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Mehr kann ich Dir nicht dar­über sa­gen; aber ver­giss das eine, nur das eine nicht: dass Du ganz und gar Dei­nem Man­ne an­ge­hörst.«

      Was wuss­te sie nun ei­gent­lich? Wie viel hat­te sie er­ra­ten? Sie be­gann zu zit­tern; eine düs­te­re schmerz­li­che Trau­rig­keit wie eine Art Vorah­nung hat­te sie er­grif­fen.

      Als sie ins Haus zu­rück­kehr­ten, blie­ben sie über­rascht un­ter der Türe des Sa­lons ste­hen. Ma­da­me Ade­laï­de hing an Ju­li­us Hal­se und schluchz­te herz­zer­bre­chend. Al­les an ihr schi­en Trä­nen aus­zu­strö­men, Nase, Mund und Au­gen; und der jun­ge Mann hat­te in sei­nem Er­stau­nen alle Mühe, die star­ke Dame zu stüt­zen, wel­che ihm in die Arme ge­sun­ken war, um ihm die Sor­ge für ihr Klein­od, ihr Herz­blatt, ihr an­ge­be­te­tes Kind, auf die See­le zu bin­den.

      »Ach, nur kei­ne Sze­ne!« sag­te der Baron rasch vor­tre­tend, »ich bit­te drum.« Er nahm sei­ne Gat­tin und führ­te sie zu ei­nem Ses­sel, wäh­rend sie sich das Ge­sicht ab­wisch­te.

      »Komm mein Kind«, wand­te er sich als­dann zu Jo­han­na, »gib Mama einen Kuss und geh’ zu Bett.«

      Jo­han­na hielt die gleich­falls dro­hen­den Trä­nen zu­rück, küss­te schnell ihre El­tern und ver­liess das Zim­mer.

      Tan­te Li­son hat­te sich schon auf ihr Zim­mer zu­rück­ge­zo­gen. Der Baron und die Baro­nin blie­ben mit Ju­li­us al­lein. Alle drei wa­ren so ver­le­gen, dass sie kein Wort spra­chen. Die Her­ren stan­den zer­streut da in ih­rer Di­ner-Toi­let­te, wäh­rend Ma­da­me Ade­laï­de ganz er­schöpft, noch die letz­ten Trä­nen auf den Wan­gen, in ih­rem Ses­sel lag.

      Um der Ver­le­gen­heit ein Ende zu ma­chen, be­gann der Baron von der Rei­se zu spre­chen, wel­che die jun­gen Leu­te nach ei­ni­gen Ta­gen un­ter­neh­men soll­ten.

      Jo­han­na ließ sich in ih­rem Zim­mer durch Ro­sa­lie aus­klei­den, die wie ein Was­ser­fall wein­te. Ihre Hän­de wa­ren un­ge­schickt; sie fand sich mit Schnü­ren und Hef­teln nicht zu­recht und schi­en noch in viel grös­se­rer Ge­müts­be­we­gung wie ihre Her­rin. Aber Jo­han­na ach­te­te nicht auf die Trä­nen ih­rer Kam­mer­jung­fer; sie war wie auf ei­ner an­de­ren Welt, in ei­nem frem­den Land, ge­trennt von al­lem, was ihr bis da­hin lieb und teu­er ge­we­sen war. In ih­rem Den­ken und Füh­len schi­en al­les so durch­ein­an­der zu sein, dass sie sich so­gar frag­te, ob sie ei­gent­lich ih­ren Gat­ten lie­be. Er schi­en ihr jetzt plötz­lich ein Frem­der zu sein, den sie kaum vor­her ge­kannt hat­te. Vor drei Mo­na­ten wuss­te sie noch nichts von sei­ner Exis­tenz und jetzt war sie schon sei­ne Frau. Wie kam das ei­gent­lich? Wa­rum so schnell in die Ehe stür­zen, wie in ein Loch, das sich plötz­lich zu un­sern Füs­sen öff­net?

      Als sie ihre Nacht­toi­let­te be­en­det hat­te, schlüpf­te sie ins Bett. Die frisch über­zo­ge­nen Lein­tü­cher ver­ur­sach­ten ihr einen leich­ten Schau­er und ver­mehr­ten das Ge­fühl der Käl­te, der Ein­sam­keit und Trau­rig­keit, wel­ches seit zwei Stun­den auf ih­rer See­le las­te­te.

      Ro­sa­lie ent­fern­te sich, noch ganz in Trä­nen ge­ba­det. Ängst­lich und mit krampf­haf­tem See­len­schmerz er­war­te­te sie das, was sie halb und halb aus den dunklen An­deu­tun­gen ih­res Va­ters er­ra­ten hat­te, die Ent­hül­lung des­sen, was man das große Ge­heim­nis der Lie­be nennt.

