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Geiste, der alles ist.«

      »Was weisst du;« versetzt die Liwûna, »von den gewaltigen Stunden des Lebens und des Sterbens!«

      Und Kaidôh sieht seitwärts im dunkelvioletten Kuppelglase eine zitternde Schneeschrift – diese Worte:

      »Wir wissen über Geburt und Tod so viel wie gar nichts und reden doch davon. Das ist die Macht des Unbekannten, die uns zum Reden reizt. Wer aber über Dinge redet, die er nicht kennt, wird leicht zum Schwätzer. O, hütet euch vor dem salbadrigen Geschwätz – wenns auch manchmal stürmisch klingt! Ihr könnt so leicht da drinnen kleben bleiben – wie die Fliege im Fliegenleim.«

      Kaidôh will die Augenbrauen zusammenziehen und ein böses Gesicht machen; er hat ja noch nicht geschwatzt.

      Während er ärgerlich sich abwendet und weiter möchte, schweben schaukelnde, bunte Laternen aus der Kuppelhöhe hernieder und bilden ein paar Beruhigungssätze.

      Kaidôh buchstabiert und liest:

      »Du brauchst keine Furcht vor dem Tode zu haben. Wer sich eins weiss mit dem Geiste des Alls, kann die Todesstunde nicht mehr fürchten, denn was sie auch bringen mag – sie bringt immer nur das, was der Geist, der alles ist, will. Das, was der Namenlose will, kann nicht unsre Sache sein. Wer sich, obschon er gar nichts weiss, mit dem Allgeist eins weiss, wird allzeit ganz ruhig sein – einverstanden mit allem, was geschieht. Todesfurcht kann nur der haben, der zu viel Freude an seiner Selbstherrlichkeit hatte.«

      Kaidôh schreit wütend:

      »Ich habe doch keine Furcht vor dem Tode! Ich habe doch Sehnsucht nach dem Tode!«

      Schauerlich hallen diese Wutworte durch die grossen bunten Glasgewölbe. Die bunten Laternen brechen klirrend entzwei und sinken in die Tiefe, die grau ist wie ein Wolkenbett.

      Hastig spricht Kaidôh zur Liwûna, deren Gesicht sehr rot wurde:

      »Warum höre ich kein klares Wort über die Todesstunde? Warum nicht?«

      »Gelieber,« entgegnet die Rote schnippisch, »was du bloss zu verlangen beliebst! Man hätte viel zu thun, wenn man alle denkbaren Möglichkeiten, die beim Tode und nach dem Tode eintreten könnten, erörtern wollte. Und man würde doch nie zum Stande kommen. Eine Formel, mit der man alles lösen kann, findet man nicht – in der gewaltigen Welt.«

      Dem Kaidôh wird so traurig zu Mute. Er glaubt, dass man ihn absichtlich missversteht. Er möchte vor lauter Unruhe beinahe weinen – kanns aber nicht. Er ist ja viel zu gross zum Weinen. So schnell sind seine Thränendrüsen nicht in Bewegung zu versetzen. Es ist nur ein Wunder, dass er immer noch sprechen kann.

      »Du hörst nicht mehr auf mich!« sagt er bitter.

      »Du hörst auch nicht mehr auf mich!« sagt auch sie bitter.

      Und während sie weiterziehen, sehen sie sich die mächtigen Bogen der reichgegliederten Glaskuppel an von der sie natürlich nur ein kleines Stück sehen können, das keinen Begriff vom Ganzen erzeugt.

      Und schillernde Paradiesvögel setzen sich auf eine hohe türkisblaue Scheibe, und auch diese bunten kleinen Vögel, von denen Tausende da sind, bilden eine Schrift – in verschiedenen Absätzen.

      Der oberste Absatz lautet:

      »Mit dem Prophetentum ist die Sache immer man mau. Jeder Prophete wird so leicht zum Hallunken. Weil aber auch diese von den gewaltigsten Dingen sprechen, so soll man ja nicht glauben, dass alles Gewaltige bloss qualmender Mumpitz ist. Alles Ernste will auch sein Widerspiel in seinem Gegensatze haben. Und die Hallunken sind doch so – spassig.«

      Die Paradiesvögel zwitschern mächtig.

