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hat sie mir nicht verraten. Aber ehrlich gesagt, ich habe sie auch nicht gut verstanden.«

      »Wieso?«

      »Sie hatte einen starken Akzent und mein Deutsch ist leider etwas eingerostet.«

      »Das kommt davon, weil du dich immer auf mich verlässt. Ich bin doch kein Dolmetscher«, sagte Prohaska und kicherte.

      »Du kannst gut lachen.«

      Prohaska ließ sich auf die Bettkannte fallen.

      »War’s das? Ich muss mich anziehen. Wir sehen uns ja nachher.«

      »Warte kurz! Hast du schon die Nachrichten gehört?«

      »Nein, noch nicht.«

      »Letzte Nacht ist in Ičići ein Haus abgebrannt.«

      »In Ičići?«, fragte Prohaska. Das Küstenstädtchen lag auf der Ostseite von Istrien, ein paar Kilometer von Opatija entfernt. »Das ist zwar schlimm, aber wieso interessierst du dich dafür?«

      Ivo überhörte die Frage geflissentlich und sprach weiter.

      »Die Feuerwehr hat immer noch Probleme, die Glutnester einzudämmen. Wenn da erst einmal der Wald brennt, dann gute Nacht.«

      »Hoffentlich gab es keine Verletzten.«

      »In den Trümmern wurde ein Toter gefunden beziehungsweise das, was von ihm übriggeblieben ist. Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen.«

      Prohaska zog sich an und ging in die Küche.

      »Und warum erzählst du mir das?«

      Ivo räusperte sich.

      »Nun, ich dachte, du könntest vielleicht hinfahren und …«

      »Ich soll was?«

      »… und ein paar Fotos machen. Die könntest du den Zeitungen anbieten.«

      »Bist du verrückt geworden? Die haben ihre Fotografen, außerdem sind es hundert Kilometer von hier nach …«

      »Zweiundachtzig.«

      »Von mir aus, man braucht trotzdem über eine Stunde. Und da es dort noch brennt, wie du gesagt hast, ist das Gelände bestimmt gesperrt. Man kann da nicht einfach reinlatschen und fotografieren. Und außerdem, ich bin kein Paparazzo!«

      »Jetzt reg’ dich nicht gleich so auf. Ich dachte nur, bevor du dich in deinem Dorf zu Tode langweilst, wäre das eine gute Möglichkeit …«

      »Ivo, vergiss es, okay? Ich langweile mich nie. Und falls du dringend Geld brauchst, sag es einfach, du führst doch die Buchhaltung.«

      »Mensch, es geht doch nicht darum, und die Buchhaltung ist auf dem neuesten Stand. Ich dachte nur …«

      »Schon gut, du weißt, wie ich das gemeint habe«, sagte Prohaska versöhnlich.

      »Kein Problem.«

      »Okay, dann bis später.«

      »Ach ja, heute sind wieder mal verstärkte Verkehrskontrollen angesagt, also fahr nicht zu schnell.«

      »Was du so alles weißt am frühen Morgen.«

      »Früh? Es ist fast halb zehn, und es kam vorhin im Radio.«

      »Danke für den Hinweis. Ich halte mich an die Vorschriften, meistens jedenfalls.«

      Sechs

      Es dämmerte bereits, als sie auf eine schmale Straße bog, die sich den Berghang hinaufwand. Über den Tälern lagen dünne Nebelschleier, als hätte jemand die Landschaft mit einem Seidentuch bedeckt. Dann tauchte am Ende der Straße die mächtige Stadtmauer von Hum auf.

      Das Städtchen war wie so viele andere in Istrien von den Venezianern entlang der Grenze zum Osmanischen Reich auf einer Bergkuppe erbaut worden und diente als militärischer Grenzposten. Im Laufe der Jahrhunderte wurden viele dieser Festungen zerstört, von der Pest entvölkert oder von Napoleons Truppen zerstört. Dank ihrer exponierten Lage waren sie eine begehrte Kriegsbeute. Hier lebten schon immer gottesfürchtige Menschen, die ihrem Tagwerk nachgingen, dem Dogen in Venedig oder dem Kaiser in Wien die Steuern zahlten, sich ansonsten wenig um die große Politik scherten, da sie ohnehin nur ihr Spielball waren.

