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leichter ohne Führer, als im Dunkeln. Wir sind den Amonspriestern gewachsen!«

      »So lange Du uns führst, sicherlich!« rief der Horoskop.

      »Und so lange es diesem Hause nicht an Männern fehlt von eurem Geiste,« fügte Ameni hinzu und wandte sich dabei halb an den Horoskopen, halb an den zweiten Propheten des Setihauses, den alten derben Gagabu, welcher zu ihnen hingetreten war.

      Beide begleiteten ihn in den Garten, woselbst die beiden Priester mit dem wunderbaren Herzen auf ihn warteten.

      Ameni begrüßte den Vorsteher der Schlachtopfer vom Amonshause mit würdiger Freundlichkeit, den Kolchytenoberen mit vornehmer Zurückhaltung, ließ sich von ihnen Bericht erstatten, betrachtete mit dem Horoskopen und Gagabu das in dem Kästchen ruhende Herz, faßte es mit seinen schlanken spitzen Fingern zaghaft an, blickte nachdenklich auf das mit Spezereien begossene weithin duftende Organ und sagte ernst:

      »Wenn dieß, wie Du, Kolchyt, behauptest, kein Menschenherz, sondern wie Du, mein Bruder vom Amonshause, versicherst, ein Widderherz ist und es in der Brust des Osiris Rui gefunden ward, so stehen wir hier vor einem Räthsel, das nur die Gottheit zu lösen vermag. Folgt mir in den großen Hof! Laß Du das Blech schlagen, Gagabu, viermal, denn ich möchte die Genossen alle zusammenrufen.«

      In kräftigen Schwingungen wogte der Schall des Tamtam bis in die fernsten Theile der weitausgedehnten Gebäudegruppe. Die Eingeweihten, heiligen Väter, Tempeldiener und Schüler strömten in wenigen Minuten zusammen. Kein Gesunder fehlte, denn auf den nur selten erklingenden viermaligen Ruf war ein jeder Bewohner des Hauses verpflichtet, im ersten großen Hofe des Tempels zu erscheinen. Auch der Arzt Nebsecht war gekommen, denn er fürchtete, als er den ungewöhnlichen vierten Ton vernahm, ein Feuer sei ausgebrochen.

      Ameni gab den Versammelten den Befehl, sich in Prozession zu ordnen, theilte seinen erstaunten Hörern mit, daß sich in der Brust des verstorbenen frommen Vorstehers des Hatasutempels ein Widderherz statt eines Menschenherzens gefunden habe, und forderte sie auf, ihm zu folgen. Ein Jeder, gebot er, möge auf die Kniee sinken und beten, während er das Herz in das Allerheiligste tragen und die Götter befragen wolle, was dieses Wunder ihren Getreuen bedeute.

      Ameni trat, mit dem Herzen in der Hand, an die Spitze des langen Zuges und verschwand hinter dem Vorhange des Sanktuariums, die Eingeweihten beteten in der von sechs Säulen getragenen Halle vor demselben, die Priester und Schüler in dem weiten Hofe, den nach Westen zu der stattliche Säulengang mit dem Eingangsthore des Tempels abschloß.

      Wohl eine Stunde blieb Ameni in dem stillen Sanktuarium, aus dem dichte Weihrauchswolken hervorquollen, dann zeigte er sich wieder mit einer goldenen mit Edelsteinen besetzten Vase.

      Seine hohe Gestalt prangte jetzt in reichem Ornate und ein vor ihm her schreitender Priester hielt das Gefäß mit beiden Händen so hoch, daß es seinen Scheitel weit überragte.

      Ameni's Augen schienen von der Vase gebannt zu sein und er folgte ihr, sich auf seinen Krummstab stützend, in demüthiger Beugung.

      Die Eingeweihten neigten ihre Stirn bis auf die Steinfliese der Halle und die Priester und Schüler berührten den Boden mit dem Angesichte, als sie ihren stolzen Meister so demuthsvoll und andächtig einherschreiten sahen. Erst nachdem Ameni die Mitte des Hofes und die Stufen des Altars betreten, auf dem nun die Vase mit dem Herzen Platz gefunden hatte, erhoben sich die Beter und lauschten auf die Worte des Oberpriesters, welcher mit weithin vernehmbarer Stimme gemessen und feierlich ausrief:

