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Die Sehnsucht der Kormorane. Silvija Hinzmann
Читать онлайн.Название Die Sehnsucht der Kormorane
Год выпуска 0
isbn 9783990471104
Автор произведения Silvija Hinzmann
Жанр Языкознание
Серия wtb Wieser Taschenbuch
Издательство Bookwire
Er konnte ihr auch nicht mehr helfen. Es war vorbei. Sie musste ihren Weg allein gehen. Keine Buße konnte ihre Sünden abwaschen, keine tausend Priester wären imstande, ihr Absolution zu erteilen. Wie auch? Das ganze Brimborium um Gott und Götter war eine Farce, ein Riesengeschäft seit dem Moment, als die Menschen sie in ihrer Furcht und Unwissenheit beim Anblick von Blitz und Donner, die vor ihren Höhlen und Behausungen wüteten, erschaffen hatten. Erschaffen mussten. Das Geschäft mit der Angst vor der geheimnisvollen Macht der Natur, vor Geistern und Gespenstern, vor Tod und Teufel und der Hölle funktionierte bis heute und lief wie geschmiert. Von ihr aus sollte jeder glauben, an was und wen er auch immer wollte.
Sie war durch die Hölle gegangen, aber die fürchtete sie nicht. Angst hatte sie nur vor jenen, die sie ausgenutzt, gequält und erniedrigt hatten und die dafür bezahlen würden. Die Hölle konnte ihr gestohlen bleiben.
Als sie wieder im Wagen saß, tippte sie die Adresse ins Navi ein und fuhr los. Sie musste ihr Ziel noch vor Tagesanbruch erreichen.
Vier
Der Benzinkanister lag unter einem wackeligen Plastiktisch in der Ecke des Schuppens. Karlović trug ihn zum Haus und schraubte den Verschluss auf.
»Hey, was machst du?«, fragte Viktor panisch.
»Siehst du doch. Gib mir den Schlüssel!«
Viktor tat es.
Karlović schloss die Tür auf und schüttete das Benzin auf die Treppe, über die Jacken an der Garderobe, auf den Steinboden in der Küche und den Teppich im Wohnzimmer. Dann ging er nach draußen, rannte ums Haus zum Pool neben der Terrasse und ließ dabei die Flüssigkeit aus dem Kanister laufen.
»Deine Maske!«, herrschte er Viktor an, der ihm fassungslos gefolgt war.
Viktor gab ihm das Ding.
Karlović zog seine Maske herunter, tränkte beide mit Benzin und kippte den Rest auf den Stapel Holzbohlen, die für die Terrasse geliefert worden waren. Dann warf er den Kanister achtlos zu Boden.
»Lauf zum Wagen, ich komme nach.«
»Mann, du bist komplett durchgeknallt.«
»Im Gegenteil, das nennt man Spurenbeseitigung. Solltest du auch nur eine Sekunde mit dem Gedanken spielen, mich zu verpfeifen oder abzuhauen, bist du ein toter Mann.«
Viktor schüttelte nur den Kopf.
»Verschwinde jetzt!«
Viktor rannte durch die finstere Allee zur Straße. Er war sicher, dass man seine Schritte hunderte Meter weit hören konnte. Aber das Rauschen des Blutes in seinen Ohren machte ihn fast taub. Wenn er jetzt die Polizei anriefe, könnte er den Irren vielleicht noch stoppen. Er war sicher, dass Karlović den Mann erschossen hatte. Wenn er Alarm schlug, würde man ihn als Mittäter verhaften. Nein, er konnte es nicht tun. Aber morgen, wenn Karlović hoffentlich fort war, würde er sich stellen.
Währenddessen zündete Karlović mit seinem Feuerzeug die Sturmmasken an und schleuderte sie in die Diele. Flammenzungen glitten wie Schlangen über den Steinboden zum Teppich im Wohnzimmer, rollten in die Küche und lechzten die Treppe hoch. Die Jacken an der Garderobe loderten hell auf. Im Nu fraßen sich die Flammen durch das ganze Haus. Als ihm der beißende Brandgeruch, die Hitze und der Rauch entgegenschlugen und den Atem raubten, wandte er sich ab, knallte die Tür zu und rannte los.
Viktor lief zum Wagen, sprang ans Steuer und fuhr zum Schotterweg vor. In diesem Moment explodierte die Gasflasche unter der Küchenspüle. Die Detonation war ohrenbetäubend, die Fensterscheiben zersplitterten, Klappläden barsten, Splitter schossen in alle Richtungen. Die dunkle Rauchwolke wand sich unheilvoll über den Flammen, die das Haus verschlangen.
»Was für ein verdammter Idiot!«, schrie Viktor, als er am Kiesweg hielt und dem Inferno zusah.
