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jungen Musikern zu finden. Beim Laufen funktioniert dieser Weg nicht, da Laufen zu Beginn anstrengend ist. Erst über die Jahre verliert sich diese Anstrengung, und es folgt die Zeit, in der man eine Art »Selbstläufer« wird. Es gibt die Themen der Rennen und Platzierungen, wenn man bei diesem Spiel mitmacht, aber wenn man Glück hat, gibt es auch die große Leidenschaft und Liebe für das Laufen. Über Liebe, Leidenschaft und das Laufen kann man endlos philosophieren und komplexe Systeme für viele Themenbereiche entwickeln. Aber es ist wie mit dem Leben: Man kann es auch in aller Klarheit einfach nur machen und genießen. Nicht, dass ich das schon beherrsche, aber für diese gelebte Klarheit zum Thema Laufen bedanke ich mich bei Marco Olmo.

      Grazie!

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      Gewinner des Ultra Bolivia mit 68 Jahren.

KAPITEL 3 / WETTKAMPF
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      BACK ON THE TRACK!

      Das Vorgängerbuch Running wild endet zum Jahreswechsel 2014/2015 nach einer langen Laufpause. Ich hatte eine Operation am Knie, die mich sechs Monate aus der Bahn warf. Es war eine harte Zeit, da die Ansagen vorher anders waren. Was im Mai begann, zog sich bis zu meinem ersten richtigen Lauf am Eibsee am Fuß der Zugspitze im Dezember. Wir hatten diese irrsinnige Show mit Ed Sheeran auf dem Gipfel der Zugspitze, und es war der Tag vor dem Aufbau zu diesem Konzert. Erst ab diesem Tag wusste ich, dass die Lauferei weitergehen wird. Seit Jahren hatte ich dieses 520 km lange Rennen The Track in Australien auf meiner Agenda, und der Start im folgenden Jahr fiel genau auf den Tag, an dem ich operiert wurde. Quasi das Comeback nach genau 365 Tagen. Das war’s für mich! Fünf Monate Zeit – eigentlich zu kurz nach langer Pause. Und das Rennen ein bisschen lang für den Wiedereinstieg, aber Glaube und Symbolik gehen öfter mal vor Vernunft bei mir, und so stehe ich Anfang Mai um drei Uhr morgens in Dubai am Airport und bekomme zu hören: »Hey Alda: was machst du denn hier?« Neben mir am Security-Check steht grinsend Markus Mockenhaupt, den ich Jahre zuvor über seine Schwester Sabrina kennengelernt hatte. Er ist ebenfalls auf dem Weg nach Melbourne, um als deutscher Vorjahressieger der Wings for Life World Run in Australien zu starten. Geht ja schon mal gut los. Wir treffen uns nach gemeinsamem Flug von Dubai nach Melbourne für ein paar Laufrunden am Indischen Ozean. Nach drei Tagen Akklimatisierung und Einrichtung der inneren Uhr auf Down-Under-Zeit geht es weiter nach Alice Springs. Hier treffen sich die 22 Starter zu The Track, dem weltweit längsten Etappenlauf, bei dem Equipment und Verpflegung im Rucksack getragen werden. Der Ablauf ist wie immer: Der Veranstalter stellt die Zelte und zwölf Liter Wasser pro Tag. Die Dimensionen sind gewaltig – Hitze, Sand, Trails. Wir werden 527 km in 9 Etappen hinter uns bringen. Allein die letzte – die Königsetappe – wird knapp 130 km, zu diesem Zeitpunkt werden wir bereits 400 km in den Beinen haben. Daraus ergibt sich die übersichtliche Teilnehmerzahl. Es sind ausnahmslos erfahrene Ultraläufer am Start – und somit viele Freunde aus meinen zurückliegenden zehn Wüstenrennen – launiges Klassentreffen.

       ES WIRD EIN LEGENDÄRES RENNEN

      Noch nie ist einer von uns 520 km gelaufen – warum auch? Es gibt keine wirklichen Strategien dafür. Wir bekommen ein Roadbook vom Veranstalter, die Strecken sind mit Pfeilen oder Flatterband markiert. Jeweils 15 km voneinander entfernt befinden sich Checkpoints, an denen ein Arzt oder Betreuer postiert ist, der auf den Zustand der Läufer achtet und auf Probleme eingehen kann. Zudem bekommen wir an diesen Punkten jeweils zwei Liter Wasser für den Weg zum nächsten Checkpoint. Die Rucksäcke mit Food, Isomatte, Schlafsack, Klamotten, Stirnlampen etc. wiegen zwischen 8 bis 10 kg. Lebensmittel für den zweiten Teil des Rennens können wir im Dropbag hinterlegen und bekommen diesen am fünften Tag ausgehändigt. Anders wären die Rucksäcke zum Laufen zu schwer geworden. Die beiden ersten Tagesetappen durch den West-MacDonnells-Nationalpark sind je 30 bis 40 km lang, wir müssen mehr als 1.000 hm pro Tag absolvieren. Hier merke ich das Knie nach einem Jahr doch wieder und muss kleine Brötchen backen, aber auch, wenn ich noch nicht wieder ganz fit bin, kann ich in den Bergen Platz neun halten. Das Knie tut es auch – halten.

