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ging es danach weiter mit dem Laufen?

      Ich bin bei Rennen in den Bergen mitgelaufen – meistens in unserer Gegend. Die Läufe waren sehr unterschiedlich, aber ich bin noch nie einen Marathon gelaufen. Erst später, mit 47 Jahren, ging ich dann zum Marathon des Sables. Zusammen mit Paolo, weil er ein Team für das Rennen gegründet hatte. Das war 1996, und der MdS war mit 200 Teilnehmern noch relativ klein. Heute sind es über 1.300 Starter in der Wüste.

       Wenn du zurückblickst: Was war dein größter Erfolg?

      Sicherlich der Sieg und die Weltmeisterschaft in 2007 beim UTMB. Ich hatte das Rennen im Jahr zuvor bereits gewonnen, aber diese Strapaze mit einem weiteren Sieg im darauffolgenden Jahr zu krönen, das war etwas Besonderes.

       Du vergisst zu erwähnen, dass dies kurz vor deinem 59. Geburtstag passierte, und tatsächlich ist das Meisterstück mit zwei Siegen in Folge danach nur noch einmal vollbracht worden: von Kilian Jornet. Wie war das im Ziel für Dich?

      Überwältigend war die Freude, der Zuspruch, den ich von allen Seiten bekam. Ich hatte tatsächlich Tränen in den Augen auf der Ziellinie.

       Wie wichtig war dieser Sieg?

      Nun ja – ich hatte nicht Amerika entdeckt, aber ich fühlte mich sehr gut.

      Das ist eine sehr knappe Umschreibung.

       Du sprichst nicht so viel und so gern über dich?

      (Er beantwortet die Frage mit einem Grinsen.)

       Was passierte noch?

      Neben der Erschöpfung und Freude? Ach ja (und er lacht dabei): Als ich meinen Siegerpokal erhielt, stand Renata neben mir. Das Erste, was ihr in diesem Moment einfiel, war der Hinweis darauf, dass sie nicht mehr wisse, wo sie in der Hektik das Auto geparkt hatte für die Heimfahrt. Ich dachte noch: So schnell hat einen das normale Leben zurück.

       Das war vor zehn Jahren. Das wichtigste Rennen aus den vergangenen Jahren für dich?

      Im Herbst 2016 war ich auf einem sehr schönen Rennen: Ultra Bolivia Race. Wir liefen teilweise in Höhen von über 3.600 Metern. Es war ein Lauf über sechs Etappen und 170 km Länge. Teilweise liefen wir auf dem Salar de Uyuni – die mit mehr als 10.000 Quadratkilometern größte Salzpfanne der Erde. Die Salzkruste entstand vor über 10.000 Jahren durch das Austrocknen eines riesigen Sees.

      … und du hast das Rennen mit über zwei Stunden Vorsprung im Alter von 68 Jahren gewonnen.

      Ja, das stimmt. Ich bin auch sehr stolz darauf. Ich liebe die Berge. Ich bin ein Mann aus den Bergen. Ich habe viele Rennen gemacht und auch einige gewonnen. Bestimmte Rennen bleiben einem aber besonders im Gedächtnis.

       Welche noch?

      Ein Skirennen: Abfahrt. Das Rennen hieß Tri Rifugi und ich konnte es im Jahr 1985 gewinnen. War mir irgendwie auch wichtig. Ich hebe nicht so viele Sachen auf, aber dieses Paar Ski und die Gewinnerschuhe vom UMTB habe ich behalten.

       Welches war dein anstrengendstes Rennen?

      Das war hier bei uns in der Heimat: Marathon Alpes. Es war ein Etappenrennen über knapp 200 Kilometer mit 18.000 Höhenmetern. Das war das Härteste, was ich je erlebt habe.

       Was waren die aufregendsten Länder, die du besucht hast?

      Aufregend und sehr interessant war es bei der Libyan Challenge im Akakusgebirge, in Ägypten und Jordanien. Faszinierende Rennen in Ländern mit einer langen und interessanten Geschichte, die für die ganze Welt von Wichtigkeit ist. Nehmen wir die beeindruckenden Pyramiden von Gizeh oder die Felsenstadt Petra in Jordanien mit ihren Tempeln.

      Dem stimme ich gern zu – das waren auch mit meine schönsten Rennen. Der Zieleinlauf an den Pyramiden beim Sahara Race und ebenso das Ziel bei den Felsentempeln in Petra ist atemberaubend. Was war richtig übel?

