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ist als wir.«

      »Wag es nicht noch einmal, in diesem Ton mit mir zu reden!« Antonias Stimme war scharf geworden. »Ich weiß nicht genau, was du dir einbildest, aber du hast jedenfalls kein Recht, uns alle zu terrorisieren mit deinem ewigen Geschrei! Und schon gar nicht hast du das Recht, mir gegenüber unverschämt zu werden!«

      Kaja schnappte nach Luft. Wenn Antonia in diesem Ton sprach, sah man sich besser vor, das wusste sie. Aber sie wollte trotzdem das letzte Wort behalten. Also stieß sie hervor: »Ich habe jedenfalls ein Recht auf meine Privatsphäre. In Zukunft schließe ich mein Zimmer ab!« Sie verschwand, knallte die Tür hinter sich zu und drehte gut hörbar von innen den Schlüssel im Schloss herum.

      Antonia lächelte in sich hinein. Dieser Abgang würde Kaja schon bald leid tun.

      Falls sie geglaubt hatte, ihre Mutter würde vor ihrer Tür stehen bleiben und sie aufzufordern, wieder herauszukommen, so hatte sie sich gründlich geirrt.

      Ganz ruhig sagte sie: »Komm mit nach unten, Kyra. Wo sind übrigens die Jungs?«

      »Fußball«, nuschelte Kyra, während sie ihrer Mutter nach unten folgte.

      Antonia setzte Wasser auf. »Ich koche uns einen Tee«, sagte sie. »Und dann erkläre ich dir, was du falsch machst.«

      Kyra sah sie verwundert an.

      Der Anblick ihrer verweinten, unglücklichen, verwirrten Jüngsten tat Antonia weh. Kyra ließ immer alles viel zu nah an sich heran, so war es von Anfang an gewesen. Ein verletzter Vogel konnte sie tagelang beschäftigen, und alles Unrecht dieser Welt hätte sie am liebsten eigenhändig beseitigt.

      »Was ich falsch mache?«

      »Ja«, sagte Antonia. Sie machte Pfefferminztee, mit frischer Minze aus ihrem Kräutergarten, der schmeckte auch kalt sehr gut.

      Als sie ihn aufgegossen hatte, setzte sie sich zu Kyra an den Küchentisch. »Beachte Kaja nicht mehr«, sagte sie. »Auch wenn du gern ständig mit ihr zusammen wärst: Lass sie in Ruhe. Am Anfang wird sie das gar nicht merken, aber nach einer Weile wird es ihr auffallen, und dann wird sie feststellen, dass ihre kleine Schwester ihr fehlt.«

      »Glaubst du?« Kyras Stimme zitterte noch immer.

      »Ich bin sogar ganz sicher. Sie hat das Gefühl, du läufst ihr nach, und das geht ihr auf die Nerven. Sie hat ein paar Probleme im Moment, und vermutlich auch ein paar Geheimnisse, die sie nicht mit uns teilen will. Lass ihr Zeit.«

      Antonia wurde bewusst, dass sie diese Ratschläge nicht nur Kyra, sondern auch sich selbst gab.

      »Aber sie ist doch meine Schwester. Wieso will sie dann nicht mit mir reden? Immer schickt sie mich weg, das hat sie früher nie gemacht.« Noch einmal wurden Kyras Augen nass.

      »Sie ist mit anderen Dingen beschäftigt.«

      »Mit ihrem Freund?«

      »Was weißt du denn über ihren Freund?«

      »Nichts, nur Konny hat gesagt, dass sie einen hat, und ich höre sie immer mit ihm telefonieren.«

      »Dann ist sie wohl mit ihm beschäftigt«, seufzte Antonia. »Meinst du, du schaffst es, nicht mehr an ihre Tür zu klopfen?«

      Kyra dachte über diese Frage lange nach. Schließlich nickte sie. »Wenn ich es mir vornehme, schaffe ich es. Und ich nehme es mir vor, weil ich nicht mehr dauernd angeschrien werden will.«

      »Bravo«, sagte Antonia, und strich ihr eine vorwitzige Haarsträhne aus dem Gesicht. »Hilfst du mir, das Gemüse zu schneiden?«

      »Was gibt es denn?«

      »Gefüllte Brathähnchen.«

      Kyra strahlte. »Mein Lieblingsgericht. Ich kann die Karotten schneiden, Mami.«

      Es war wieder still im Haus. Während sie einträchtig das Abendessen vorbereiteten, überfiel Antonia plötzlich der Gedanke, dass Stunden wie diese, wo sie mit einem ihrer Kinder – oder auch mehreren – friedlich zusammenarbeitete, in Zukunft vermutlich rar sein würden. Sie mussten ja eine Haushälterin einstellen, sonst konnte sie ihre Pläne vergessen. Leise Angst überfiel sie. Tat sie das Richtige? Oder hatte am Ende doch ihr Vater Recht, der sie für verantwortungslos hielt?

