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einzugestehen. Es konnte nicht sein. Es ging ganz einfach nicht. Außerdem war sie doch erst achtzehn Jahre alt. Natürlich stimmte etwas nicht. Wenn sie nur erst diesen Bauch loswurde!

      Die Häuser waren seit langem immer spärlicher geworden, ihre Tante hatte aber gesagt, das ganze Tal entlang lägen Höfe und Katen verstreut. Der Weg war breit und von Schlitten festgefahren, noch gedachte Eli kein Nachtquartier zu suchen.

      Zu jener Zeit wies man auch keinen Wanderer ab, der spät abends eintraf, es gab keinen Grund, Verdacht zu schöpfen. Eli wollte es weit schaffen, wollte weit weg, sie mühte sich vorwärts, obgleich die am Strick hängende Hildur das Unternehmen mit meckerndem Protest kommentierte.

      Doch dann bekam Eli heftige Schmerzen im Bauch, oder war es im Rücken? Es kam ihr fast so vor. Sie blieb auf der Spur einer Pferdefuhre stehen, mitten zwischen den Abdrücken der Schlittenkufen, wie ungelegen, es tat so unglaublich weh. Aber nach einer Pause konnte sie weiterwandern.

      Es war wohl nur was Vorübergehendes. Im Übrigen wanderte sie zwar am Fluss entlang, konnte aber im Tal vor ihr nirgendwo auch nur das kleinste Licht entdecken, und es war lange her, dass ihr eine Schlittenfuhre oder ein Wanderer begegnet war.

      Als der Schmerz das nächste Mal zuschlug, war er so ausdauernd, dass er sie in die Knie zwang. Sie wimmerte. Doch nur Hildur hörte sie, und die schwieg ausnahmsweise und zog auch nicht am Strick.

      Als sie wieder zur Besinnung kam, waren die Tränen an ihren Wimpern zu Eis gefroren. Langsam verging der Schmerz. Sie griff nach Hildur, stützte sich auf sie, kam auf die Füße.

      Jetzt verstand sie, dass Eile geboten war. Wenn die Schmerzen wiederkehrten, kam es darauf an, nicht nachzugeben, sich nicht hinzulegen, das begriff Eli, und Hildur stimmte ihr eifrig zu, instinktiv – sie brauchten ein Dach überm Kopf, was war denn das hier für eine Geschichte, in finsterer Nacht durch die Gegend zu ziehen! Hildur sträubte sich nicht länger, sondern trippelte vor Eli in der Spur.

      Doch dann war plötzlich Schluss, Hildur weigerte sich, auch nur einen Meter weiterzugehen, die Klauen in den Schnee gestemmt, als sei sie festgewachsen. Wenn Eli sie mitnehmen wollte, musste sie die Ziege anscheinend tragen, Schläge und Tritte halfen ebenfalls nichts, obwohl sie schalt und schrie. Im selben Augenblick traf sie erneut der Schmerz.

      Nicht hinlegen, war das Einzige, was sie dachte, während Schwerter und Messer ihre Eingeweide durchbohrten, sie stöhnte, wimmerte und sank wieder auf ihre steifen, kalten Knie.

      Ihr wurde schwarz vor Augen, bevor sie wieder zur Besinnung kam. Wo war sie gewesen? Ein Blitzeinschub vom Todesreich? Sie war matt, und kalter Schweiß klebte an ihrem Körper, als sie wieder auf die Beine kam. Hildur meckerte, aber weigerte sich immer noch weiterzugehen. Keuchend stand Eli vornüber gebeugt da.

      Plötzlich sah sie etwas – was war das? Ein Pfad direkt zwischen die Bäume hinein?

      Zögernd schlug sie ihn ein. Und Hildur setzte sich in Bewegung, folgte ihr, Eli nahm das als Zeichen.

      Es war kein Schlittenweg, nur ein schmaler Trampelpfad, kaum sichtbar jetzt unter dem kürzlich gefallenen Schnee. Es war auch schwierig, ihm zu folgen, da es zwischen den Bäumen noch dunkler wurde. Doch wenn Eli falsch lief, korrigierte sie die Ziege. Also ließ sie das Tier vorangehen.

      Es führte aufwärts, wo immer es auch hinführen mochte. Die Steigung ließ sie warm werden, sie beschwor das Übel, es sollte sie nicht wieder überfallen, bevor sie angekommen wäre, sie hoffte und glaubte, dass der Pfad zu einem Hof ging, und so war es auch.

      Sie verspürte Rauchgeruch und war erleichtert, ja fast glücklich, bevor eine neue Attacke einsetzte. Und jetzt bepinkelte sie sich wohl gar, es lief feucht die Beine hinunter, in die Strümpfe und Stiefel. Das alles war ein Elend, trotzdem musste sie jetzt dorthin gehen.

      Das Haus war nur eine Hütte, nicht unähnlich der Erdhöhle, in der sie als Kind gedient hatte. Und man sparte an Beleuchtung, im Fenster war kein Licht zu sehen.

