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reicht es mir, Finkenthal«, mischte sich der alte Wirt ins Gespräch und kam mit einem klobigen Wanderstab bewaffnet quer durch den Raum. »Hier unter meinem Dach gibt’s keinen Streit, Finkenthal, versteht mich? Die beiden hocken hier friedlich beieinander, und seitdem du hier hereingekommen bist, suchst nur Streit. Mach’, dass du deine Maß austrinkst und verschwind’, wenn du keine Ruhe geben kannst!«

      Für den Bruchteil einer Sekunde sah es so aus, als ob sich der Holzfäller auf den alten Mann stürzen wollte. Dann aber verschwand das eigenartige Funkeln in seinen hellen Augen.

      »Wie du meinst, Fernauer«, zischte er wütend. Er drehte sich auf dem Absatz um, warf einige Münzstücke auf die Theke und stampfte auf die Tür zu.

      »Wie ist’s Leute? Wollt ihr etwa noch länger in diesem verräucherten Loch bleiben?«

      Weder Bruno Atztaler noch Beppo Bergner machten Anstalten, ihm zu folgen.

      »Warum hast du’s plötzlich so eilig?«, fragte Atztaler provozierend. Er hasste Peters Wutausbrüche und seine Unbeherrschtheit wie die meisten in der Gegend. Er war und blieb ein unangenehmer Zeitgenosse, mit dem er zwangsläufig als Kollege leben musste.

      »Dann eben net«, schimpfte Finkenthal aufgebracht.

      Er hatte die Tür fast erreicht, als die harte Stimme des alten Wirts ihn zurückhielt.

      »Finkenthal«, rief er fast herrisch und gefährlich leise. »Bevor du gehst, noch ein Wort.«

      Der Holzfäller drehte sich verwirrt um und musterte Fernauer mit einem giftigen Blick.

      »Was willst du noch?«

      »Bedenk’, dass ich heute Zeuge war«, erwiderte Fernauer gedehnt. »Ich denk’, du weißt, was ich meine.«

      Finkenthal räusperte sich. Er hatte die Drohung verstanden und wusste, dass alles, was Raphael Harlander in nächster Zeit zustoßen könnte, sofort auf ihn zurückfallen würde. Voller Zorn schlug er die Tür hinter sich zu. Mit der geschulterten Axt marschierte er mit großen Schritten über die nasse Almwiese nach Norden.

      Eine Weile herrschte atemlose Stille in der kleinen Gaststube. Beppo nippte an seinem Bier, und der Fernauer Bernd schüttelte den Kopf und brummte wieder etwas Unverständliches in seinen Bart. Bruno Atztaler hingegen seufzte und griff nach seinem Umhang, der mittlerweile wieder trocken war. Als sein Kollege merkte, dass er ebenfalls gehen wollte, tat er es ihm gleich.

      Nachdem sie bezahlt hatten, verabschiedeten sie sich per Handschlag vom Wirt und entschuldigten sich für Peter Finkenthals schlechtes Benehmen.

      Ehe sie die Gaststätte verließen, kam Atztaler an den Tisch der beiden Frischverliebten.

      »Nix für ungut, Harlander«, begann der Holzfäller. »Schön, dass mal wieder ins Tal gefunden hast. Wie ich hörte, bist jetzt ja ein Studierter.«

      »Das hört sich ja schrecklich an«, amüsierte sich Raphael. »Mit meinem Charakter hat’s aber nix zu tun. Da bin ich immer noch wie früher.«

      Atztaler nickte ernst. »Mag sein«, fuhr er fort und beugte sich etwas nach vorne. Seine Stimme klang leiser als zuvor. »Aber pass auf dich und die Johanne auf, verstehst du mich? Der Finkenthal ist manchmal net ganz richtig im Kopf, wenn du mich fragst. Also, gib acht auf dich.«

      Johanne merkte, wie ihr ein eisiger Schauer über den Rücken lief. Sie schaute in Bruno Atztalers Augen und wusste, dass dies nicht als Drohung, sondern als der gut gemeinte Rat eines Freundes zu verstehen war. Das erste Mal, seit sie Raphael wiedergesehen hatte, spürte sie Angst. Angst um ihn und ihre Liebe, die ein besitzergreifender Mann geschürt hatte.

      »Ich dank’ dir schön, Atztaler«, erwiderte Harlander und reichte ihm die Hand. »Das werd’ ich dir net so schnell vergessen.«

      Sekunden später hatten die beiden breitschultrigen Männer in den weiten Umhängen den Berggasthof verlassen. Zurück blieb eine gedrückte Stimmung, die das Glücksgefühl der beiden Verliebten längst verdrängt hatte. Um sie herum herrschten Verwirrung und Furcht, die sie erst langsam begriffen.

