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Die Sehnsucht der Kormorane. Silvija Hinzmann
Читать онлайн.Название Die Sehnsucht der Kormorane
Год выпуска 0
isbn 9783990471104
Автор произведения Silvija Hinzmann
Жанр Языкознание
Серия wtb Wieser Taschenbuch
Издательство Bookwire
Als er seinem Freund Ivo Horvat davon erzählte, schlug dieser vor, für einige Zeit nach Rovinj zu kommen. Prohaska wollte es sich überlegen. Doch nach einem Vierteljahr hielt er es nicht mehr allein in der Wohnung aus, stellte die Möbel in einem Lagerhaus unter, vermietete die Wohnung und fuhr nach Istrien. Die erste Zeit wohnte er bei Ivo und Miranda. Über einen Makler fand er ein altes Steinhaus in Kloštar. Er kaufte es sofort, renovierte es mit ein paar Handwerkern, die Ivo gefunden hatte, und als es fertig war, holte er einen Teil seiner Möbel aus Stuttgart ab. Da Ivos Fotoladen seit einiger Zeit nicht so gut lief und Prohaska sich auch nicht vorstellen konnte, den Rest seines Lebens untätig zu sein, bot er Ivo an, ihm finanziell zu helfen, und wurde sein stiller Teilhaber.
Prohaska hatte nie bereut, dass er nach Istrien gezogen war. Er war gerne Fotograf, war finanziell unabhängig und konnte tun und lassen, was er wollte. Und dennoch fehlten ihm die Aufregungen und Herausforderungen, die er früher bei der Polizeiarbeit gehabt hatte.
Das war wohl der Grund, warum er sich hier allzu leicht in irgendwelche Kriminalfälle hineinziehen ließ. Er war ein Polizist und würde es sein Leben lang bleiben, egal wo und wie er lebte.
Ivo sah diese Rückfälle nicht gern und machte sich Sorgen, dass Prohaska eines Tages in ernsthafte Schwierigkeiten geraten könnte. Und tatsächlich verspürte Joe seit seinem letzten »Fall« kaum noch Lust, sich als Privatermittler zu betätigen. Streng genommen war es ja illegal. Er hatte weder die Befugnisse eines Polizeibeamten noch eine Lizenz als Privatdetektiv. Deshalb hatte er diesbezügliche Anfragen, die man mehr oder weniger hinter vorgehaltener Hand an ihn gerichtet hatte, abgelehnt. Allerdings hatte er doch einmal der Bitte von Inspektor Rossi nachgegeben, ihn für eine gelegentliche Zusammenarbeit zu gewinnen.
Er trank einen Schluck Kaffee, zündete sich eine Zigarette an und versuchte, die trüben Gedanken zu verscheuchen.
So gut es eben ging.
Am Abend zuvor hatte er bis tief in die Nacht am Rechner gesessen und die unzähligen Fotos, die er von Hochzeiten, Kindergeburtstagen oder anderen Anlässen gemacht hatte, sortiert, bearbeitet oder gelöscht. Die besten auftragsfreien Aufnahmen hatte er auf einem Stick gespeichert. Die Sache mit dem geplanten Istrien-Bildband zog sich hin. Der Mann vom Verlag hatte beim letzten Telefonat versprochen, sich bald zu melden, aber das war auch schon wieder Wochen her. Prohaska nahm sich vor, ihm in den nächsten Tagen zu schreiben und zu fragen, ob er das Buch nun in sein Verlagsprogramm aufnehmen wollte oder nicht. Falls nicht, würde er sich nach einem anderen Verleger umsehen.
Mittlerweise konnte er sich die Aufträge als Fotograf aussuchen. Was ihm schon schmeichelte, da er sich immer noch als Amateur betrachtete. Nie hätte er gedacht, dass er auf seine alten Tage, wie er scherzhaft sagte, da er sich mit knapp Fünfzig absolut nicht alt fühlte, als Fotograf Karriere machen würde.
Ivo scheute keine Mühe, für Prohaska die Werbetrommel zu rühren. Eine Visitenkarte hier, ein Wort dort, reichten schon aus. Die Mundpropaganda funktionierte am besten, vor allem, wenn Ivo sagte, Joe Prohaska habe leider kaum Kapazitäten, doch es lasse sich bestimmt ein Termin finden. Er sei gerade bei einer Hochzeitsfeier, drüben in dem piekfeinen Fünf-Sterne-Hotel, die Eltern der Braut gehörten zu den oberen Zehntausend in Zagreb. Oder er sei bei der Einweihung der Niederlassung irgendeines Konzerns. Aber was solle man machen, Geld regiere nun mal die Welt. Die Zeiten seien schlecht, waren es schon immer gewesen, und man müsse zusehen, wo man bleibt. Doch das sagte Ivo nicht laut. Er deutete es lediglich mit ein paar Wortfetzen und Gesten an, das genügte, um bei den Leuten Eindruck zu schinden.
