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mit ihren dicken Köpfen dem Kaidôh in Brusthöhe ziemlich nahe, sodass die Köpfe einen Kranz um sei nen Oberkörper bilden. Während sich nun Kaidôh mit ausgebreiteten Armen um sich selber dreht, streichen seine Hände, ohne dass ers will, über die Köpfe der Wale.

      Und die Wale sinken nach dieser Berührung langsam in die Tiefe, in der ein blutrotes Rubinmeer funkelt. Die blutroten Rubinen sind natürlich lauter grosse Sterne.

      Kaidôh kann nicht den Kopf bewegen und sieht so nichts von dem Meere. Er hört nur unten die Wale noch einmal singen.

      Der Gesang klingt so lächelnd.

      Die Wale singen:

      Nun schwimmen wir wieder ohne Begehren,

       Wir ahnen der Welten Sehnsuchtsziel –

       Und wollen uns gar nichts weiter erklären,

       Wir bleiben beim grossen Ahnungsspiel.

       Und thun wir auch manchen Skorpionen leid,

       Wir sind doch die Weisen – im Narrenkleid.

      Es hallt lange in den Schluchten nach.

      Die Wale tauchen im Rubinmeere unter, und klatschend schlagen die Rubinwogen über den schwarz und weiss karrierten Leibern zusammen. Ein Brausen steigt empor und weckt in den Schluchten dumpfes Donnergetöse.

      Kaidôh reisst weit seine beiden Augen auf, dass sie leuchten wie Phosphorsonnen und aussehen, als sähen sie Unsägliches.

      Der Mondschein zergeht. Oben im Himmel erscheinen viele Sterne. Und ganz hinten über den sieben Schluchten erscheinen sieben ungeheure Sternriesen mit Raketenarmen und unzähligen Köpfen, die goldene Hörner haben, und bunte Brillantenaugen. Die Leiber der Riesen sind goldene und silberne Astknorren, um die sich Opalschlangen winden. Und alles funkelt und glitzert. Die blauen und roten und grünen Sternfarben brennen gewaltig in die Nacht hinauf.

      Die Bergnasen und die Schluchten sind dunkelbraun und nicht sehr hell. Kaidôh sagt leise: »Nun will ich das Letzte!«

      Da spricht der Sternriese, der zuerst erschien:

      Ja! Wir Grossen preisen nie das Letzte,

       Denn das Letzte giebt es nicht.

       Wen das Unbegreifliche verletzte,

       War noch nie ein Rauschgedicht.

      Kaidôh versucht, seine Arme zu heben, und will damit sagen, dass er auch das Unbegreifliche empfangen wolle mit weit offenen Armen.

      »Es muss aber doch einen Abschluss geben!« ruft er heftig beim Armheben aus.

      Und der zweite Sternriese erwidert ihm:

      Das Unaufhörliche durchlacht auch diesen Raum,

       Und nur ein Farbenspiel ist jeder Todestraum.

      Kaidôh bemerkt, dass die Sternriesen ganz einfach sprechen – trotz ihrer vielgestaltigen Körper. Und er fühlt, dass ihm die einfache Sprache der Sternriesen so wohl thut – er wollte ja das Einfache.

      Nun wird ihm die ganze Welt immer einfacher.

      Und er will nur noch das, was doch geschieht.

      In seiner Nähe weilt wieder seine Liwûna. Wohl sieht er sie nicht, jedoch er fühlt sie wie einen kühlen Luftzug, und sie spricht feierlich: »Jetzt kann ich dich verlassen.«

      Und sie thut, wie sie sagte.

      In der Ferne hört er sie noch einmal in schweren Tönen rufen:

      »Kaidôh! Kaidôh!«

      Er will sie noch einmal sehen und ruft:

      »Liwûna!«

      Indessen – nur Echos antworten in der Ferne.