Die Beifahrertür wurde aufgerissen. Karlović stieg ein und schallte sich an.
»Mach die Scheinwerfer aus.«
»Du blutest«, sagte Viktor tonlos.
Karlović wischte sich mit der Hand übers Gesicht und schlug Viktor auf den Oberarm.
»Fahr endlich!«
Viktor schaltete die Scheinwerfer aus, gab Gas, bremste nach ein paar Metern ab und riss das Lenkrad nach links, um auf die Straße zu kommen. Um ein Haar hätte er die Straßenlaterne gerammt.
»Spinnst du?«, brüllte Karlović.
»Ich nicht!«
Hinter ihnen wütete das Feuer. Dachziegel krachten herunter, der Schuppen, die Bäume und die Lorbeerhecke gingen prasselnd in den Flammen zugrunde. Dicker Rauch verpestete die Luft, Funken flogen wild umher und die glühende Hitze stieg zum Himmel empor. In mehreren Häusern am Hang gingen die Lichter an. Eine Frau schrie von einem Balkon um Hilfe. Bei der Feuerwehr und dem Polizeirevier gingen die ersten Notrufe ein.
Fünf
Es ist eine seltsame Sache mit der Zeit, dachte Prohaska, als er mit einer Tasse Kaffee auf die Terrasse ging. An manchen Tagen zogen sich die Stunden wie zähes Karamell dahin und man konnte meinen, die Nacht würde niemals hereinbrechen. Und an anderen wunderte er sich, dass schon wieder zwei Stunden vergangen waren, ohne dass er es bemerkt hatte.
Aber im Grunde konnte ihm die Zeit egal sein. Hier musste er nicht nach der Uhr leben. Wie oft war er nach einem langen Tag erschöpft ins Bett gefallen, doch kaum, dass er eingeschlafen war, vom Wecker oder einem Anruf aus dem Schlaf gerissen worden, um ohne Frühstück ins Präsidium oder zu einem Tatort zu fahren? Und dabei musste er stets einen kühlen Kopf zu bewahren, seine Kolleginnen und Kollegen motivieren und unterstützen.
Wenn er an seinen letzten Einsatz dachte, bei dem er angeschossen wurde und sein Leben danach aus den Fugen geraten war, zog sich sein Magen zusammen. Dennoch musste er sich allen Widrigkeiten zum Trotz, die er damals zu bewältigen hatte, eingestehen, dass er seine Arbeit manchmal sehr vermisste. Schließlich hatte er seinen Dienst nicht freiwillig beendet, sondern wurde von einem durchgeknallten Typen von einer Sekunde zur anderen aus der Bahn katapultiert. Der Mann hatte sich nach einem heftigen Streit mit seiner Noch-Ehefrau mit der gemeinsamen fünfjährigen Tochter in der Wohnung verschanzt. Die Frau konnte zu den Nachbarn fliehen und die Polizei verständigen. Er drohte, das Kind und sich selbst zu erschießen, wenn die Frau nicht zu ihm zurückkehrte. Als sich herausstellte, dass der Mann aus dem ehemaligen Jugoslawien stammte, wurde Prohaska hinzugerufen. Er sollte versuchen, den Mann zur Aufgabe zu überreden. Doch der wurde noch wütender und beschimpfte Prohaska als Verräter. Als die Lage zu eskalieren drohte, stürmten sie die Wohnung. Der Mann saß auf der Couch und hielt das Kind fest. Prohaskas Kollege forderte ihn auf, die Waffe fallen zu lassen. Doch der Mann schoss sofort und der Kollege stürzte tödlich getroffen zu Boden. Der Mann sprang auf, das Kind riss sich los und rannte zu Prohaska, der in der Tür stand und das Kind nach draußen schob. Als er sich wieder umdrehte, stand der Mann da und zielte auf ihn. Sie schossen gleichzeitig. Der Mann kippte auf die Couch zurück. Prohaska hatte ihn am rechten Arm getroffen. Er selbst schlug mit dem Rücken gegen die Wand und sackte in sich zusammen. Weitere Polizisten stürmten herein, fixierten den Mann. Alle schrien durcheinander. Prohaska starrte auf sein linkes Bein. Überall war Blut. Er wurde ohnmächtig und wachte erst nach einer mehrstündigen Operation auf. Die Verletzungen waren schwer. Nach drei Wochen wurde er aus der Klinik entlassen und kam in die Reha. Danach folgte die Gerichtsverhandlung, bei der er freigesprochen wurde, da ihm die Richter Notwehr zubilligten. Aber arbeiten konnte er nicht. Er bekam Depressionen und wurde schließlich frühpensioniert. Die Kollegen riefen immer seltener an, er hing