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Und flog zu seinem Mütterlein

       Mit schnellem Flügelschlagen.

      »O Mutter, rief er, Mutter ach!

       Mir ist so weh und bange:

       Ich werde sterben, denn mich stach

       Gar eine böse Schlange.

      »Geflügelt ist das gift’ge Thier,

       Du wirst es sicher kennen: –

       Es ist dasselbe, das allhier

      »Doch Cypris sprach: Wenn Du, mein Sohn,

       Empfindest solches Wehe

       Vom Stachel einer Biene schon, –

       Dann, liebes Kind, gestehe,

      »Wie muß es erst dem Menschen sein

       Mit Deinem Pfeil im Herzen:

       Ach, Eros, das ist eine Pein,

      »Ist mein Lied nicht schön?« – lachte das Mädchen. »O, wie dumm doch der kleine Eros ist, eine Biene für eine geflügelte Schlange zu halten! Die Großmutter sagt, sie wisse noch eine Strophe dieses Gesanges, den der große Dichter Anakreon erdacht hat; sie wolle mich die aber noch nicht lehren. Sage, Melitta, was mag die Strophe wohl enthalten? – Du lächelst? Liebe, einzige Melitta, singe mir das Verschen vor! Oder kennst Du es nicht? Nein? Dann freilich kannst Du’s mich nicht lehren.«

      »Das ist ein ganz neues Lied,« erwiederte die Alte, den Bitten ihres Lieblings wehrend, »und ich kenne nur die Gesänge aus der alten guten Zeit. Aber was ist das? Hörtest Du nicht dort an der Pforte den Klopfer gehen?«

      »Freilich, und mir war’s auch, als hätt’ ich den Hufschlag eines Pferdes auf der Straße vernommen. Da klopft es wieder! Sieh’ nach, wer zu so früher Stunde Einlaß begehrt. Vielleicht ist der gute Phanes gestern dennoch nicht abgereist und will uns noch einmal Lebewohl sagen.«

      »Phanes ist fort,« entgegnete die Alte ernster werdend. »Rhodopis hat mir befohlen, Dich in’s Haus zu schicken, wenn Besuch kommen sollte . . . Geh’, Mädchen, damit ich die Pforte öffnen kann. Geh’, da klopft es wieder!«

      Sappho that, als liefe sie dem Hause entgegen; statt aber dem Befehle ihrer Wärterin zu folgen, versteckte sie sich hinter ein Rosengebüsch, um von dort aus den frühen Besuch in Augenschein zu nehmen. – Man hatte ihr die Vorgänge des gestrigen Abends, um sie nicht umsonst zu ängstigen, verheimlicht, und Sappho war gewohnt, in so früher Stunde nur die vertrautesten Freunde ihrer Großmutter erscheinen zu sehen.

      Melitta öffnete die Pforte des Gartens, und führte bald darauf einen blondlockigen, reich geschmückten Jüngling in denselben ein.

      Sappho, erstaunt über die ihr fremde Tracht und die große Schönheit des persischen Königssohnes, – denn dieser war der frühe Besucher, – rührte sich nicht von ihrem Platze und konnte ihre Augen nicht von seinem Angesichte wenden. Gerade so hatte sie sich den schönlockigen Apollo, den Führer des Sonnenwagens und der Musen, vorgestellt.

      Melitta und der Fremde näherten sich ihrem Verstecke; sie aber drängte das Köpfchen zwischen den Rosen hervor, um den Jüngling, welcher freundlich, aber in gebrochenem Griechisch zu der alten Sklavin sprach, besser verstehen zu können.