      Drei leich­te Schlä­ge er­tön­ten an der Türe, ohne dass sie je­mand hat­te die Trep­pe her­auf­kom­men hö­ren. Sie fing hef­tig an zu zit­tern und wag­te nicht zu ant­wor­ten. Es klopf­te aber­mals und dann wur­de die Tür ge­öff­net. Sie steck­te den Kopf un­ter die De­cke, wie wenn ein Dieb in ihr Zim­mer ge­schli­chen käme. Leich­te Schrit­te tön­ten auf dem Fuss­bo­den, und dann stand je­mand plötz­lich an ih­rem Bett.

      Sie stiess vor Er­re­gung einen klei­nen Schrei aus, und als sie den Kopf her­vor­streck­te, sah sie Ju­li­us ne­ben sich ste­hen. Er schau­te sie lä­chelnd an.

      »Ach, wie Sie mich ge­ängs­tigt ha­ben!« sag­te sie.

      »Ha­ben Sie mich denn nicht er­war­tet?« frag­te er.

      Sie ant­wor­te­te nicht. Er war noch voll­stän­dig in sei­ner Fest­toi­let­te; als sie in sein hüb­sches Ge­sicht schau­te, fühl­te sie plötz­lich eine große Scham dar­über, vor die­sem ganz an­ge­zo­ge­nen Man­ne so leicht be­klei­det da­zu­lie­gen.

      Sie wuss­ten bei­de nicht, was sie sa­gen oder tuen soll­ten; sie wag­ten nicht ein­mal, sich an­zu­se­hen. So sehr fühl­ten bei­de in­stink­tiv den Ernst die­ser ent­schei­den­den Stun­de, von der ja so oft das Glück ei­nes gan­zen Le­bens ab­hängt.

      Er hat­te so eine un­be­stimm­te Ah­nung, wel­che Ge­fahr für ihn dar­in­lag, wenn er sei­ne Selbst­be­herr­schung ver­lor. Er wür­de sei­ne gan­ze wohl­er­wo­ge­ne Zärt­lich­keit auf­bie­ten müs­sen, um nicht das pein­li­che Zart­ge­fühl und die keu­sche Scham­haf­tig­keit ei­nes nur von idea­len Träu­men er­füll­ten jung­fräu­li­chen Ge­mü­tes zu ver­let­zen.

      Sanft nahm er ihre Hand und küss­te sie; dann knie­te er vor ih­rem Bett wie vor ei­nem Al­tar nie­der und flüs­ter­te mit lei­ser zärt­li­cher Stim­me:

      »Wer­den Sie mir Ihre Lie­be schen­ken?«

      Sie ge­wann ihre Si­cher­heit lang­sam wie­der, hob das Köpf­chen aus dem spit­zen­be­deck­ten Kis­sen und sag­te lä­chelnd:

      »Ich lie­be Sie ja schon längst, mein Freund!«

      Da nahm er die klei­nen zar­ten Fin­ger sei­ner Frau an die Lip­pen und frag­te sie zärt­li­cher noch als vor­her:

      »Wol­len Sie mir auch den Be­weis Ih­rer Lie­be ge­ben?«

      Sei­ne Stim­me klang ganz ver­än­dert, als er so zwi­schen ih­ren Fin­gern hin­durch frag­te.

      »Ich ge­hö­re Ih­nen ja, lie­ber Freund!« ant­wor­te­te sie aufs Neue ver­wirrt durch sei­ne Fra­ge, wel­che, ohne dass sie die­sel­be ganz ver­stand, ihr doch die Wor­te des Va­ters ins Ge­dächt­nis zu­rück­rief.

      Er be­deck­te im­mer wie­der ihre Hand mit Küs­sen und, in­dem er lang­sam auf­stand, such­te er sich ih­rem Ant­litz zu nä­hern, das sie aufs Neue zu ver­ber­gen streb­te.

      Dann streck­te er plötz­lich einen Arm aus, um­schlang sei­ne Frau mit­samt der Bett­de­cke und schob den an­de­ren Arm un­ter das Kopf­kis­sen. So zog er sie lang­sam an sich und flüs­ter­te ihr lei­se, ganz lei­se zu:

      »Wür­den Sie mir dann auch ein klei­nes Plätz­chen in Ihrem Bet­te gön­nen?«

      Sie emp­fand Furcht, eine in­stink­ti­ve Furcht:

      »Ach, jetzt noch nicht, ich bit­te Sie«, stam­mel­te sie.

      Er war sicht­lich über­rascht, ein we­nig ver­letzt so­gar; und wenn er den bit­ten­den Ton auch bei­be­hielt, so klang es doch et­was rau­er, als er jetzt sag­te:

      »Wa­rum et­was ver­schie­ben, was wir doch schliess­lich alle Tage so ma­chen wer­den?«

      Sie är­ger­te sich über die­se Wor­te; aber schliess­lich sag­te sie doch zum zwei­ten Male sanft und er­ge­ben:

      »Ich ge­hö­re Ih­nen ja, lie­ber Freund!«

      Da ver­schwand er schnell im An­klei­de­zim­mer. Sie hör­te deut­lich und mit ängst­li­chen Schau­ern das Geräusch ab­ge­leg­ter Klei­der, das Klin­gen

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