      »Net aufregen, Schatzerl«, meinte Raphael nach einer Weile. »Hunde die bellen, die beißen net.«

      Johanne lächelte verkniffen. Sie ließ sich nicht so einfach beruhigen. Ein Mann wie Peter Finkenthal war unberechenbar. Für ihn war diese Begegnung so etwas wie eine Niederlage gewesen. Das ließ er nicht einfach auf sich sitzen. Sie kannte ihn seit vielen Jahren. Ihn und seine Zudringlichkeiten, gegen die sie sich nur mühsam hatte zur Wehr setzen können.

      Nun aber verspürte sie Angst in ihrem Herzen.

      7

      Tage vergingen.

      Johanne hatte den Zwischenfall oben am Berg nicht vergessen, aber aus ihrer Erinnerung doch ein wenig verdrängt. Nur noch einmal war sie einen Tag danach mit Peter Finkenthal zusammengetroffen.

      Unterhalb des Berghofs ihres Vaters hatte er ihr aufgelauert und um Verzeihung gebeten. Sie war geneigt gewesen, ihn schroff abzuweisen, doch sie hatte es nicht getan und seine Entschuldigung angenommen.

      Es hatte sich als großer Fehler erwiesen, denn er war kurz darauf zudringlich geworden und hatte als Beweis einen Kuss verlangt und sie aufgefordert, mit ihm zum Fest nach Berlingen zu gehen. Sie hatte abgelehnt, und er war erneut voller Wut davongezogen.

      Johanne hatte Raphael dies alles erzählt. Nur mit ihm konnte sie über so etwas reden. Es tat ihr in der Seele weh, dass sich ihr Leben in den letzten Tagen derart verändert hatte. Sie fühlte sich wie bei einem Katz- und Mausspiel, und sie war die Maus.

      Der Vater und der alte Harlander durften nichts von ihrer Liebe zueinander wissen. Peter Finkenthal war in diesem Spiel eine fürchterliche Bedrohung, denn in seiner Eifersucht würde er nichts auslassen, um ihrer Liebe zu schaden.

      Johanne schaute auf die Uhr. Es war kurz nach drei Uhr. Sie musste sich sputen, wenn sie nicht unpünktlich sein wollte. Heute hatte sie sich mit ihrem Liebsten beim Paradiesweg unterhalb der Weißburgerklamm verabredet.

      »Ich geh jetzt, Mutter«, verabschiedete sie sich und gab der korpulenten Frau einen Kuss. »Vor dem Nachtmahl werd’ ich net zurück sein.«

      Ihre Mutter nickte und strich ihr über das dichte Haar.

      »Gib auf dich acht, Madl«, erwiderte sie. »Und mach’ dir keine Sorge wegen dem Vater. Der ist sowieso bis heut Nachmittag unten im Dorf und verhandelt mit dem Zittler wegen der nächsten Fleischlieferung. Ihm werd’ ich schon eine Geschicht erzählen, warum du weg bist. Mach dir ruhig einen schönen Tag! Auch, wenn’s Wetter wieder mal net so mitspielt.« Sie seufzte.

      Dieser Sommer zehrte immer häufiger an den Nerven. Es regnete fast ununterbrochen. Die wenigen Stunden, die die Sonne schien, konnte man zählen. Im Tal machten sich die Bauern schon ernsthafte Sorgen, denn Wind und Wetter drohten die Ernte zu vernichten.

      Johanne verließ das elterliche Haus und machte sich auf zum Paradiesweg. Sie freute sich auf Raphael, denn am gestrigen Tag hatte sie sich nicht mit ihm treffen können. Sein Vorgesetzter hatte ihn nach Sonnbach zu einer Konferenz bestellt gehabt. In drei Tagen sollte die Straßenvermessung nach einigen Anfangsschwierigkeiten endlich beginnen. Sie selbst war nicht sehr glücklich darüber. Dann würde sie ihren Liebsten garantiert viel seltener sehen.

      Sie lief mehr, als dass sie ging. Endlich hatte sie die Wegbiegung unterhalb der Klamm erreicht. Jeden Augenblick würde sie Raphael sehen.

      Plötzlich erschrak sie und erstarrte wie unter einem Schock.

      Raphael war wirklich schon da, doch er war nicht allein. Neben ihm stand ihr Vater und sprach heftig mit ihm. Gestikulierend und drohend redete Sebastian Giefner auf ihn ein. Es sah fast so aus, als ob er Raphael jeden Augenblick angreifen würde.

      »Vater«, rief sie voller Entsetzen, als der hagere Mann ihren Liebsten plötzlich am Kragen packte und nah an sich heranzog.

      Erschrocken

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