      Der unterste Absatz lautet:

      »Da das, was in der einen Gegend lebt, gleichzeitig immer noch wo anders lebt, müssen wir annehmen, dass alles Leben niemals im Einzelnen erstickt werden kann – es wird immer noch wo anders sein.«

      Kaidôh wendet sich wieder ärgerlich ab, da er nichts davon versteht doch die Liwûna spricht schnell:

      »Kaidôh, in der Mitte steht doch noch ein sehr wichtiger Absatz.«

      Da steht nämlich:

      »Die Sternriesen haben noch keinen ihrer Brüder sterben sehen und glauben nicht mehr, dass sie sterben könnten. Sie halten daher den Tod nur für eine Wesensverwandlung, die bei sehr unentwickelten Lebewesen eine Berechtigung hat.«

      Kaidôh staunt darüber und wird verwirrt.

      »Sagtest du nicht,« fragt er, »dass wir im Todestempel der Sternriesen seien?«

      »Das kann ich,« erwidert sie, »nicht gesagt haben, denn bei den Sternriesen spielt der Tod gar keine Rolle. Die grossen Sternriesen verändern sich, ohne dabei gleich zu sterben. Die Inschriften, die du kennen gelernt hast, sind nicht für die Sternriesen. Wir befinden uns hier immer noch in den äussersten Vorhallen. Du würdest viele Sternjahre brauchen, wenn du dir von der Tempeleinrichtung, die sich in ungeheuren Tiefen befindet, ein ungefähres Bild machen wolltest. Das Sinnbildliche würde dir zudem ganz unfassbar bleiben.

      »Dann komm raus!« sagt Kaidôh.

      Das geht aber nicht so geschwinde.

      Die Liwûna fliegt mit ihrem Kaidôh durch ein Perlkettenfenster in einen andern Saal. Und in dem ist die Kuppel so himmelhoch, dass Kaidôh müde wird bei dem Gedanken, da oben durch zu müssen.

      Es ist still und geheimnisvoll ringsum.

      In dem Saale sind nur ein paar Lichter sichtbar – das sind grosse Sterne, die an fernen Säulen leuchten. Die Säulen sind als solche gar nicht wahrzunehmen, da ihr Umfang viel zu gross ist.

      »Wir müssen immerzu emporsteigen!« sagt leise die Liwûna.

      Und sie steigen immerzu empor.

      Ihnen ist so, als schwebten sie zwischen grossen dunklen Blasen in die Höhe. Die Blasen haben weichgebogene Lappenform; goldbraune und dunkelviolette Wellen schwimmen auf der Blasenhaut hin und her – wie auf Seifenblasenhaut.

      Es ist ziemlich dunkel ringsum.

      An der einen Seite wirds aber immer heller, die Blasen verschwinden, und ein kirschrotes Licht leuchtet den Beiden ins Auge. Vor dem kirschroten Lichte, das in einem Nebensaale zu leuchten scheint, sehen sie eine lange Reihe von schwarzen Säulen, die wie Knochengerippe wirken und doch wieder Buchstaben sind.

      Da steht geschrieben in schwarzer Riesenschrift auf kirschrotem Lichtgrunde:

      »Glaube nicht, dass es immer gut ist, wenn du oft zur Besinnung kommst. Viele verlieren dadurch ihre ganze Kraft und ihr ganzes Lebensglück, selbst das Todesglück kann dabei in die Brüche gehen.«

      Kaidôh sagt kalt:

      »Diese Worte gehen mich gar nichts an.«

      Das Licht verschwindet, und die Schrift ist nicht mehr zu sehen.

      Die Beiden steigen höher, und abermals wird ein Nebensaal hell – der strahlt in citronengelbem Licht. Und schwarze Säulenlettern sagen davor:

      »Unsres Lebens Anfang und Ende ist uns verschleiert, dass wir glauben können, es gäbe Beides nicht. Unser Leben soll wohl ein Sinnbild der Unendlichkeit und Ewigkeit sein. Wir können unser Leben auch ein unaufhörliches Sterben nennen – wir werden immerzu was anderes. Wir sollen uns eben immer inniger ins Ganze einschmiegen. Und wenn wir das thun, wird unser Leben aus lauter gewaltigen Stunden bestehen.«

      Da geht ein Zittern durch Kaidôhs ganzen Körper, und er spricht leise wie zu sich selbst:

      »Ich aber will den Abschluss – ganz eins will ich sein mit dem Geiste, der alles ist. Und so muss ich den Tod wollen – den Tod, der keine weitere Veränderung hinter sich zulässt.«

      Mit einem krachenden Donnerschlag spritzt das citronengelbe Licht nach allen Seiten und verfliegt.

      Es wird ganz finster, und dabei geht ein wimmernder Luftzug durch die Gewölbe. Der Luftzug dreht den Kaidôh um sich selbst und

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