      Jetzt vernahm sie, daß er sich in einer gewissen Hast nach Krösus und dem Sohne desselben erkundigte. Dann hörte sie auch zum Erstenmale von der alten Sklavin Alles, was sich am gestrigen Abende zugetragen hatte. Sie zitterte für Phanes, sie dankte in ihrem Herzen dem edlen Gyges, sie fragte sich, wer dieser königlich geschmückte Jüngling sein möge. Wohl hatte ihr Rhodopis von den Heldenthaten des Cyrus, vom Sturze des Krösus, von der Macht und dem Reichthume der Perser erzählt; bis dahin hatte sie aber die Asiaten für ein wildes, rohes Volk gehalten. Je länger sie nun den schönen Bartja anschaute, je höher wuchs ihre Theilnahme für die Perser. Als sich endlich Melitta entfernte, um ihre Großmutter zu wecken und ihr den frühen Besuch zu melden, wollte sie ihr folgen; Eros aber, der thörichte Knabe, über dessen kindliche Unwissenheit das Mädchen noch vor wenigen Minuten gespottet hatte, wollt’ es anders. Ihr Gewand verfing sich in den Dornen der Rosen, und ehe sie sich von ihnen los machen konnte, stand ihr der schöne Perser bereits gegenüber und half der hocherröthenden Jungfrau ihr Kleid von dem verrätherischen Strauche zu befreien.

      Sappho vermochte kein Wort des Dankes zu sagen und schlug, schämig lächelnd, die Augen nieder.

      Bartja, der sonst so übermüthige Knabe, blickte stumm und gleich ihr erröthend auf sie herab.

      Dieses Schweigen dauerte aber nur kurze Zeit, denn das Mädchen, welches sich bald von ihrem Schrecken erholt hatte, lachte auf einmal in kindlichem Ergötzen über den stummen Fremdling und die Seltsamkeit ihrer Lage hell und fröhlich auf und floh, gleich einem gescheuchten Reh, dem Hause zu.

      Jetzt kehrte auch dem Perser seine natürliche Unbefangenheit wieder. In zwei Sätzen hatte er das Mädchen erreicht. Schnell wie der Gedanke faßte er ihre Hand und behielt sie, trotz alles Sträubens, fest in der seinen.

      »Laß mich los!« bat Sappho, halb ernst, halb lächelnd ihre dunklen Augen zu dem Jüngling erhebend.

      »Wie sollt’ ich!« antwortete dieser. »Ich habe Dich von dem Rosenstrauche gepflückt und halte Dich fest, bis Du mir, statt Deiner, Deine Schwester dort an Deinem Busen zum Andenken mitgibst in meine ferne Heimath.«

      »Bitte, laß mich los,« wiederholte Sappho. »Ehe Du meine Hand nicht frei gibst, geh’ ich auf gar keine Verhandlungen ein.«

      »Wirst Du aber auch nicht wieder fortlaufen, wenn ich Deinen Wunsch erfülle?«

      »Gewiß nicht!«

      »Nun, so schenke ich Dir die Freiheit; aber jetzt mußt Du mir auch Deine Rose geben!«

      »Dort drüben am Strauche sind weit schönere. Pflücke Dir eine; was willst Du gerade mit dieser hier?«

      »Sie als Erinnerung an die schönste Jungfrau, welche ich jemals gesehen habe, sorglich bewahren.«

      »Nun geb’ ich Dir die Rose gar nicht, – denn wer mir sagt, ich sei schön, der meint es schlecht mit mir; – wer mir aber sagt, ich sei gut, der will mir wohl!«

      »Wer hat Dich das gelehrt?«

      »Meine Großmutter, Rhodopis.«

      »Wohl denn, so sage ich Dir, Du bist das beste Mädchen auf der ganzen Welt.«

      »Wie magst Du solche Dinge reden, da Du mich doch gar nicht kennst! O, ich bin manchmal recht böse und ungehorsam! Wär’ ich brav, so würd’ ich jetzt, statt mit Dir zu plaudern, in unser Haus zurückgehen, wie sich’s ziemt. Die Großmutter hat mir streng verboten, im Garten zu bleiben, wenn Fremde da sind, und ich mache mir auch nichts aus den vielen Männern, die stets von Dingen reden, die ich nicht verstehe.«

      »So wünschtest Du wohl auch, daß ich mich wieder entfernte?«

      »Ach nein, Dich verstehe ich ja ganz gut, wenn Du auch lange nicht so schön zu reden weißt, wie zum Beispiel Ibykus oder der arme Phanes, der gestern, wie ich erst vorhin von Melitta hörte, so jämmerlich fliehen mußte.«

      »Hattest Du ihn lieb?«

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