      Wieder half ihr die Ziege, indem sie laut und durchdringend meckerte.

      Vorsichtig wurde die Tür geöffnet: Was höre ich da?

      Er lachte, als er die Ziege erblickte. Und ein einsames Mädchen, worum ging es?

      Sie wünschte zu übernachten, falls sich das machen ließe, sie könne bezahlen. Wenn Ziegenmilch gut genug wäre.

      Sie durfte ins Haus kommen, auch die Ziege. Sie wärmte sich am Herd, es war schummrig in der Hütte. Er nahm Eli in Augenschein. Aha, so stand es.

      Er war ein einsamer alter Mann, dessen Frau kürzlich verstorben war, und gesund war er auch nicht, nein, weit gefehlt. Das Kind würde doch wohl noch nicht kommen? Er wolle kein solches Spektakel im Haus. Und sie habe ja wohl einen Mann? Und eine Gegend, zu der sie unterwegs sei, nach dem Dialekt zu urteilen?

      Ja, sicher. Natürlich, so war es. Sie massierte sich die Hände vor dem Feuer. Die Ziege meckerte. Das Tier hat jedoch in der Abstellkammer zu bleiben, sagte er und wies auf eine kleine Tür.

      Um ihn zu besänftigen, fragte sie nach einem Gefäß und melkte Hildur. Die Zitzen waren eiskalt, die Ziege aber gab her, was sie hergeben sollte, und dann bekam der Alte den ganzen Topf für sich. Er schmatzte dankbar und sagte, das sei nett von ihr, und was er gesagt habe, sei nicht böse gemeint gewesen.

      Obwohl es kalt war in der Kammer, bat sie, dort mit der Ziege liegen zu dürfen. Er riet ihr davon ab und meinte, sie sei unnötig empfindlich. Männer und Frauenspersonen hätten in kalten Winternächten stets unter demselben Dach geschlafen, daran sei nichts Unrechtes. Aber sie blieb bei ihrem Wunsch.

      Er ging nach draußen und kehrte mit Stroh zurück. Sie war dankbar – angesichts dessen doppelter Funktion, nützlich zum drauf Schlafen und als klägliches Abendbrot für die Ziege Hildur.

      Als er fort gewesen war, hatte sie die Tür zur Kammer geöffnet. Ein kalter Luftzug der schlimmsten Sorte zog in die Hütte. Er fand es unnötig und falsch, sich dort hineinzubegeben, aber Eli bestand darauf, sie wolle nicht stören. Er brummelte und schob die Tür zu, sie war selber schuld, wenn sie es nicht anders wünschte.

      Sie wollte nicht, dass er sie hörte, falls die Bauchschmerzen wiederkamen.

      Von späteren Entbindungen wissen wir, dass sie allesamt äußerst schwer waren, diese kleine Frau musste stets unfassbare Qualen durchstehen, vielleicht war ihr Becken von der spanischen Grippe verformt und schief geworden?

      Ein Mann war zu jener Zeit nicht im Geringsten in die intimen Mysterien des Frauenlebens eingeweiht. Zudem hatte sie doch gesagt, es sei noch nicht an der Zeit, also, was konnte er tun? Freilich hörte er sie stöhnen und manchmal noch erschreckendere Geräusche, so als hätte sie sich das ganze Kopftuch in den Mund gesteckt, um die Schreie dort drinnen zu dämpfen.

      Als der Morgen dämmerte, lag sie noch immer in der Kammer. Als er die Tür einen Spaltbreit öffnete und nachfragte, wie es stand, sagte sie, sie hätte sich den Magen ein wenig verdorben, wäre etwas unpässlich und wollte gern liegen bleiben, falls sich das machen ließe.

      Ob er vielleicht zur Landstraße hinuntergehen und versuchen sollte, irgendeine Fuhre zu stoppen und denjenigen zu bitten, einer gewissen Madam Bescheid zu geben, damit sie herkam?

      Nein, nein, das käme nicht in Frage, es wären nur normale Magenbeschwerden, sonst nichts.

      Sie war leichenblass und kalter Schweiß bedeckte ihr Gesicht, sie hatte sich ins Stroh erbrochen und zitterte wie im Fieber. Er sah es, wollte sie denn nicht doch in die Stube kommen? Nein danke, ich liege hier gut, ich möchte es so kühl haben.

      Er zog sich zurück, ließ die Tür aber halboffen stehen. Die Ziege kam heraus, und er melkte sie eigenhändig. Dann ging er in den Wald, um für mehr Brennbares zu sorgen, man konnte nicht an Holz sparen, wenn diese Person jetzt krank war.

      Viel an Wärme brachten die offenen Feuerstätten nicht, es war feuchtkalt und zugig, andererseits aber gab es keine Allergien. Nein, wenn man damals etwas vertrug, dann waren es Tiere und hauptsächlich Pelztiere, Felle und Pelze bedeuteten Wärme, und sogar eine Ziege konnte

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