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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie
Год выпуска 0
isbn 9788075836854
Автор произведения Georg Ebers
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Bescheidenere Bürger wurden schneller mit ihren Bestellungen fertig, doch war es nichts Ungewöhnliches, daß sie für die Mumisirung eines Familienhauptes, des Vaters oder der Mutter, die Einkünfte eines ganzen Jahres opferten.
Die Mumisirung der Armen war billig und die der Aermsten hatten die Kolchyten als Abgabe an den König, dem sie auch Leinwand aus ihren Webereien zu steuern verpflichtet waren, zu besorgen.
Dieses Geschäftslokal des Mumisirungshauses war sorgfältig getrennt von den übrigen Theilen der Anlage, zu denen Nichtbetheiligten der Zutritt auf's Strengste untersagt war. Die Kolchyten bildeten eine fest geschlossene Zunft, der einige Priester, aus deren Mitte der Leiter der viele Tausende zählenden Genossenschaft gewählt wurde, vorstanden. Diese Letzteren waren wohl angesehen, auch die mit dem eigentlichen Balsamirungswerke betrauten Taricheuten durften sich unter den anderen Bürgern sehen lassen, obgleich man ihnen in Theben immerhin mit einiger Scheu aus dem Wege ging; nur die Paraschiten, denen das Oeffnen der Leichen oblag, belastete der volle Fluch der Unreinheit.
Freilich war die Stätte der Thätigkeit dieser Leute unheimlich genug.
Der steinerne Saal, in dem man die Körper öffnete, und die Hallen, in denen sie gesalbt wurden, waren verbunden mit mancherlei Präparirräumen, Laboratorien und Niederlagen von Droguen jeder Art.
In einem nur von einem Schirmdach aus Palmenzweigen vor den Sonnenstrahlen geschützten Hofe befand sich ein großes ausgemauertes Bassin mit einer Natronlösung, in der die Körper gesalzen wurden; in einem steinernen Tunnel trocknete man sie in künstlich erzeugter heißer Zugluft.
Die Webereien wie die Werkstätten der Sargtischler und Lackirer lagen in zahlreichen kleinen Holzhäusern in der Nähe der Modellräume, weit abgelegen von den letzteren aber das allergrößte unter den zahlreichen Gebäuden dieser Anlage, das zwar niedrige, doch unabsehbar lange, massive und fest bedachte Steinhaus, in welchem die fertig präparirten Körper mit den Binden umwickelt, mit Amuleten ausgeschmückt und für den Weg in die andere Welt fertig gemacht wurden. Was im Innern dieses Gebäudes, in welches die Laien, aber immer nur auf kurze Minuten, eingelassen wurden, vorging, war im höchsten Grade befremdlich, denn hier schienen sich die Götter selbst an den irdischen Leibern thätig zu erweisen.
Aus den der Straße zugewandten Fensteröffnungen schollen Tag und Nacht Recitationen, Hymnen und Klagerufe. Die hier beschäftigten priesterlichen Beamten trugen die Masken der Götter der Unterwelt. 160 Vielfach vertreten war ein Anubis mit dem Kopfe eines Schakals, den Knaben mit den Gesichtern der sogenannten Horuskinder bei seiner Arbeit unterstützten. Zu Häupten und Füßen jeder Mumie stand oder hockte je ein Klageweib, dieses mit dem Embleme der Göttin Nephthys, jenes mit dem der Isis auf dem Haupte.
Jedes einzelne Glied des Verstorbenen wurde mit Hülfe von heiligen Oelen, Amuleten und Sprüchen einer bestimmten Gottheit zugeschrieben. Für die Umhüllung jeder Muskel war ein besonders zubereitetes Zeugstück bestimmt, jede Drogue und jede Binde sollte einer Gottheit ihren Ursprung verdanken und das Durcheinander der Gesänge, der verkleideten Gestalten und verschiedenartigen Wohlgerüche an dieser Stelle wirkte betäubend auf die Sinne der Besucher dieses Raumes.
Es versteht sich von selbst, daß die gesammte Balsamirungsstätte und ihre Nachbarschaft im weitesten Kreise von kräftigen Harzgerüchen, süßen Rosenöl-, unvertilgbaren Moschus- und scharfen Spezereidüften umhüllt ward.
Wenn der Wind von Südwesten her wehte, so führte er sie zu Zeiten über den Nil nach Theben hinüber, und das ward für ein übles Vorzeichen angesehen, und mit Recht, denn von Südwesten her wehte der die Thatkraft der Menschen lähmende und die Karawanen gefährdende Wüstenwind.
Im Hofe vor dem Modellhause standen mehrere Gruppen von Bürgern aus Theben, um einzelne Personen geschaart, denen sie ihr Beileid aussprachen. Ein neuer Ankömmling, der Vorsteher der Schlachtopfer des Amonstempels, der Vielen bekannt zu sein schien und mit Ehrerbietung begrüßt ward, berichtete, eh' er der Wittwe des Propheten Rui sein Beileid bezeugte, ganz erfüllt von der Furchtbarkeit des Geschehenen, daß ein Unheil bedeutendes Zeichen sich drüben in Theben an keiner geringern Stätte, als in dem Tempel des Königs der Götter selbst, ereignet habe.
