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Zeit lang schweigend zu Boden und fragte dann:

      »Sprichst Du die Wahrheit?«

      »Ja,« antwortete der Arzt mit überzeugender Bestimmtheit.

      »Das freut mich,« sagte der Alte, »denn Du leihst auch den Armen Deine Hülfe.«

      »So gern wie den Reichen! Nun aber sage, wem nahmst Du das Herz?«

      »Ich kam in das Haus der Balsamirer,« begann der Greis, nachdem er einige große Feuersteine vor sich hingelegt hatte, um ihnen durch kunstgerechtes Behauen die Gestalt von Messern zu geben. »Ich kam also in das Haus der Balsamirer und fand da drei Leichen, in die ich mit meinem Steinmesser die acht vorgeschriebenen Einschnitte zu machen hatte. Wenn die Todten so daliegen, unbekleidet, auf der Holzbank, dann sehen sie einander alle gleich und der Bettler hält mir so still wie der leibliche Sohn eines Königs.

      »Aber ich wußte wohl, wer da vor mir lag. Der starke, alte Körper in der Mitte des Tisches gehörte dem verstorbenen Propheten des Hatasutempels an, abseits dicht neben einander ruhte ein Steinmetz aus der Nekropole und eine an Lungensucht verstorbene Dirne aus dem Fremdenviertel, zwei elende, abgezehrte Gestalten. Den Propheten hatte ich wohl gekannt, denn hundertmal war er mir in seiner goldenen Sänfte begegnet, und sie nannten ihn immer den reichen Rui. Ich that meine Pflicht an den Dreien, man vertrieb mich mit den üblichen Steinwürfen und ich ordnete dann mit den Gefährten ihre inneren Theile. Die des Propheten sollten später in schönen Kanopen 150 von Alabaster verwahrt, die des Steinmetzen und der Dirne in ihre Körper zurückgelegt werden. Nun fragte ich mich: Wem thu' ich das Leid und nehm' ihm sein Herz? Ich ging zu den Armen und näherte mich rasch der sündigen Dirne. Da hört' ich die Stimme eines Dämon, der meinem eigenen Herzen zurief: Das Mädchen war arm, verachtet und elend wie Du, so lange sie wandelte auf dem Rücken des Seb; 151 vielleicht wird sie Billigung finden und Freude in jener Welt, wenn Du sie ihr nicht freventlich raubst! Und als ich auf des Steinmetzen magern Leib und seine Hände schaute, die schwieliger waren als meine, da flüsterte mir der Dämon das Gleiche zu. Nun stellt' ich mich vor den fleischigen Leib des am Schlagfluß verstorbenen Propheten Rui und ich dachte an die Ehren und den Reichthum, die er auf Erden genossen, und daß er doch wenigstens einmal viel Glück und Freuden erfahren. Da faßt' ich, sobald ich allein war, schnell in den Beutel und vertauschte das Hammelherz mit dem seinen.

      »Vielleicht bin ich doppelt schuldig, weil ich solches verruchte Spiel mit dem Herzen eines Propheten getrieben; aber sie werden des reichen Rui Leiche mit hundert Amuleten behängen, Scarabäen 152 an Stelle seines Herzens stecken und ihn mit heiligem Oel und guten Schriften vor allen Feinden auf den Pfaden der Amenti schützen, während den Armen Niemand hülfreiche Talisman weihen wird. Und dann! Du hast mir's geschworen, in jener Welt, in der Halle des Gerichts, meine Schuld auf Dich zu nehmen.«

      Nebsecht reichte dem Alten die Hand und sagte:

      »Das that ich, und ich würde wie Du gewählt haben. Nimm nun dieses Wasser, theil' es in vier Theile und reiche Uarda je einen von ihnen vier Abende hinter einander. In den medizinischen Papyrus sehr häufige Vorschrift. Beginne gleich heute; schon übermorgen, denk' ich, wird sie gesund sein. Ich komme bald wieder und sehe nach ihr. Jetzt gehe zur Ruhe und gönn' wir hier draußen ein Plätzchen. Eh' der Isisstern erloschen ist, brech' ich auf, denn sie erwarten mich schon lange im Setihause.«

      Als der Paraschit am folgenden Morgen in's Freie trat, war der Arzt verschwunden, aber ein bei der Feuerstelle liegendes Tuch mit einem großen Blutflecke lehrte den Alten, daß der ungeduldige Nebsecht in der vergangenen Nacht das Herz des Propheten untersucht und wahrscheinlich zerschnitten habe.

      Grausen erfaßte ihn und mit schwerer Seelenangst warf er sich auf die Kniee, als der Sonnengott in seiner goldenen Barke am Himmel erschien, und betete inbrünstig erst für Uarda und dann für das Heil seiner gefährdeten Seele.

      Ermuthigt stand er auf, überzeugte sich, daß seiner Enkelin Genesung fortschreite, sagte den Frauen Lebewohl, steckte seine Feuersteinmesser und seinen Bronzehaken 153 zu sich und ging in das Haus der Balsamirer, um dort seine traurige Arbeit zu verrichten.

