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Sehnsucht, die da so bellt?«

      Also fragt neben Kaidôh eine spitze Stimme, er sieht aber seine Liwûna nicht neben sich und fragt traurig:

      »Ist Liwûna fort?«

      Und er hört die spitze Stimme sagen:

      »Die Liwûna ist doch deine Sehnsucht«.

      Gleichzeitig merkt er einen Druck oben auf dem Kopf – und er fliegt mit dem Kopfe vorn gradaus wie eine Lanze.

      So blitzschnell gehts, dass ihm viele Kopfhaare ausgerissen werden.

      Die schmalen ovalen Sterne, die so weiss sind wie weisse Greisenhaare, fliegen klingend rechts und links an dem grossen Kaidôh vorbei – wie Schneeflocken im Sturm.

      Und er kommt in ein andres Reich, in dem ganz andre Weltgebilde leben.

      Die Luft ist da heiss und flimmert – als flatterten überall kleine weisse Flügel.

      Die Helligkeit der ganzen Gegend nimmt immerfort ab und zu – ab und zu – als flackerten grosse Lichter kurz vorm Erlöschen noch einmal mit aller Wildheit rauf und runter – rauf und runter.

      Es lebten in der heissen Luft lauter geflügelte Drachen mit weiss glühenden Lichtleibern. Die Drachen schwebten nur so schnell dahin – wie weisse Glanzlichter auf Wasserwellen. Die weissen Flügel zitterten und die weissen Lichtleiber ebenfalls – und zwar so heftig, als befänden sich die Lichtdrachen in zuckenden Lichtkrämpfen.

      Ohn Unterlass ging ein zitterndes Wetterleuchten durch die heisse Luft. Zuweilen sahs aus, als bestünden die Tiere nur aus weissen Nordlichtern; weissglühende Strahlensplitter flogen wie Pfeile hin und her.

      Zuweilen spannten sich zackige Regenbogen aus Gelb und Olivgrün durch die ganze Himmelsgegend; die vergingen immer wieder so schnell – wie sie vorkamen.

      Und alle diese fabelhaften Gestalten, deren Formen sich fortwährend veränderten, hatten nichts Körperhaftes, denn sie gingen alle blitzschnell durch einander durch, ohne sich zu schaden – als wären die weissen Lichtgestalten nur Schattengeister.

      Und Kaidôh sauste – immer mit dem Kopfe voran – durch diese zuckende Glanzwelt durch und kam in eine Feuerwelt hinein.

      Da loderten tausend rote, blaue und grüne Flammen knisternd, knackend und knallend nach rechts und nach links. Und die bunten Funken stoben empor und wirbelten mit rasenden Feuerstürmen in Kaidôhs Gesicht, dass der zusammenschrak.

      Ein blauer Funkenpolyp tanzte wie ein Hampelmann dem grossen Kaidôh voran, als wenn er ihm den Weg durch das Flammenreich weisen wollte. Der blaue Funkenpolyp sprach in knirschenden Lauten, während ihm immer mehr blaue, Funken sprühende Glieder aus Brust und Hinterkopf herauswuchsen:

      »Fürchte dich nicht, mein tapfrer Kaidôh? Ich bin deine tapfre Liwûna und führe dich! Ich bin ja immer dein Führer gewesen. Gefällt es dir hier? Ist dir diese Feuerwelt masslos genug? Du bist ja immer die verkörperte Masslosigkeit gewesen – demzufolge musst du dich doch hier wie zu Hause fühlen.«

      Und der Funkenpolyp platzte knisternd auseinander und ging auf in der Flammenwelt.

      Doch die Flammen wurden plötzlich alle blau.

      Und Liwûna rief:

      »Siehst du nicht, dass ich jetzt grösser geworden bin? Ich bin jetzt eine blaue Feuerwolke.«

      Und die Feuerwolke ballte sich zusammen und erhielt die Form eines Igels; die blauen Stachel waren Stichflammen.

      Die Flammenstachel leuchteten wie brennender Schwefel.