      Wie die Echos nur noch ganz schwach aus der weiten Ferne über die Berge herübertönen, spricht Kaidôh still zu sich selbst:

      »Ist Liwûna ein Echo geworden? Ein Allecho? Ein Sehnsuchtsallecho?«

      Und er denkt über die Sehnsucht nach und möchte wissen, ob ihre Macht so weit reicht wie Zeit und Ewigkeit.

      Und der dritte Sternriese giebt ihm Antwort – in leichten Worten – diesen:

      Nur wo immer viele Dinge

       Gründlich sich verändern sollen,

       Fühlt die Sehnsucht sich zu Hause.

       Ist der Wandel der Erscheinung

       Gründlich eingeleitet worden,

       Macht die Sehnsucht, dass sie fortkommt.

      Kaidôh hebt seine Arme höher und versucht, die Finger noch immer weiter auszuspreizen – ihm ist, als würden sie immer länger.

      Und er fühlt sich so frei.

      Er spricht nach ein paar stillen Augenblicken hart und deutlich:

      »Der Schatten ist fort. Nun ist alles einfach. Ich bin allein.«

      Und der zweite Sternriese flüstert, dass es zischt:

      Doch glaube nicht,

       Dass dies das Letzte sei.

       Dem Letzten folgt

       Noch immer mancherlei.

      Aus den Schluchten dringen Töne an sein Ohr, die er nicht versteht – sie sprechen von Tod und Einsamkeit – von rasendem Rausch und festlichem Zusammenbruch. Und die Töne stören den grossen Kaidôh; er empfindet, dass er bereits in seiner gewaltigen Stunde lebt – und er empfindet gleichzeitig schmerzlich, dass dem Gewaltigen noch etwas fehlt – dass es noch nicht voll ist – dass ers noch nicht vollendet nennen kann.

      Er hebt die Arme höher und höher.

      Es wird heller auf den Bergnasen und in den Schluchten, die den grossen Kaidôh wie Radspeichen anmuten.

      Und der fünfte Sternriese brüllt heftig:

      Es giebt auch keine vollendeten Sachen;

       Die Kugeln drehen sich zu viel,

       Die Weisen müssen zu viel lachen.

      Ein Ahnungsspiel entwickelt sich vor Kaidôhs Augen; er bildet sich ein, Geister zu bemerken und diese Geister mit Sinnen wahrzunehmen, die er bislang nicht gekannt und nicht besessen hat. Und er hat die Ueberzeugung, tiefer ins All blicken zu können, und es durchzuckt ihn: er erkennt in der Tiefe des Alls einen grossen Riesen, der ganz allein da sitzt und sich nicht rührt. Und er hält diesen einsamen Riesen für die grosse Ruhe, die da kommen soll in dem Reich, das weder Licht noch Schatten kennt. Und er bildet sich trotz allem wiederum ein, das Ganze verstanden zu haben.

      »Er ist allein und ruhig!« sagt Kaidôh.

      Aber der sechste Sternriese brüllt wie ein Donnerwetter:

      Auch in jenem Jenseits,

       Das wir hinter Licht und Schatten wissen,

       Ist die grosse Welt kein Ruhekissen;

       Das Unaufhörliche kann nie vollendet sein.

       Durch Schlaf und Tod gehts nur zu neuer Lebenspein

       – Aber auch zu neuer Lebenslust –

      Kaidôh hebt die Arme ganz hoch, dass sich seine Hände hoch überm Kopfe beinahe berühren.

      Er wartet auf einen Augenblick, der gewaltiger ist als alle andern.

      Die Sternriesen verblassen allmählich.

      Die Bergnasen kommen noch näher.

      Der siebente Sternriese spricht – mit abgewendeter Stimme:

      Wo du auch hinüberfliehst,

       Niemals kommst du an das letzte Ziel;

       Preise jede Welt und auch die Sterne.

       Alles, was du hier so siehst,

       Ist ja nur ein feines Lichterspiel,

       Eine grosse Wunderweltlaterne.

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