      Die Gebäudegruppe, in welcher ein großer Theil der Bewohner von Theben die Mumisirung empfing, lag auf nacktem Wüstenboden weit von seiner Hütte entfernt südlich vom Setihause am Fuße des Gebirges, und bildete für sich einen ziemlich ausgedehnten, von einer rohen Mauer aus getrockneten Nilziegeln umgebenen Flecken.

      Durch das dem Nile zugekehrte Hauptthor wurden die Leichen den Kolchyten 154 zugeführt, während die Priester Paraschiten, Taricheuten, Weber und Handlanger, welche hier ihr Tagewerk zu verrichten hatten, sowie unzählige Wasserträger, die mit Schläuchen beladen vom Nile herkamen, durch eine Nebenpforte Eingang in die Anlage fanden.

      Am äußersten Nordende derselben erhob sich mit einer eigenen Thür ein stattliches Gebäude von Holz, in dem die Bestellungen der Leibtragenden, oft aber auch von frisch im Leben stehenden Menschen angenommen wurden, die zeitig auf eine ihnen zusagende Bestattung bedacht waren. 155

      Der Zudrang zu diesem Hause war ziemlich stark. Gegenwärtig bewegten sich in seinen Räumen an fünfzig Männer und Frauen von verschiedenen Ständen und nicht nur aus Theben, sondern aus vielen kleineren Städten Oberägyptens, um Einkäufe zu machen oder den Beamten, welche hier thätig waren, Aufträge zu ertheilen.

      Der Todtenbazar war reich genug ausgestattet, denn Särge in allen Formen von der einfachen Kiste bis zu dem reich vergoldeten und bemalten Kasten in Mumienform standen aufgerichtet an den Wänden. In Holzregalen lagen zahllose Rollen von gröberer und feinerer Leinwand, mit denen die Glieder der Mumien umwunden und welche unter dem Schutze der der Weberei vorgehenden Göttinnen Neith, Isis und Nephthys von den Leuten des Balsamirungshauses verfertigt oder aus der Ferne, namentlich von Sais, verschrieben worden waren.

      Den Besuchern der Modellräume stand unter den Särgen und Binden die Wahl frei, ebenso wie unter den Halsbändern, Scarabäen, Säulchen, Uzaaugen, Schleifen, Kopfstützen, Dreiecken, Winkeln, gespaltenen Ringen, Stableitern und anderen symbolischen Figuren, 156 die man den Todten als heilige Amulete an den Leib zu befestigen oder in die Binden zu wickeln pflegte.

      Zahlreich waren die Stempel von gebranntem Thon, welche in die Erde vergraben wurden, um bei etwaigen Grenzstreitigkeiten anzuzeigen, wie weit das Gebiet eines Erbbegräbnisses reiche, die Götterfigürchen, die man in den Sand legte, um ihn, der dem Seth-Typhon angehörte, zu reinigen und zu heiligen, Oft in erstaunlichen Mengen, namentlich bei den Ausgrabungen des Herrn Mariette im Sande gefunden. sowie die Schebti genannten Statuetten, welche man zu mehreren in kleinen Kasten oder einzeln in das Grab zu stellen pflegte, und von denen man erwartete, daß sie mit der Hacke, dem Pfluge und Saatbeutel, die man an ihren Schultern anbrachte, den Verstorbenen bei ihren Arbeiten in den Gefilden der Seligen behülflich sein sollten. 157

      Die Wittwe und der Haushofmeister des verstorbenen reichen Propheten des Hatasutempels Rui und ein sie begleitender vornehmer Priester unterhielten sich lebhaft mit den Beamten des Balsamirungshauses und wählten die kostbarsten unter den vorhandenen Sargmodellen (die Mumie in Papiermachébekleidung sollte in eine Holzkiste und diese in einen Steinsarkophag gelegt werden), die feinste Leinwand und Amulete von Malachit und Lapis lazuli, Blutjaspis, Karneol und grünem Feldspath, 158 sowie schöne Alabasterkanopen für den jüngst Dahingegangenen aus. Sie schrieben auf eine bereitliegende Wachstafel den Namen des Verstorbenen, seiner Eltern, seiner Gattin und Kinder sammt all' seinen Titeln und ordneten an, welche Texte auf seinen Sarg, welche auf die ihm mitzugebende Papyrusrolle geschrieben und auf seinen Namen ausgestellt werden sollten. Ueber die an den Gruftwänden, dem Sockel der im Grabe aufzustellenden Statue und die Fläche der daselbst zu errichtenden Todtenstele anzubringenden Inschrift sollte noch Näheres mitgeheilt werden; einem Priester des Setihauses sollte sie zu schreiben und das Verzeichniß der reichen von den Hinterbliebenen zu stiftenden Todtenopfer abzufassen übertragen werden; letzteres erst später, wenn man nach der Erbtheilung die Größe des hinterlassen Vermögens übersehen konnte. Die bloße Mumisirung mit den feinsten Oelen und Essenzen, Binden, Amuleten und Särgen kostete ohne den Steinsarkophag eine Last Silber. 159

      Die Wittwe trug ein langes Trauergewand, ihre Stirn war mit Nilschlamm

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