      Der Igel sagte:

      »Jetzt bin ich aufgegangen in dieser Feuerwelt. Das ist so gut wie ein Tod und eine Auferstehung. Das ist ein Beitrag zur Geschichte vom seligen Ende. Es kommt immer noch was nach. Man vereint sich nicht so ohne weiteres mit dem grossen Ganzen; man vereint sich immer bloss mit dem Grösseren und wird dann was Andres. So bin ich jetzt ein blauer Feuerigel geworden. So kann sich deine Sehnsucht verwandeln, die mal vor langer, langer Zeit einem Weibe nicht ganz unähnlich sah. Und deine Sehnsucht wird sich noch recht oft verwandeln. Und jedes weitere Ende wird auch gleich wieder ein seliger Anfang sein. Es ist eben alles endlos in der endlosen Welt – auch die Anzahl der Verwandlungsgeschichten, in denen sich das ganze Leben offenbart. Wie also sollte es eine endgültige Vereinigung mit dem All geben? Es giebt eben unendlich viele Vereinigungen mit immer grösseren Stücken vom All. Die Stücke werden aber nicht einmal die Unendlichkeit ausfüllen – in der giebts schon kein Ende. Entschuldige, dass ich beim Reden auch kein Ende finden konnte.«

      Mit diesen Worten sank der blaue Feuerigel, während seine blauen Flammenstachel glitzerten wie lachende Email-Gesichter, in die Tiefe.

      Und Kaidôh flog, als wäre durch den Fall ein luftleeres Weltloch geschaffen, so schnell mit dem Kopfe gradaus und im Bogen hinunter, dass ihm Hören und Sehen verging und er zu sterben vermeinte.

      Er aber war bloss in eine märchenhafte Gaswelt geraten und kam gar bald wieder zu sich.

      Er hatte jedoch die Empfindung, in der Gaswelt auf dem Kopfe zu stehen oder mit dem Kopfe vorn runterzufallen; begreiflicher Weise fühlte er sich dadurch sehr beunruhigt.

      Er versuchte, die Arme, die immer noch steif an seinen beiden Körperseiten hafteten, abzuschieben; seine beiden Fäuste waren noch immer fest zusammengeballt.

      Das Abschieben der Arme schien allmählich zu gelingen.

      Unzählige bunt schillernde Blasen flogen um Kaidôhs Kopf, und die Form der Blasen veränderte sich unablässig; bald waren sie schlauchartig, bald kantig, bald becherförmig und bald wie Fliederblüten.

      Kaidôh konnte den ewigen Verwandlungen nicht mehr folgen.

      Die Gasmassen gingen immer durch einander durch, ohne dass ihre Art dabei beeinflusst wurde.

      Kaidôh sagte: »Das sind wohl gar keine Gasmassen.«

      Oft schossen alle diese Welten in einen helleren Mittelpunkt und bildeten da ein funkelndes Kaleidoskop, das dann plötzlich wieder mit dumpfem Gepuff auseinanderflog.

      Und unzählige Kometen, die aus festeren Luftstoffen zu bestehen schienen, schwirrten ausserdem noch überall durch.

      Die Kometenschweife waren häufig so lang, dass sie die ganze Gegend als Glanzstriche durchquerten.

      Ein paar sehr heftige Kometen drehten sich so rasch um sich selbst, dass sie währenddem grossen Lichtscheiten glichen und für Augenblicke alle Aussicht versperrten.

      Und Kaidôh flog kopfüber durch alle diese Welten durch und glaubte, in einen endlosen Abgrund gestürzt zu sein; es gab gar kein Halten.

      Da dringt ein Flüstern an sein Ohr, und er hört wieder die Liwûna sagen:

      »Jetzt bin ich eine geflügelte Eidechse und durchsichtig wie reines Wasser.«

      Und er sieht die Eidechse vor sich – durchsichtig ist sie wie Wasser – ihre Flügel aber sind so fein und zart, dass sie nur so wie Schatten hin- und herpendeln – wie ganz hellgraue Schatten.

      Und die Liwûna sagt leise, während sie mit einem ihrer kühlen Molchfinger Kaidôhs Ohr berührt:

      »Sieh da drüben das grosse Heer von himbeerroten Gasbällen – die sind drollig! Die werden dir was erzählen. Höre nur zu. Du wirst sie verstehen!«

      Und Kaidôh hört, wie sie ganz deutlich im Chore sagen, während kleinere himbeerrote Bälle aus ihren Vulkanen herausspringen:

      »Wir lassen immerfort neue Weltbälle entstehen. Aber untergehen thun die nicht. Sie verwandeln sich wohl – das bringt sie aber nicht um. Der Tod ist uns gänzlich unbekannt. Wir müssen uns sehr wundern, dass die Artveränderung in anderen Weltwinkeln durch das sogenannte Sterben vor sich geht. Wir kennen so was gar nicht. Und daher haben wir auch nicht die geringste Sehnsucht nach einer Auflösung. Die Veränderung unsres Wesens geht ja immerzu vor sich – sogar ohne unser Zuthun. Das Erzeugen neuer Weltgestalten ist uns schrecklich geläufig – aber das Vernichten und Vernichtetwerden

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