Überhaupt, dachte Prohaska und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus, waren die meisten Menschen leicht zu beeindrucken. Und Ivo war, was Prohaskas Person und seine Fotokunst betraf, zu einem Meister der Andeutungen geworden.
»Du bist ein Künstler und als solcher solltest du eine Aura haben und dein Image pflegen. Du musst geheimnisvoll und unnahbar wirken, vor allem gewissen Damen gegenüber, die dich anhimmeln oder sogar verführen wollen«, dozierte er, wenn sie in dem winzigen Hinterzimmer des Ladens, das als Warenlager und Kaffeeküche diente, Mokka schlürften und rauchten.
»Jetzt bleib aber auf dem Teppich«, hatte Prohaska amüsiert erwidert, als Ivo sich wieder einmal ausmalte, wie reich sie werden könnten, wenn Joe als der beste Portraitfotograf im Land, ja in ganz Europa, berühmt würde und ihn die Reichen und Schönen, oder Filmstars aus Hollywood, die mit ihren dicken Autos und Jachten nach Rovinj kamen, engagierten. Oder das englische Königshaus selbst riefe nach ihm. Prohaska hatte schallend gelacht und versprach, mit aller ihm zur Verfügung stehenden Geisteskraft an seiner Aura und dem Image zu arbeiten.
»Aber die Sache mit dem englischen Königshaus kannst du vergessen. Erstens hat die Queen ihren eigenen Hoffotografen, und zweitens bin ich nicht interessiert.«
Er hatte den Satz leicht durch die Nase gesprochen, eine Augenbraue gehoben und dabei eine unsichtbare Fussel von seinem Jackenärmel geschnippt.
Ivos Herz schlug zwar in alter Familientradition links, aber insgeheim bewunderte er den englischen Hochadel und dessen unermesslichen Reichtum. Schade fand er nur, dass sich die Engländer derzeit vom Kontinent distanzierten und aus der Europäischen Union aussteigen wollten, die ihr Premier Churchill nach dem Zweiten Weltkrieg doch selbst angeregt hatte.
Nachdem sich Bello im Garten ausgetobt hatte, rannte er in die Küche und schlabberte sein Futter in Windeseile auf. Prohaska ging ins Badezimmer und stellte sich unter die Dusche. Aber kaum, dass er sich eingeseift hatte, klingelte sein Handy, das auf dem Toilettendeckel lag. Prohaska ließ es einfach klingeln. Eine Minute später lärmte das Ding schon wieder.
Prohaska drehte das Wasser ab und meldete sich.
»Hey, guten Morgen, habe ich dich etwa geweckt?«, fragte Ivo gut gelaunt.
»Nein, nein, ich war nur schnell unter der Dusche.« Prohaska stieg aus der Duschkabine und wickelte sich in ein Handtuch ein. »Was gibt es?«
»Du hast einen neuen Auftrag.«
»Schön, aber hat es nicht Zeit bis später?«
»Klar, ich war nur neugierig, wie lange du schläfst.«
»Ich bin seit Stunden auf. Was ist es für ein Auftrag?«
»Eine Frau hat angefragt, ob du zwei oder drei Tage Zeit hättest, eine Gruppe von Geschäftsleuten zu begleiten. Sie kommen übermorgen nach Pula und wollen sich nach dem offiziellen Teil Istrien ansehen. Nur die wichtigsten Orte. Du kannst die Route selbst bestimmen und sollst dabei Fotos für ihre Webseite machen.«
»Aha, und wie kommt die ausgerechnet auf mich?«
»Ein Bekannter, der mal hier auf Urlaub war, hat dich empfohlen. Aber du kannst die Leute selbst fragen, wenn sie da sind. Ich habe ihr jedenfalls einen angemessenen Tagessatz genannt, plus Spesen und eventuelle Übernachtungskosten. Die Frau sagte, wenn alles zu ihrer Zufriedenheit läuft, sei das okay.«
Prohaska sagte nichts dazu.
Er trocknete sich ab und ging ins Schlafzimmer. Je länger er Ivo zuhörte, desto weniger Lust hatte er, mit irgendwelchen Geschäftsleuten durch die Gegend zu fahren und den Fremdenführer zu spielen. Andererseits, sagte er sich, während er Unterwäsche und Socken aus dem Schrank kramte und sich anzog, könnten sie das Geld gut gebrauchen.
»Wann kommen sie denn genau an und wo treffe ich sie?«
»Sie schickt mir noch die Infos und Kontaktdaten per E-Mail. Ach ja, ihr schien es sehr wichtig