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verließ das Zimmer. Wenig später trat eine andere Frau in den Raum.

      »Johanne!«

      Seine Freude, die Geliebte zu sehen, wurde getrübt, als er den traurigen und zweifelnden Blick in ihren wunderschönen Augen entdeckte.

      Schlagartig wurde ihm bewusst, was Johanne denken musste. Irgendjemand hatte ihn in der Scheune niedergeschlagen, sie angezündet und versucht, ihn umzubringen. Wer ihm aufgelauert hatte, war ihm klar, obwohl ihm die Beweise fehlten. Aber das war auch zweitrangig. Viel schlimmer zählte die Tatsache, dass er aus der brennenden Scheune gewankt und den Giefners regelrecht in die Arme getorkelt war. Für sie konnte nur er der Brandstifter sein. Erschwerend hinzu kam, dass er sogar ein Motiv für einen solchen Racheakt hatte.

      »Wie geht es dir?«, fragte Johanne steif. Sie machte sich Sorgen um Raphael, doch zwischen ihnen stand eine Wand, die sich nicht so einfach wegreißen ließ.

      »Es wird schon werden«, entgegnete er und fühlte ein heißes Brennen in seiner Brust. Er musste husten und hatte das Gefühl, sich die Lungen aus dem Leib zu husten.

      »Wie geht es deinem Vater?«, fragte er, nachdem der Hustenanfall vorüber war. Es dauerte eine Weile, bis Johanne antwortete.

      »Er ist auf dem Weg der Besserung, doch er hat neben einer Rauchvergiftung Verbrennungen an den Armen und im Gesicht. Viel schlimmer aber ist der Schock, denn wir haben viel verloren.«

      »Ich weiß«, meinte Raphael und empfand eine Art Mitschuld, obwohl er mit der ganzen verbrecherischen Tat nichts zu tun hatte. Wie ein kleiner Junge war er in eine Falle getappt.

      Johanne stand noch immer stocksteif neben seinem Bett. Sie schaute ihn seltsam an und wagte es nicht, näher zu kommen. Irgendetwas schien sie abzuhalten, sich ihm zu nähern und ihn zu trösten.

      »Raphael«, sagte sie mit einem seltsamen Tonfall in der Stimme, der voller Zweifel und Furcht war. In ihren Augen stand zudem ein eigenartiger Glanz, den er noch nie an ihr bemerkt hatte. »Bitte, beantworte mir eine Frage!«

      Der junge Mann nickte, doch er kam ihr zuvor.

      »Du willst wissen, ob ich eure Scheune angezündet habe, net wahr?«, sagte er schwerfällig.

      Johanne nickte. Sie senkte den Blick, denn sie schämte sich. Noch vor Stunden hätte sie ihrem Liebsten alles geschenkt und war voller Vertrauen und Hoffnung gewesen. Ein Bild aber ließ sich nicht aus ihrem Kopf verdrängen. Halbblind vor Hitze und Qualm, mit Blut überströmt, war er aus der Scheune getorkelt.

      »Nein, Johanne«, entgegnete Raphael ernst und streckte seiner Liebsten die Rechte entgegen. »Ich habe mir nix zuschulden kommen lassen, was dir hätte schaden kennen. Wie nur kannst du so etwas von mir denken?«

      Sie fröstelte, als sie in seine Augen blickte. Er schaute sie offen an, und in seinem Blick war kein Falsch. Etwas in Johanne zerbrach. Es war, als ob eine böse Hülle aufplatzen würde, die ihr Vertrauen eingepuppt hatte, um es zu endgültig vernichten. Sie kämpfte gegen die Tränen an, aber sie verlor. Schluchzend näherte sie, sich dem Bett und sank daneben auf die Knie. Weinend umklammerte sie Raphaels Hand und drückte sie gegen ihre feucht werdenden Wangen.

      »Warum nur habe ich dir so unrecht getan?«, fragte sie tränenüberströmt.

      Raphael drehte sich zur Seite und streichelte ihr über das Haar. Jede Bewegung schmerzte ihn, aber er ließ es sich keine Sekunde lang anmerken.

      »Bitte, höre auf zu weinen, Liebes«, flehte er. »Es wird schon alles wieder gut.«

      Johanne wischte sich über das nasse Gesicht und versuchte, ihre Gefühle wieder in den Griff zu bekommen. Ganz gelang es ihr nicht, denn sie wusste, dass ihr Glauben für die anderen null und nichtig war.

      Ihr Vater hatte die Gendarmerie noch im Krankenhaus informiert und Raphael Harlander als Brandstifter angegeben. Jeden Augenblick konnten die Beamten hereinkommen und ihren Geliebten verhaften. Gewiss brachten sie ihn noch heute ins Gefängnishospital nach Sonnbach.