      Sensationell das Treffen mit meinen Spezies aus dem Outdoor Fashionstore am zweiten Tag: Auf den höchsten Bergen der Region treffen wir einige von diesen coolen Wanderern. Vorher mit dem SUV durch den Outdoorstore und für 2.000 Euro Klamotten kaufen. Damit dann am Berg chic im Weg stehen, Fotos machen und immer schön den Thermobecher in der Hand halten. Ich würde mich ja zanken, aber mir bleibt kurz die Sprache weg, als ich hinter dem dicken Wandermonster auf meinem Trailpfad drei Helikopter stehen sehe. Ordentlich abgeparkt auf dem Gipfel. Die »lassen« hier oben wandern – find’ ich vernünftig. Das schont die Rettungskräfte, die heutzutage mit an Selbstüberschätzung leidenden Outdoor-Opfern viel Arbeit haben. Für viele dieser Kollegen wäre der Anstieg zum Heidelberger Schloss schon ein Abenteuer. Die kommen mir gerade recht. Da kann ich mich aufregen und vergesse mein Knie. Vollkommen unüberheblich – wie das so meine Art ist (grins!) – fühle ich mich heute überlegen.

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      Mein Neuanfang in Down Under.

      Wir kommen ins Flache. Die Temperaturen werden höher und es kommt der Sand. Obwohl wir die 30 °C-Marke selten knacken, ist jetzt meine Zeit. Der Alte schafft sich über die Tage bis auf Platz drei nach vorn. Das Tempo ist allerdings vollkommen unphilosophisch. Durch die Tatsache, dass die ersten vier Läufer alle in einer ähnlichen Liga unterwegs sind, wird gerannt, was das Zeug hält, und die Abstände bei den Etappen sind jetzt im kleinen Minutenbereich.

      Das Leben, das Laufen und die Menschen ändern sich. Die Lauten vom Anfang werden von Kilometer zu Kilometer stiller und nachdenklicher, andere schließen sich in ganz kleinen Gruppen sehr eng zusammen. Wieder andere, die eher schüchtern sind, blühen über die Tage auf. Das Laufen wird zum Bestandteil des Lebens, und beim Gespräch am Lagerfeuer – laufen wir morgen 50 oder 60 km? – stehe ich nicht mehr auf, um das Roadbook zu konsultieren. Ist irgendwie egal. Es beginnt eine andere Zeitrechnung, in uns und um uns herum. Wir laufen schnell, aber alles andere wird langsamer. Eigentlich der ideale Lauf und Ort, um total abzuschalten. Wenn da nicht dieses sportlich so dicht beieinanderliegende Viererfeld an der Spitze wäre. Aber es bringt unerwartet viel Spaß, auf diese lange Distanz jeden Tag wieder von Neuem hart am Limit zu laufen. Die Strecke ist abwechslungsreich, bietet Sandpisten, gelegentlich Flussbetten (ohne Wasser) und wiederkehrende Traversen über kleine Hügelketten.

      Es gibt aber auch die typischen langen, geraden, rotsandigen Tracks. Damit es nicht langweilig wird, stolpere ich am fünften Tag über einen Stein, und es haut mich gewaltig hin. Ich habe keine exakte Erinnerung, wie es passiert, da mir eine kleine Gehirnerschütterung anscheinend ein paar Sekunden gelöscht hat. Ich falle, bremse aber den Sturz mit dem Gesicht. Ich habe seltsamerweise keine Verletzungen an den Händen, was normal wäre, wenn man sich nach vorn abfängt. Wahrscheinlich ein altersbedingter Schwächeanfall, oder noch besser: Totalausfall. Ich liege plötzlich mit dem Gesicht in den Steinen. Philippe und Patrick sind kurz darauf zur Stelle. Ich blute, als hätte man mich frisch geschlachtet. Da mir die Suppe auch aus dem Mund tropft, werden Nase und Zähne genauer betrachtet. Die beiden begleiten mich bis zum nächsten Checkpoint. Dort wartet unser französischer Doc Bruno, der mich eingehend untersucht. Viel Blut, aber nix gebrochen. Alles wird getapet. Er tippt auf Gehirnerschütterung und will mich ein wenig dabehalten. Ich will aber weiter und versuche ihm klarzumachen, dass es mir gut geht. Wir einigen uns auf eine finale Testung – ich zähle auf Französisch von eins bis zehn. Bestanden! So geht das in der Wüste … bis ich außer Sichtweite bin und mich hinter dem nächsten Busch erst mal übergeben muss. Gehirnerschütterung. Bruno hat das grundsätzlich richtig entschieden. Im Zweifel auch mal für den Sportler – er war früher selbst aktiver Läufer. Bis zu Patrik und Philippe kann ich wieder aufschließen, und somit wurde auch dieser Tag nicht langweilig. Außer Blut und ein wenig Futter für die Schlangen war ja nix.

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