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und die zahlreichen Schreibfehler bewiesen eindeutig, dass Finkenthal der Schreiber dieses Briefes sein musste. Schon in der Schule war er keine große Leuchte gewesen und hatte sich höchstens durch Schulhofkeilereien und anderes schlechtes Benehmen hervorgetan.

      Nachdenklich faltete er den Brief zusammen und steckte ihn in die Innentasche seiner Jacke.

      Was plante Peter? Wieso setzte er sich überhaupt mit ihm in Verbindung?

      Und was gab es Wichtiges auf dem Hof von Sebastian Giefner?

      Er fand keine Antwort. Stattdessen hatte er ein eigenartiges Gefühl, das ihn nicht mehr losließ.

      Unwillkürlich musste er an die Worte von Peters Kollegen oben beim Fernauer Bernd denken. Die Warnung würde er nicht vergessen. Er musste also auf der Hut sein.

      Aber war Peter Finkenthal, dieser einfältige Holzklotz, überhaupt in der Lage, Intrigen zu spinnen? Dafür war er eigentlich zu dumm.

      Raphael versuchte, sich abzulenken. Auf jeden Fall würde er am Abend zurück nach Hallgau fahren und seinen Widersacher treffen. Er musste jede Möglichkeit ausnutzen. Vielleicht half sie, Johanne wiederzugewinnen.

      Nach einer halben Stunde vergeblichen Bemühens, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, gab er auf und meldete sich bei seinem Chef ab. Er flunkerte ein bisschen und erzählte von einer Magenverstimmung und Kopfschmerzen. Auf dem Weg nach Hallgau machte er auf der östlichen Seite der Lorgau, einem kleinen Flüsschen, das das Tal von Süden nach Norden durchfloss, ein wenig Pause. Den Wagen ließ er stehen und schlenderte den Weg entlang des Ufers Richtung »Zinne«.

      Die Spitze des waldumsäumten Berges lag im goldenen Licht der Nachmittagssonne. Es war angenehm warm, und Raphael genoss es. Auf einer Bank ließ er sich nieder und lauschte dem Rauschen der Bäume und dem Plätschern des Wassers.

      Seine Gedanken schweiften ab. Er musste an Johanne denken. In den letzten Tagen seiner Einsamkeit war ihm immer klarer geworden, dass ihm die junge Frau mehr als alles andere bedeutete. Ohne sie gab es kein Glück mehr in seinem Leben und kein herzhaftes, freies Lachen. Ohne sie war er leer, nur eine Hülle, die existierte.

      Wie sehr hätte er sich gewünscht, sie möge neben ihm sitzen und sich an ihn schmiegen, während sie auf den Fluss schauten. Die Einsamkeit konnte selbst in einer solch majestätischen Umgebung mehr als grausam sein.

      Seufzend erhob er sich. Die Sonne hatte sich hinter einer Wolke verzogen. Der Wind frischte auf und wurde kühler. Als Raphael nach Westen schaute, sah er, dass sich über dem »Sonnenberg« neue Regenwolken türmten. Er blickte auf die Uhr. Es war kurz nach sechs. Noch drei Stunden bis zum Treffen. Langsam konnte er sich auf den Weg machen.

      Von der »Lorgau« bis zur Westflanke des »Falkenecks«, benötigte er nicht einmal eine Viertelstunde. Er ließ seinen Wagen auf einem einsam gelegenen Parkplatz, den man für Touristen angelegt hatte, stehen und zog sich um. Seine Jacke tauschte er gegen einen Lodenmantel, die Halbschuhe gegen derbe Halbstiefel, die besseren Halt beim Kraxeln und Wandern boten. Und noch etwas steckte er ein.

      Einen Hirschfänger. Man konnte nie wissen, was ihn da oben in der Einsamkeit der Berge erwartete.

      Als er das Messer samt Lederscheide an den Gürtel band, überkam ihn wieder das eigenartige Gefühl, das ihn schon Stunden zuvor beim Lesen des Briefes beschlichen hatte. Instinktiv ahnte er, dass sich an diesem Abend Vieles in seinem Leben ändern konnte. Trotzdem zögerte er nicht und machte sich auf den Weg in die Tiefen der Wälder und steilen Schluchten an der Westflanke des Berges.

      Er musste sich beeilen, denn von hier aus war es ein weiter Weg bis zum Giefnerhof.

      10

      Gähnend streckte sich Peter Finkenthal. Das unbequeme Niederhocken ermüdete, doch er hatte keine andere Wahl. Nur das kleine Vordach seitlich der Scheune bot ausreichende Sicht über den Hang unter sich. Zum Greifen nahe lag der Hof der Giefners vor ihm. Im unteren Stockwerk waren alle Fenster beleuchtet. Mehrere Male hatte er Johanne gesehen. Sie hielt sich in der Küche auf und schien der Mutter zur Hand zu gehen. In Finkenthal regte sich die Sehnsucht und das Verlangen nach der hübschen Maid, die ihn stets abgelehnt hatte. Er musste sich zusammenreißen. Jetzt war nicht die Zeit, daran zu denken, wie schön es in ihren Armen sein mochte.