Viele neugierige Lauscher umstanden ihn, als er erzählte, daß der Statthalter Ani in der Freude über den Sieg seiner nach Aethiopien ansgesandten Truppen unter die Garnison von Theben und auch unter die Wachtmannschaften des Amonstempels Wein in Fülle habe vertheilen lassen und daß, während die Leute geschmaust hätten, Wölfe 161 in den Stall der heiligen Widder des Gottes gebrochen wären. Einige waren dem Tode entgangen; den herrlichen Widder aber, welchen Ramses selbst aus Mendes 162 zum Geschenk gesandt hatte, als er in den Krieg zog, das edle Thier, welches Amon zur Wohnung seiner Seele auserwählt hatte, 163 war zerrissen von den Soldaten, die die Stadt sogleich mit der Trauerkunde erschreckten, vorgefunden worden. In derselben Stunde war aus Memphis die Kunde eingetroffen, daß der heilige Apisstier gestorben sei.
Die um den Vorsteher der Schlachtopfer versammelten Leute erhoben sofort ein weithin tönendes Klagegeschrei, in welches dieser selbst und die Wittwe des Propheten Rui lebhaft einstimmten.
Aus dem Modellhause traten die Verkäufer und Beamten, aus den Munisirungshallen die Taricheuten, Paraschiten und Handlanger, aus den Webereien die Arbeiter und Arbeiterinnen mit ihren Vorstehern hervor und alle betheiligten sich, sobald sie erfahren hatten, was sich ereignet habe, an der Klage, schrieen und heulten, bestreuten ihr Haar und bestrichen ihre Stirnen mit Staub.
Der Lärm war wild und sinnverwirrend.
Als seine Heftigkeit nachließ und die Klagenden wieder an ihr Geschäft gingen, konnte man deutlich den vom lebhaften Ostwinde hieher getragenen Jammer der Nekropolenbewohner, vielleicht sogar der Bürger von Theben vernehmen.
»Ueble Nachrichten,« sagte der Vorsteher der Schlachtopfer, »vom Könige und dem Heere werden nun nicht auf sich warten lassen; der Tod des Widders, den wir mit seinem Namen belegten, wird von Ramses noch tiefer beklagt werden, als der Hingang des Apis. Ein böses, böses Zeichen!«
»Mein verstorbener Gatte, der Osiris Rui,« sagte die Wittwe, »hat das Alles vorhergesehen. Wenn ich nur sprechen dürfte, so könnt' ich Manches verkünden, was Vielen nicht lieb sein möchte.«
Der Vorsteher der Schlachtopfer lächelte, denn er wußte, daß der Prophet des Hatasutempels dem alten Königshause angehangen hatte, und gab zurück:
»Die Sonne Ramses kann wohl von Wolken verdeckt werden, aber ihren Untergang werden weder Diejenigen erleben, welche ihn fürchten, noch Diejenigen, welche ihn herbeiwünschen.«
Der Priester grüßte kühl und betrat das Haus der Weber, in dem er zu thun hatte, und die Wittwe bestieg ihre an der Pforte harrende Sänfte.
Der alte Paraschit Pinem hatte mit seinen Genossen den Tod der heiligen Thiere beklagt und saß jetzt in dem Sektionssaale auf dem harten Estrich, um einen Imbiß zu sich zu nehmen, denn es war Mittag geworden.
Das steinerne Gemach, worin er seine Mahlzeit verzehrte, war schlecht beleuchtet; es empfing sein Licht durch eine kleine Oeffnung im Dache, über welcher die Mittagssonne senkrecht stand und ein Bündel von glänzenden Strahlen, in denen wirbelnde Stäubchen ihr Spiel trieben, durch den dämmerigen Raum auf das graue Steinpflaster herniederschoß. An allen Wänden lehnten Mumienkästen und auf glatt polirten Tischen lagen mit groben Tüchern bedeckte Körper. Ueber den Estrich huschte dann und wann eine Ratte und aus den breiten Fugen der Steinplatten, die den Boden bedeckten, krochen träge Skorpione hervor.
Der alte Paraschit war längst abgestumpft gegen die Schauer, welche diese Stätte umgaben. Er hatte ein grobes Tüchlein vor sich hingebreitet und legte die Speisen, die ihm seine Frau in den Vorrathsbeutel gesteckt hatte, bedächtig nieder; erst einen halben Brodkuchen, dann ein wenig Salz, und dann einen Rettig.
Aber das Säckchen war noch nicht leer.
Er griff hinein und fand ein in zwei Kohlblätter gewickeltes Stück Fleisch. Die alte Hekt hatte für Uarda einen Gazellenschinken aus Theben mitgebracht und er sah nun, daß