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ohne ein Anzeichen von Reue. »Du kommst mir nicht mehr in den Weg. Das schwöre ich dir.«

      Eisige Kälte sprang plötzlich in seine Augen. Der ganze Hass, der sich in ihm aufgestaut hatte, war darin zu lesen. Eifersucht und gekränkte Eitelkeit hatten ihn gefühllos werden lassen. Ohne Hast machte er sich an die Arbeit. Raphael Harlander war tot, aber es sollte wie der tragische Unfall eines Brandstifters aussehen.

      Peter hatte keine Eile. Es war alles vorbereitet.

      Als er das Feuerzeug an die Kerze hielt und der Docht Feuer fing, blieb ihm noch etwas mehr als eine halbe Stunde für ein Alibi. Ein letztes Mal betrachtete er den leblosen Mann in seiner Blutlache und die brennende Kerze, die bald einen einfachen Mechanismus eine Bewegung und dann die gesamte Scheune in Brand setzen würde.

      Wieder zog ein schäbiges Grinsen über sein breites Gesicht. Dann huschte er lautlos in die Nacht und machte sich auf den Weg ins Tal.

      11

      Sebastian Giefner saß in der Wohnküche beim Fenster und las in der Tageszeitung von gestern. Seine Frau Frieda hockte auf der Ofenbank und strickte. Johanne hatte er den ganzen Abend noch nicht gesehen. Sie ließ sich sogar das Essen aufs Zimmer bringen und ging ihm überall aus dem Weg. Seit dem Tag, da er ihr den Umgang mit Raphael verboten hatte, herrschte zwischen ihnen eisige Stille, die fast schon körperlich zu spüren war.

      Sebastian Giefner wusste, dass es eigentlich nicht recht war, was er getan hatte. Trotzdem blieb er bei seiner Meinung und nahm auch das eisige Verhalten seiner Frau in Kauf.

      Mit den Harlanders wollte er nichts zu schaffen haben. Das war für ihn ungeschriebenes Gesetz, so wie er es von seinem Vater übernommen hatte.

      Gelangweilt faltete er die Zeitung zusammen, um sich eine Pfeife zu stopfen. Gemächlich erhob er sich. Nur zufällig schaute er durch das Fenster in die Dunkelheit, die an diesem Abend durch die schwarzen Regenwolken sehr früh hereingebrochen war. Draußen prasselten die Wassertropfen gegen die Scheiben. Man konnte meinen, dass Gott mit einer zweiten Sintflut die Erde heimsuchen wollte.

      Plötzlich verharrte der Bergbauer mitten in der Bewegung.

      Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Für einen kurzen Augenblick hatte er geglaubt, sich getäuscht zu haben, doch dann wusste er, dass der helle Schein in der Finsternis keine Sinnestäuschung war.

      »Die Scheune brennt«, schrie er und rannte nach draußen.

      Gewaltige Regenmassen empfingen ihn, doch er schien sie überhaupt nicht zu spüren. Wie gebannt hing sein Blick an der kleinen Scheune oberhalb des Anwesens. Dicker Qualm quoll aus den Fugen und Ritzen der Holzwände, während dahinter heller Schein durchschimmerte.

      »Oh Madonna, Mutter Gottes«, dachte er. »Das darf doch wohl nicht wahr sein!«

      Keuchend erreichte er die Scheune und riss das Tor auf. Hinter sich vernahm er den warnenden Schrei einer Frau, aber er registrierte ihn nur wie aus weiter Ferne.

      Fauchend raste die Hitze auf ihn zu und ließ ihn aufstöhnen. Er riss die Arme ans Gesicht und machte sich so klein wie möglich. Überall prasselte das Feuer. Längst hatte es Heu und Strohballen erreicht und sich immer weiter bis hinauf zum Dachstuhl gefressen.

      Der Traktor und die Geräte, war Giefners einziger Gedanke. So rasch wie möglich musste er ihn hinausfahren, sonst war er ruiniert. Es wurde ein Kampf gegen Feuer und Zeit. Die Hitze stieg, und nur mit äußerster Kraftanstrengung schaffte es der Bergbauer, alles aus dem Gebäude zu schaffen, ehe es ein Raub der Flammen wurde.

      Hustend, das Gesicht voller Ruß, stürzte er sich ein weiteres Mal in die Höllenglut, die seine alte Lederjoppe und seine Haare angesengt hatte. Er konnte kaum noch atmen, und er musste alle Kraft aufbringen, um nicht zu stürzen.

      Frieda Giefner und seine Tochter standen hilflos im prasselnden Regen. Sie konnten ihm nicht helfen, und er hätte es ihnen auch nicht erlaubt.