      Beim MdS 2016 ging ich richtig unter. Auf der langen Etappe ging es mir ganz schlecht. Es war sehr heiß, und es lief gar nicht gut. Mir war übel, und ich musste viel gehen. An einem Checkpoint mit Arzt wurde ich untersucht. Mein Blutdruck war normal. Was soll ich sagen? Es gab somit keinen Grund aufzuhören, also marschierte ich weiter.

       Bist du jemals verlorengegangen oder hast den Weg verfehlt?

      Nicht wirklich. Bei der Libyan Challenge 2008 über 200 Kilometer nonstop habe ich mal zwei Stunden den Weg nicht gefunden, weil das GPS nicht mitgespielt hat.

      An der Stelle stand ich – glaube ich – im Jahr darauf auch. Aber doppelt so lang. Irgendwann bin ich die Felswand vor mir einfach hochgeklettert. Irgendwo sollte dort ein kleiner Tunnel durch dieses Felsmassiv sein. Der war aber im Dunkeln für mich damals nicht zu finden.

      (Er lacht und scheint sich auch daran zu erinnern.)

      In deinem Film Il Corridore erzählst du von dir, dass du dich als Loser, als Verlierer siehst. Warum?

      Ich bin aus den Bergen. Dort bin ich großgeworden. Aber um Geld zu verdienen und mein eigenes Leben leben zu können, musste ich runter. Ich wurde Lkw-Fahrer und habe mit Dreißig angefangen, im Betonwerk in Robilante zu arbeiten. Dort war ich dann 23 Jahre, bevor ich in Rente ging. Durch das Verlassen der Berge habe ich meine Wurzeln verloren. Es gab die Notwendigkeit. Es ist schwer zu erklären, und das können vielleicht nur Menschen verstehen, die auch in den Bergen geboren sind. Das Zitat mit dem »Loser« ist aus dem Film von 2010. Vielleicht bin ich bei diesem Thema heute etwas entspannter.

       Aber du bekommst soviel Anerkennung heutzutage für dein Laufen, für dich als Person …

      Das ist richtig. Es freut mich auch, dass dieser Zuspruch über alle Generationen geht. Es gibt ganz viele junge Menschen, die mir schreiben, die zu meinen Vorträgen kommen, auch viele aus meiner Altersklasse.

       Kannst du mit diesem Zuspruch gut umgehen?

      Eine gute Frage. Viele Menschen denken, es ist leicht im Mittelpunkt zu stehen und gelobt zu werden. Das ist es nicht. Ich kann heute besser damit umgehen als vor 20 Jahren. Damals war ich viel unsicherer, ich war schnell nervös und habe die Welt in Gut und Böse eingeteilt, meist aber sehr schnell viele Feinde gesehen. Das ist heute anders.

       Welche Rolle spielt deine Frau Renata?

      Sie ist die große Stütze. Wir haben uns kennengelernt, als ich 24 war, und mit 30 haben wir geheiratet. Sie ist meine bessere Hälfte. Somit gebührt ihr auch mit Recht die Hälfte der Anerkennung für meine Erfolge beim Laufen. Sie betreut mich bei den Wettkämpfen. Sie fährt zu den diversen Checkpoints. Sie gibt mir Essen und Informationen über den Stand im Rennen. Welche Läufer direkt vor oder hinter mir sind. Wichtig ist sie natürlich auch als Stütze, wenn es nicht läuft, dann baut sie mich auf. Sie steckt dann voller Energie und gibt alles. So manches Mal ist sie dabei aufgeregter als ich und am Ende des Rennens oft vollkommen erschöpft.

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      Die Beine eines 68-jährigen Champions.

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      Mailand: Zum ersten Mal treffe ich Marco.

       Hast du Laster?

      Nein! Aber ich liebe Desserts nach dem Essen und Schokolade überhaupt. Das könnte meine Schwäche sein.

       Andere Dinge, die dich faszinieren?

      Außer Laufen? Ich mag Maschinen, und da ich zehn Jahre als Lkw-Fahrer und danach 23 Jahre im Betonwerk gearbeitet habe, saß ich viel auf dem Bagger. Ich mag gern zügig Auto fahren – auch heute noch. Vor ungefähr zehn Jahren hatte ich einen Lancia Delta

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