      Finkenthal schielte zum Himmel. Schwarze Wolken rasten über das Gebirge hinweg und entluden ihre nasse Fracht. Zum Glück saß er unter dem Holzdach im Trockenen, doch es war empfindlich kalt geworden.

      Früher als gewöhnlich hatte sich die Nacht breitgemacht. Die schweren Regenwolken hatten das letzte Licht verschluckt und ließen manchmal sogar selbst vage Konturen in ihrer Schwärze ertrinken.

      Peter grinste schäbig. Ihm sollte es recht sein. Alles lief so, wie er es geplant hatte. Die Nacht war vollkommen, und der Wind wehte von Westen, so dass der Hofhund ihn nicht wittern konnte.

      Er brauchte nur zu warten. Keine Sekunde lang zweifelte er daran, dass sein Plan fehlschlagen würde. Jeden Punkt, da war er sicher, hatte er durchdacht. Raphael Harlander sollte sein blaues Wunder erleben. Einem Peter Finkenthal nahm man nicht das Madl weg.

      Sein Blick schweifte wieder über den Steilhang und zur Waldgrenze hinunter. Es wurde Zeit, dass sein Widersacher auftauchte. Kaum hatte er den Gedanken beendet, als er eine Bewegung auf dem Weg durch das hohe Gras der Almwiese wahrnahm. Ein zufriedenes Schmunzeln huschte über sein Gesicht. Es konnte nur Raphael sein.

      Der Schatten hielt sich östlich und verließ den Pfad, um nicht gesehen zu werden. Er beschrieb einen großen Bogen, denn auch er wusste, dass die Giefners einen aufmerksamen Wachhund besaßen.

      Peters Herz begann schneller zu schlagen. Hastig erhob er sich aus der Hocke und huschte zur rückwärtigen Scheunentür. Das Quietschen der Scharniere war im Tosen des heftigen Windes nicht einmal zehn Meter weit zu hören. Ringsum herrschte nun absolute Dunkelheit. Selbst durch die Fugen und Ritzen drang kein Licht mehr. Man konnte nicht einmal die Hand vor Augen sehen.

      Es roch nach frisch gemähtem Gras und Feuchtigkeit. In diesem Sommer verging kaum ein Tag, an dem es nicht regnete. Aber noch ein anderer Geruch schwebte in der kleinen Scheune, die an einer Seite bis zur Decke mit Strohballen gefüllt war. Er passte nicht in diese Gegend, wirkte durchdringend, wenn man sich längere Zeit in dem Gebäude aufhielt.

      Benzin.

      Peter Finkenthal hatte genügend Zeit gehabt, alles bestens vorzubereiten. Der Gestank würde nicht verdächtig sein, denn Raphael wusste garantiert, dass der Giefner in dieser Scheune auch seinen Traktor untergestellt hatte.

      Draußen vernahm er eine Art Rascheln. Der Wind schien sich etwas beruhigt zu haben. Das Geräusch stammte aber nicht davon, sondern es musste von Stoff stammen. Wahrscheinlich trug Raphael einen Regenumhang, den er gerade abstreifte.

      Peters Sinne waren bis aufs Äußerste gespannt. Sein Gegner musste unmittelbar vor der Scheunentür stehen. Er schien zu zögern, was er tun sollte.

      Ohne den geringsten Laut zu verursachen, bückte sich Peter und fand das kurze Stahlrohr. Er umklammerte es und hob die Hand zum Schlag.

      In diesem Augenblick wurde die Tür, die in das große Tor eingelassen war, leise geöffnet.

      »Peter, bist du hier?«, fragte eine leise Stimme.

      Der Mann im Dunkeln presste sich gegen die Holzwand und hielt den Atem an.

      Sekunden vergingen, dann betrat Raphael die Scheune.

      Finkenthal zögerte keinen Wimpernschlag. Brutal schlug er zu und traf den Mann mit dem schweren Eisenrohr voll im Nacken.

      Raphael Harlander hatte gegen dieses Attentat nicht die geringste Chance. Ohne einen einzigen Seufzer sank er wie ein gefällter Baum zusammen und schlug lang zu Boden.

      Finkenthal keuchte aufgeregt und schloss die Tür. Mit der freien Hand ließ er ein Feuerzeug aufflammen. Selbstgefällig betrachtete er den bleichen Mann, der leblos vor ihm im Stroh lag. Blut sickerte aus einer klaffenden Wunde

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