      »Komm raus da, Sebastian!«, flehte Frieda Giefner. »Das Gebälk bricht gleich zusammen. Bitte, hör auf!«

      Ein ohrenbetäubender Knall unterbrach das Knistern und Knacken brennenden Holzes. Funken sprühten, dann raste eine Feuerlohe durch die halbe Scheune.

      Sebastian Giefner wurde nach hinten geschleudert und knallte mit der Schulter gegen die Innenseite des Torholmes. Ächzend wälzte er sich zur Seite. Auf allen Vieren brachte er sich aus der Gefahrenzone. Seine Frau und seine Tochter sprangen herbei und halfen ihm auf. Er selbst war mit seiner Kraft fast am Ende.

      Plötzlich schrie Johanne voller Grauen auf, als sie die gekrümmte Gestalt inmitten des quellenden Rauchs aus der Scheune auf sie zuwanken sah. Sie erkannte den Mann augenblicklich und glaubte, von einem furchtbaren Schlag getroffen zu werden.

      »Raphael«, keuchte sie außer sich vor Entsetzen und rannte auf den jungen Mann zu.

      Ehe sie ihn erreichte, brach er in die Knie und fiel in das nasse Gras. Nur noch ein Röcheln drang aus seinen gepeinigten Lungen, die viel zu viel Rauch geschluckt hatten. Er verdrehte die Augen und versuchte, etwas zu sagen. Es gelang ihm nicht.

      »Du verfluchter Brandstifter, du«, stieß Sebastian Giefner voller Zorn hervor. »Das ... das wirst du mir büßen, du verdammter Kerl.«

      Weiter kam er nicht. Alles um ihn herum begann sich zu drehen. Er versuchte gewaltsam, sich dagegen zu wehren, doch trotz der unbändigen Wut gegen den Mann, der offenbar seine Scheune angezündet hatte, war die Natur stärker. Ihn ereilte das gleiche Schicksal wie den Mann, der nur wenige Meter vor ihm wie leblos im prasselnden Regen lag.

      Ohnmächtig brach er zusammen.

      12

      Eine Stimme, die scheinbar aus einer anderen Welt in sein Bewusstsein drang, rief seinen Namen. Etwas Weiches, Warmes berührte seine Wange, doch Raphael wehrte sich dagegen. Die Stimme aber ließ nicht locker und hieß ihn, aufzuwachen. Sie ignorierte seine Lustlosigkeit, die schweren Lider zu öffnen. Nach einer Weile spürte er einen stechenden Schmerz in seinem Kopf. Er kam vom Nacken her und pflanzte sich bis zur Stirn und den Schläfen fort.

      Plötzlich war die Erinnerung wieder in seinem Bewusstsein und verdrängte die Trägheit, die ihn bisher beherrscht hatte. Er riss die Augen auf und ächzte, als helles Licht in seine Pupillen drang und ihn peinigte.

      »Ganz ruhig«, sagte die sanfte Stimme und drückte ihn sanft in die Kissen zurück, als er sich unwillkürlich danach aufrichten wollte. »Es geht gleich vorbei.«

      Die Stimme hatte recht. Der Schmerz ließ rasch nach, und die Schleier vor seinen Augen wichen ebenfalls. Er blickte in das schmale, leicht gebräunte Gesicht einer jungen Frau. An dem weißen Kittel erkannte er sofort die Krankenschwester.

      »Wo bin ich?«, fragte er verwirrt. »Was ist mit dem Giefner? Und wo ist Johanne?«

      »Immer mit der Ruhe«, meinte die junge Frau sanft. »Ich bin Schwester Hildegard, und Sie befinden sich im Sankt Marien Krankenhaus in Sonnbach. Sie müssen ganz ruhig liegenbleiben, denn Sie haben eine große Platzwunde am Kopf und dadurch jede Menge Blut verloren und eine schwere Gehirnerschütterung davongetragen. Ein Glück, dass sie überhaupt noch leben. Sie scheinen einen treuen Schutzengel zu haben. Außerdem haben Sie eine Rauchvergiftung, mit der nicht zu spaßen ist.«

      Der stechende Schmerz im Kopf, den Raphael plötzlich wieder empfand, wenn er sich nur wenig bewegte, und das würgende Brennen in seinen Lungen bestätigte die ausführliche Erklärung der jungen Schwester.

      »Wo ist Johanne?«, fragte er leicht verwirrt, obwohl er nicht verlangen konnte, dass die Frau wusste, was er meinte.

      »Sie wartet bereits seit Stunden draußen, dass Sie endlich aus der Narkose erwachen«, sagte sie lächelnd. »Wenn Sie ganz brav sind, hole ich sie jetzt herein. In Ordnung?«

      Raphael nickte, und er bereute es im gleichen Augenblick wieder, denn der Schmerz war kaum zu ertragen. Er griff

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