      Marina war sich nicht sicher, ob Hum mit dem Dutzend Häusern und etwa zwanzig Einwohnern tatsächlich die »kleinste Stadt der Welt« war und ob sie im Guinnessbuch stand. Jedenfalls war es ein toller Werbeslogan, der Scharen von Touristen aus aller Welt hierherlockte. Sie war sich auch nicht sicher, ob es den Einwohnern von Hum wirklich immer angenehm war, innerhalb ihrer geschichtsträchtigen Mauern von fremden Menschen fotografiert zu werden, die mit Bussen angekarrt wurden und nach einer oder zwei Stunden Aufenthalt zum nächsten Tourismusort entschwanden. Für sie war im Moment nur wichtig, von der Bildfläche zu verschwinden und sich zu überlegen, wie es weitergehen sollte.

      Hoffentlich bekam Tante Alma, eigentlich war es ihre Großtante, keinen Herzanfall, wenn sie sie jetzt aus dem Bett scheuchte. Sie hatten sich seit einer Ewigkeit nicht gesehen, und Marina hoffte, dass Alma noch geistig fit war und ihr nicht zu viele Fragen stellte.

      Sie musste sich unbedingt eine plausible Geschichte ausdenken. Doch dann schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf, der sie frösteln ließ. Was, wenn Alma inzwischen gestorben war? Sie musste mittlerweile weit über achtzig sein.

      Als sie das Ende der Straße erreicht hatte, hielt sie an. Hinter der dicken Stadtmauer verbargen sich die Häuser wie Perlen in einer Muschel. Marina ließ die Seitenscheibe hinuntergleiten und sog die kühle Morgenluft ein. Es war so wunderbar still hier oben, dass Marina sich scheute, den Motor wieder zu starten. Aber sie musste weiter.

      Doch wohin jetzt mit dem Wagen? Sie könnte ihn vor dem Stadttor mit den glagolitischen Schriftzeichen abstellen. Es würde niemanden verwundern. Aber das Tor war vielleicht geschlossen wie im Mittelalter. Oder sollte sie ihn auf dem öffentlichen Parkplatz unterhalb des Friedhofs abstellen? Oder links um die Mauer zur unteren Seite von Hum fahren? Der Weg war inzwischen asphaltiert. Als sie das letzte Mal hier gewesen war, gab es dort nur einen unebenen Trampelpfad mit weißen Steinbrocken, die wie Gebeine von Riesen aus der Erde ragten. Andererseits, wenn sie den Wagen auf dem großen Parkplatz stehen ließ, würde er nicht weiter auffallen. In wenigen Stunden werden die Touristen kommen, um sich dieses Kleinod der mittelalterlichen Festungsarchitektur anzuschauen und dabei jedes Haus, jeden Blumentopf und jede Katze zu fotografieren, die ihnen über den Weg lief. Danach werden sie in der Konoba einen Kaffee trinken oder etwas essen, dabei die herrliche Aussicht genießen und wieder wegfahren. Das hatte sie bei ihrem ersten Besuch hier ja auch getan. Aber was, wenn der schicke Wagen doch jemandem auffiel und man die Polizei verständigte? Sehr bald würden in den Nachrichten und im Internet die Meldungen über den Brand in Ičići kommen.

      Im Osten schimmerte der Himmel in Zartrosa, Gelb und Orange. Die Morgendämmerung wich den Sonnenstrahlen, die am Horizont aufleuchteten. In den Tälern lagen silbrige Nebelschleier. Auf den Grashalmen glitzerten die Tautropfen wie Tränen. In den Wäldern ringsum zwitscherten die ersten Vögel.

      Marina fuhr nach links. Der schmale Schotterweg endete nach knapp hundert Metern. Sie stellte den Motor ab, nahm den Rucksack, stieg aus und drückte die Tür zu. Dann rannte sie an der Stadtmauer entlang und bog in die erste der zwei Gassen, in der Tante Alma wohnte. Die Häuser drückten sich aneinander, als würden sie sich gegenseitig wärmen wollen. So leise wie möglich lief sie über das bucklige Pflaster und blieb dann vor einem Häuschen auf der rechten Seite stehen. Die blaue Tür war von einer uralten Bougainvillea eingerahmt. Im kleinen Vorgarten wuchsen Lavendel und Kakteen und in einem Terrakottakübel blühte ein weißer Oleander.

      Marinas Hand zitterte, als sie an die Tür klopfte. Aber nichts rührte sich. Sie klopfte noch einmal, etwas lauter. Immer noch nichts. Sie drückte kurz auf die Klingel und zuckte zusammen, weil der scheppernde Ton so laut war, dass sie befürchtete, die Nachbarn könnten aus ihren Betten fallen.

      Während sie dastand, trippelte sie auf der Stelle. Ihre Blase drohte

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