      »Fallet nieder zum andern Male! Staunet, betet an und danket! Den edlen Vorsteher der Opferschlächter vom Tempel des Amon in Theben hat seine Kunst nicht betrogen, denn ein Widderherz ward gefunden in unseres Rui frommer Brust. Deutlich vernahm ich im Allerheiligsten die Stimme der Gottheit, und wunderbar war die Rede, welche dieses Ohr vernahm. Wölfe zerrissen den heiligen Widder des Amon in seinem Heiligthum am andern Ufer des Stroms; das Herz des göttlichen Thieres aber fand seinen Weg in die Brust des frommen Rui. Ein großes Wunder ist geschehen und ein seltenes Zeichen ließen die Götter uns schauen. Ungenehm war der Seele des Höchsten die Wohnung im Leibe dieses nicht völlig heiligen Widders und sie suchte ein reines Gesäß und fand es in unseres Rui edler Brust und in diesem geweihten Gefäße. Darin wird das Herz aufbewahrt bleiben, bis ein neuer Widder, von würdiger Hand gestiftet, die Hürde des Amon betritt. Zu den heiligsten Reliquien werde dieses Herz gestellt, es besitzt die Kraft, gar manchen Kranken zu heilen; und günstig zu sein scheint der vorbedeutende Spruch, der im Dampfe des Weihrauchs geschrieben stand und welchen ihr hören sollt Wort für Wort: ›Das Hohe steigt höher, und was sich erhöhte, bald stürzt es hernieder.‹ Auf, Pastophoren! Eilt zu den heiligen Bildern, tragt sie heraus, stellt das göttliche Herz an die Spitze des Zuges und laßt uns mit Lobgesängen den Tempel umwallen. Ihr Neokoren, ergreift die Stäbe und kündet in allen Theilen der Stadt das hohe Wunder, mit dem uns die Gottheit begnadigt!«

      Nachdem die Prozession den Tempel umgangen und sich aufgelöst hatte, verabschiedete sich der Vorsteher der Opferschlächter von Ameni, verneigte sich tief und förmlich vor ihm und sagte mit beinahe feindseliger Kühlheit:

      »Wir werden im Amonstempel das, was Du im Allerheiligsten vernahmst, zu achten wissen. Das Wunder ist geschehen und auch der König soll erfahren, wie es verlief und mit welchen Worten es verkündigt wurde.«

      »Mit den Worten des Höchsten,« entgegnete der Oberpriester würdevoll, neigte sich vor dem Andern und wandte sich einer Gruppe von Priestern zu, die sich über das große Ereigniß des Tages unterredeten.

      Ameni erkundigte sich bei ihnen nach den Vorbereitungen zum morgenden Feste und befahl dann den ersten der Horoskopen zu rufen und die aufrührerischen Zöglinge in ihren Schulhof zu führen.

      Der Greis berichtete, daß Pentaur zurückgekehrt sei, und folgte dem Leiter der Anstalt zu den befreiten Gefangenen, die, auf das Schlimmste gefaßt und schwerer Strafen gewiß, sich vor Lachen schüttelten, als der Prinz Rameri den Vorschlag machte, wenn sie etwa auf Erbsen zu knieen verurtheilt werden sollten, diese zuerst kochen zu lassen.

      »Es gibt lange Spargel, 167 nicht Erbsen,« sagte ein anderer Schüler, machte eine schlagende Bewegung und wies auf seinen Rücken.

      Von Neuem erscholl helles Gelächter; aber es verstummte, sobald Ameni's wohlbekannter Schritt sich hören ließ. –

      Jeder fürchtete das Schlimmste, und als ihnen der Oberpriester gegenüberstand, war selbst Rameri das Lachen völlig vergangen, denn obgleich Ameni weder empört noch drohend dreinschaute, so war doch seine Erscheinung so Achtung gebietend, daß Jeder in ihm ohne Weiteres seinen Richter, gegen dessen Urtheil kein Widerspruch denkbar erschien, anerkannte.

      Zu ihrem Erstaunen redete Ameni die unbedachtsamen Jünglinge gütig an, lobte den Beweggrund zu ihrer That, die Anhänglichkeit an einen hochbegnadigten Lehrer, führte ihnen aber dann klar und maßvoll vor die Seele, mit wie thörichten Mitteln und um welchen Preis sie ihr Ziel zu erreichen versucht hätten. »Denke nur,« wandte er sich an den Prinzen, »Dein hoher Vater versetzte einen General, der ihm dort besser am Platze zu sein schien, von Syrien nach Kusch, und seine Truppen wollten deßwegen zum Feinde übergehen! Wie würde Dir das gefallen?«

      So fuhr er einige Minuten lang zu tadeln und zu ermahnen fort und schloß dann seine Rede mit der Verheißung, wegen des großen Wunders, das diesem Tage eine besondere Weihe gäbe, ungewöhnliche Milde walten zu lassen. Um des Beispieles willen, sagte er, dürfe volle Straflosigkeit nicht gewährt werden, und er frage sie nun selbst, wer der Anstifter ihrer That gewesen sei. Dieser und nur dieser allein solle der Strafe verfallen.

      Kaum hatte er ausgeredet, als der Prinz Rameri hervortrat und bescheiden sagte:

      »Wir sehen ein, heiliger Vater, daß wir einen thörichten Streich begangen haben, und ich bedaure ihn doppelt, weil ich ihn ersann und die Anderen mir zu folgen verführte. Pentaur ist mir sehr lieb und nach Dir gibt es Keinen, der ihm gleich wäre im Setihause.«

      Ameni's Antlitz verfinsterte sich und unwillig erwiederte er.

      »Den Schülern steht kein Urtheil zu über ihre Lehrer, auch Dir nicht. Wärest Du nicht der Sohn des Königs, der über Aegypten herrscht wie Ra, so würd'

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