      Nie in ihrem Leben war Johanne derart hilflos gewesen wie in diesen Minuten. Sie wusste, dass sie Raphael nicht helfen konnte, obwohl sie ihm glaubte. Es gab keine Beweise, nicht einmal ein Indiz, dass er nicht als Täter in Frage kam. Immerhin hatte sie selbst ihn aus der Hütte torkeln sehen.

      »Was soll denn nur werden, wenn die Polizei dir net glaubt?«, fragte sie gequält. »Sie werden dich einsperren, Raphael. Nein, das würd’ ich nie ertragen.«

      .Der junge Mann lächelte besänftigend und zwinkerte ihr aufmunternd zu.

      »Mach dir keine Sorgen, Schatzerl«, meinte er. »Wenn ich erst wieder auf den Beinen bin, werd’ ich’s schon richten. So leicht kriegt man einen Harlander net auf die Knie.«

      »Aber sie werden dich einsperren«, klagte Johanne verzweifelt. »Was willst du gegen die Polizei ausrichten? Der Vater hat dich angezeigt.«

      Der junge Harlander nickte ernst. Er wusste selbst, in welch kritischer Situation er sich befand. Er konnte es dem alten Giefner nicht einmal verdenken. Alles sprach gegen ihn.

      Es klopfte.

      Johanne zuckte regelrecht zusammen. Sie fuhr herum und starrte auf die Tür.

      Das Klopfen hatte energisch und keinesfalls zaghaft geklungen, wie man es bei Krankenbesuchen eigentlich gewohnt war.

      »Das ist die Polizei«, keuchte Johanne voller Angst.

      »Ganz ruhig, Schatzerl«, beschwichtigte Raphael die völlig aufgelöste Frau. »Herein!«

      Die Tür wurde geöffnet, und ein Uniformierter trat in das Einzelzimmer. Die jungen Leute kannten Hauptwachtmeister Gregor Brauner seit ihrer Kindheit. Er war ein gutmütiger Mann, der seinen Beruf jedoch sehr ernst nahm, wenn er Dienst hatte.

      »Sind Sie Herr Raphael Harlander?«, fragte er ernst und musterte den Mann im Krankenbett mit strenger Miene.

      »Aber das wissen Sie doch, Herr Brauner«, meinte Johanne verwirrt. All die Jahre hatte der Beamte, der im nächsten Jahr in Pension ging, sie nur geduzt.

      Hauptwachtmeister Brauner blieb ernst.

      »Ich muss Sie leider bitten, diesem Herrn die Antwort zu überlassen, mein Fräulein«, tadelte er dienstbeflissen.

      Am liebsten hätte Raphael laut losgelacht. So, wie der kleine, gedrungene Mann in der grünen Uniform vor ihm stand und auf seine Antwort wartete, musste er sich bezwingen, nicht einmal zu schmunzeln. Wie Brauner sich gab, glich er einer Witzfigur. Allein sein wichtigtuender Gesichtsausdruck reizte zum Lachen, wenn die Sachlage nicht so furchtbar ernst gewesen wäre.

      »Ja, mein Name ist Raphael Harlander, Herr Wachtmeister«, bestätigte er ernst. »Um was geht es?«, fragte er, obwohl er wusste, warum der Beamte ins Krankenhaus gekommen war.

      »Hauptwachtmeister, bitte«, korrigierte Brauner, nachdem er sich beleidig geräuspert hatte. »Gegen Sie liegt eine Anzeige vor, Herr Harlander.« Er unterbrach sich und ließ seinen Blick über die beiden Verliebten gleiten. Man sah ihm nicht an, was er in diesem Augenblick dachte oder fühlte. Er kannte diese jungen Menschen seit vielen, vielen Jahren und hatte sie schon im Sandkasten oder auf dem Schulhof spielen sehen. Nun musste er einen solchen schrecklichen Verdacht aussprechen. Wohl konnte ihm bei diesem Gedanken nicht sein.

      Raphael Harlander ein Brandstifter?

      Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Er war immer ein netter, freundlicher Junge gewesen, der wie Johanne unter der Familienfehde gelitten hatte. Aber solch ein Verbrechen traute er ihm nicht zu.

      »Der Raphael hat nix Unrechtes getan«, sagte Johanne hastig und erhob sich. Mit in die Hüften gestemmte Hände stellte sie sich vor den Kranken, als könne sie ihn auf diese Art und Weise schützen.

      »Der Herr Hauptwachtmeister tut auch nur seine Pflicht«, bemerkte Raphael und ergriff ihre Hand. Der Schmerz in seinen Gliedern wurde langsam wieder unerträglich. Die Schmerzmittel, die man ihm verabreicht hatte, schienen nachzulassen.

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