      Die Antwort kam von unerwarteter Seite, denn plötzlich sagte Kyra: »Ich finde es toll, dass du bald wieder Ärztin bist.«

      Antonia lächelte. »Ich war die ganze Zeit Ärztin, ich habe nur nicht als Ärztin gearbeitet.«

      »Das meine ich ja. Es ist doch eine ziemliche Verschwendung, dass du dich immer nur um uns kümmerst, wo du doch so viele andere Kinder wieder gesund machen kannst.«

      Antonia ließ die Zwiebel, die sie gerade häutete, sinken und sah ihre Jüngste überrascht an. »Da hast du Recht«, sagte sie schließlich. »Ich hoffe nur, ich kann wirklich viele andere Kinder gesund machen.«

      »Klar kannst du das.« Kein Zweifel war in Kyras Stimme zu hören. »Reichen die Karotten oder brauchen wir noch eine?«

      Statt zu antworten, beugte sich Antonia zu ihr und drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel.

      »Mami?«

      »Noch zwei Karotten bitte.«

      *

      »Wie war’s?«, fragte Peter, als seine Mutter nach Hause kam. Er wusste, dass sie heute einen wichtigen Termin mit einer Kundin gehabt hatte. »Sehr schön«, antwortete Britta. »Die Frau ist klug und nett, man kann ganz normal mit ihr reden, und sie hört zu. Außerdem sieht sie toll aus.«

      »Du siehst auch toll aus, Mama.«

      Sie wuschelte ihm durch die Haare. »Danke, mein Großer, das hört jede Mutter gern. Wollen wir zur Feier des Tages essen gehen?«

      »Echt?« Seine Augen leuchteten auf. »Können wir mal japanisch essen oder ist das zu teuer? Ich habe noch nie Sushi gegessen, aber alle reden immer davon, wie toll das ist.«

      »Du meinst das japanische Restaurant vorne an der Ecke, wo man vor so einer Art Fließband sitzt, auf dem die Gerichte an einem vorbeirollen?«

      Peter nickte. »Geht das? Es soll ganz toll schmecken, habe ich gehört. Außerdem finde ich es cool, wenn ständig Essen vor einem vorbeirollt.«

      »Na, ich weiß nicht. Meinst du nicht, das ist ungemütlich?«

      »Das hängt doch von uns ab«, fand Peter. »Wir gucken uns erst alles an, und dann suchen wir uns aus, worauf wir Lust haben.«

      »Wir probieren es aus«, beschloss seine Mutter. »Als ich es dir vor zwei Jahren mal vorgeschlagen habe, hast du dich geschüttelt, deshalb bin ich auf das Thema nicht zurückgekommen.«

      »Echt? Das weiß ich überhaupt nicht mehr.«

      »Ich habe den Fehler gemacht zu erwähnen, dass Sushi aus rohem Fisch bestehen. Fisch war damals nicht gerade dein Lieblingsessen. Und eigentlich ist es das ja immer noch nicht, oder?«

      »Mal sehen«, sagte er ausweichend. »Gehen wir gleich?«

      »Von mir aus gern. Ich esse ja sowieso lieber früh.«

      Sie machten sich also auf den Weg. Peter überlegte, ob er seiner Mutter von den Jungen erzählen sollte, die ihm so zu schaffen machten, aber sie war so gut gelaunt, weil das Treffen mit der Kundin so gut gelaufen war, dass er beschloss, ihr den Abend nicht zu verderben. Helfen konnte sie ihm ja wahrscheinlich sowieso nicht.

      Es wurde ein wunderbares Essen, das sie beide zu Sushi-Fans machte. Peter konnte sich nicht genug darüber wundern, aber roher Fisch schmeckte ihm ganz wunderbar. Außerdem hatten sie viel zu lachen, seine Mutter und er. Sie tranken grünen Tee und aßen langsam, wobei sie ihm lustige Geschichten aus ihrem Büro erzählte – und ein bisschen auch von der neuen Kundin, die eine Arztpraxis einrichten wollte.

      Als sie auf dem Heimweg waren, wusste er, dass es richtig gewesen war, sein Problem nicht zu erwähnen. Es hätte ihnen nur diesen schönen Restaurantbesuch

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