal des Klarälven, nordwärts an der Kirche von Dalby vorüber, die meisten Personen dieser Geschichte liegen dort begraben.

      Danach wird das Tal immer enger, erinnert an norwegische Fjorde, nordische Landschaft. Branäsberget, Sysslebäck und dann Norra Finnskoga am Höljesdammen. Weiter bis nach Långflon hinauf, dann die Grenze, überall Wald und schließlich Plassens Kapelle, Nybergsund und Trysil.

      Das Pilgern an sich hat große Bedeutung, erfordert die richtige Einstellung, Offenheit gegenüber inneren Welten. Jeder Stein bekommt einen Sinn, jeder zurückgelegte Meter, jede Kiefer und jeder Busch, den man hinter sich lässt, ebenso wie die menschlichen Zeichen, die dir in Form verlassener Lagerplätze begegnen, alles hat einen verborgenen Sinn. Menschen gibt es nur wenige. Deine Gedanken haben die ganze Wildnis, den gewaltigen Himmel zur Verfügung und können sich ausbreiten. Hast du einen Glauben, dann schützt er dich vor vielem, andernfalls gerätst du in die Gewalt irdischer Dämonen. Du armes Menschlein, das nicht imstande ist zu glauben. Weh dir, und wenn du deinen Rosenkranz auch noch so abwetzt, so sollst du doch wissen, dass die Raubtiere dein Fleisch zwischen den schwarzen Stämmen wittern. Murmle, bete und lass deine Gebetskugeln wandern, der Bettelbeutel scheuert im Kreuz, und die Füße schmerzen in den ausgetretenen Schuhen. Du wanderst so mühsam, den Kopf zu Boden gesenkt, das Haar hängt vor blicklosen Augen. Doch deine schlecht verhüllten Arme und dein weißer Nacken leuchten auffordernd zwischen den Kiefern. Dein weißes Fleisch sendet seinen Duft an untrügliche Raubtiernasen. So unwiderstehlich ist deine einsame Gestalt, dass die schmalen funkelnden Augen rasch näher kommen. Und während du noch immer mit deinem nicht vorhandenen Glauben ringst, ist dein nächstes Stündchen schon entschieden.

      Ich werde erzählen, was damals geschehen ist, und dennoch werde ich erfinden. Es sind die Augen des heutigen Menschen, die versuchen, etwas hinten in der Dunkelheit zu erkennen. Ich werde Gefühle hineinlegen. Ich werde aus den Handlungen der Personen und aus trockenen Dokumenten dieses und jenes herauslesen. Doch werde ich wirklich verstehen, werde ich begreifen, wie ausgesetzt sie derzeit waren? Kann ich mich in das damals herrschende Schweigen einleben? Werde ich begreifen, wie man ein ganzes Leben mit einem Menschen verbringen kann, den man kein einziges Mal wirklich geliebt hat? Die regelmäßigen gewaltlosen Vergewaltigungen, wie gelingt es, so etwas zu verstehen?

      Wie ein Mantra hängt über dem Ganzen der universelle Appell: Werde nicht, werde nicht, werde bloß nicht schwanger!

      II.

      Elis Jugend

      Ich sehe sie aus der Ferne, das kleine Mädchen Eli, sehe sie in einem äußerst romantisierten Licht. Denn könnte ich mich tatsächlich in ihre Welt versetzen, würde ich zurückschrecken wie angesichts der furchtbarsten Armut Indiens, seines Hungers, der Gerüche, des Mangels an allem.

      Es fehlte an Nahrung, und man lebte überaus beengt, Eli aber war dennoch zufrieden, genügsam, fast glücklich. Als Kind kann man glücklich sein, selbst wenn dieses Mehr an Liebe fehlt, man kennt es nicht anders, das Leben ist so pulsierend und stark, jeder Tag steckt voller neuer Abenteuer, alles Erdenkliche kann geschehen. Sie war ein Teil des Ganzen und wollte nichts anderes sein. Ein wenig Grütze im Bauch brachte Wärme, Freude stieg im Körper auf, da fiel das Lachen leicht. Und die Sommer in Romedal waren warm und fruchtbar, all diese Düfte und der Wald. Der Zopf schlug ihr gegen den Rücken, die Füße waren wie aus Leder, gehärtet, nachdem der Schnee verschwunden war, sie rannte umher wie all die anderen. Kein Kind hielt sich zu jener Zeit im Haus auf, außer zum Essen und zum Schlafen. Diese Eli war in guter Form, sie war klein und gewandt und hatte ein helles Köpfchen.

      Im Zimmer, das sie gemietet hatten, saß der Vater und fertigte Schuhe an, während die Mutter den Jüngsten stillte. Eli durfte nie drinnen bleiben, obgleich sie es zuweilen gern wollte, wenn es draußen kalt war. Ihre jüngeren Geschwister durften es ebenso wenig, sie klammerten sich an sie statt an die Mutter, obwohl die Schwester erst sieben Jahre alt war.

      Zur Nacht wurde sie zusammen mit den Kleinen auf eine Schlafbank gebettet. Es war eng und manchmal auch nass. Dann gab man ihr die Schuld, weil sie sich nicht gekümmert hatte, dass die Sache vor dem Schlafengehen erledigt wurde.

      Die älteren Geschwister gingen den Eltern besser zur Hand. Der große Bruder war für Eli eine Art König, sie betete ihn an: Trag mich, Peter, bitte, spiel mit mir, hier bin ich! Doch er sah sie nicht, und außerdem musste er Holz hacken. Im Übrigen war er Mamas Augenstern, falls es keine Probleme mit dem Jüngsten gab.

      Die große Schwester hatte sich um den Haushalt zu kümmern, seit das Brüderchen krank geworden war, während die Mutter vergeblich versuchte, es zu stillen. Abends in der Dunkelheit hörte Eli, wie sie sich halb weinend bemühte, den Jungen zum Trinken zu bringen. Doch schrie er nicht mehr so gellend, es war wieder ruhiger geworden. Dennoch nahm er der Mutter alle Kraft.

      Der Vater fluchte, dumpf und bedrohlich, nach jedem Fehlschlag. Zum Abendessen bekamen sie immer öfter Wassergrütze, und Eli fiel das Einschlafen schwer. Alles war so trübselig, dass sie wünschte, der Tod möge kommen und diesen Plärrhans holen, damit alles

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