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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Читать онлайн.Название Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962817695
Автор произведения Guy de Maupassant
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
War das nervöse Zucken ihrer Hand, der erregte Schlag ihres Herzens durch ihre Adern zum Herzen ihres Nachbarn gedrungen? Verstand er sie, erriet er ihre Gedanken; wurde er wie sie von einem Gefühl zärtlichster Liebe beseelt? Oder wusste er nur aus Erfahrung, dass kein weibliches Wesen ihm zu widerstehen vermochte? Sie fühlte plötzlich, wie er ihre Hand drückte, anfangs ganz sanft, dann immer stärker, sodass sie fast hätte aufschreien mögen. Und ohne im Mindesten seinen ernsten Gesichtsausdruck zu verändern, sodass niemand es bemerkte, sagte er zu ihr, ja, er sagte es ganz deutlich:
»Ach, Johanna, wenn Sie wollten, könnte das unsere Verlobungsfeier werden!«
Sie neigte ganz langsam das Haupt, sodass es wie ein leises »Ja« gelten konnte; und in diesem Augenblicke fielen einige Tropfen des Weihwassers, womit der Priester sie besprengte, auf ihre zusammengepressten Hände.
Die Zeremonie war beendigt. Die Frauen erhoben sich von den Knien. Der Rückweg wurde in Unordnung angetreten. Der Chorknabe trug das silberne Kreuz nicht mehr feierlich; dasselbe schwankte in seinen Händen bald nach rechts und links, bald neigte es sich vornüber, sodass man fürchten musste, es fiele hin. Der Pfarrer eilte jetzt ohne Gebet hinter dem Knaben drein; die Chorsänger verschwanden in einer Seitengasse, um sich schneller ausziehen zu können, und auch die Fischer stürmten gruppenweise davon. Sie empfanden schon im Voraus etwas wie einen guten Küchenduft, der ihnen von der Nase bis zum Magen drang, sodass ihnen das Wasser im Munde zusammenlief und ein leichtes kollerndes Geräusch in ihrem Innern ertönte.
In Peuples erwartete sie nämlich ein gutes Frühstück.
Auf dem Hofe unter den Obstbäumen war eine große Tafel gedeckt, an der sechzig Personen, Fischer und Landleute, Platz nahmen. Die Baronin, welche in der Mitte sass, hatte die beiden Pfarrer von Yport und Etouvent rechts und links neben sich. Der Baron sass ihr gegenüber zwischen dem Maire und dessen Gattin. Es war dies eine magere, bereits etwas bejahrte Frau von ländlichen Sitten, die nach allen Seiten lebhaft grüsste. Ihr schmales runzeliges Gesicht war ganz in ihrer großen normännischen Mütze versteckt; ein richtiges Hühnergesicht mit einem weißen Kamm darüber, unter dem ein rundes Auge stets verwundert und neugierig in die Welt schaute. Sie ass mit kleinen hastigen Schlucken, als hätte sie mit ihrer Nase auf dem Teller gepickt.
Johanna schwelgte an der Seite des Vicomte im vollen Glücke. Sie sah und hörte nichts; schweigend gab sie sich ihren seligen Gedanken hin.
»Wie ist doch Ihr Vorname?« fragte sie endlich den Vicomte.
»Julius«, sagte er, »das wussten Sie nicht?«
Aber sie gab keine Antwort. »Wie oft werde ich mir diesen Namen im Stillen wiederholen« war das einzige, was sie dachte.
Als das Mahl beendet war, überliess man den Hof den Fischern und Landleuten; die Übrigen begaben sich an die andere Seite des Schlosses. Die Baronin schickte sich, auf den Gatten gestützt und von den beiden Geistlichen begleitet, zu »ihrer Übung« an, während Johanna und Julius zu dem Bosquet gingen. Kaum hatten sie die verschlungenen Pfade desselben betreten, als der Vicomte ihre Hand ergriff und zu ihr sagte:
»Johanna, wollen Sie meine Gattin werden?« Anfangs senkte sie das Köpfchen; als aber der Vicomte sie nochmals fragte: »Antworten Sie mir, ich bitte Sie«, da hob sie sanft die Augen zu ihm auf und er konnte die Antwort in ihrem Blicke lesen.
*
IV.
Eines Morgens, noch ehe Johanna aufgestanden war, trat der Baron in ihr Zimmer und setzte sich zu Füssen des Bettes.
»Der Vicomte de Lamare hat um Deine Hand bei uns angehalten«, sagte er feierlich.
Sie hätte am liebsten das Gesicht unter der Decke versteckt.
»Wir haben unsere Antwort noch etwas verschoben.«
Johanna atmete kaum noch vor innerer Erregung.
»Wir wollten nämlich keine Entscheidung ohne Dich treffen«, fuhr der Baron nach einer kurzen Pause lächelnd fort. »Deine Mutter und ich haben gegen diese Heirat nichts einzuwenden, ohne Dich indes zwingen zu wollen. Du bist viel reicher wie er; aber wenn es sich um das Glück des Lebens handelt, muss man nicht nach dem Gelde schauen. Er hat keine Eltern mehr; wenn Du ihn heiraten solltest, so würde er als Sohn in unsere Familie eintreten. Bei einem anderen wäre es umgekehrt; da würdest Du, unser Kind, zu fremden Leuten gehen. Der junge Mann gefällt uns. Ich weiß nicht, ob er Dir gefällt …?«
»Ach ja, Papa!« stammelte sie, über und über rot.
»Ich war mir noch nicht ganz klar darüber« sagte ihr Vater, nachdem er ihr eine Weile, immer lächelnd, tief in die Augen gesehen hatte.
Sie lebte bis zum Abend in einem Taumel, ohne zu wissen, was sie tat. Mechanisch nahm sie bald diesen, bald jenen Gegenstand zur Hand; in all ihren Gliedern fühlte sie eine weiche Erschlaffung, ohne dass sie einen grösseren Spaziergang gemacht hätte.
Gegen sechs Uhr, als sie mit der Mutter unter der großen Platane sass, erschien der Vicomte.
Johannas Herz klopfte zum Zerspringen. Der junge Mann näherte sich ihnen, ohne besonders erregt zu scheinen. Als er vor ihnen stand, ergriff er die Hand der Baronin und führte sie an die Lippen. Dann nahm er die Johannas und drückte einen langen Kuss voll Zärtlichkeit und Dankbarkeit darauf …
Und nun begann die wunderbare Zeit des Brautstandes. Sie plauderten zusammen in irgend einer Ecke des Salons oder auf der Rasenbank hinten im Bosquet, vor sich die weite Heide.
Zuweilen spazierten sie mit der Mama in »ihrer Allee« und sprachen von der Zukunft, wobei Johanna nachdenklich den Blick auf die staubigen Fussspuren der Mutter heftete.
Nachdem die Sache nun einmal entschieden war, wollte man auch den Ausgang beschleunigen. So kam man überein, dass in sechs Wochen, am 15. August, die Vermählung stattfinden sollte und gleich darauf das junge Paar seine Hochzeitsreise antreten würde. Johanna, um ihre Ansicht gefragt, entschied sich dafür, dass man Korsika besuchen wolle. Dort würde man ungestörter sein, als in den vielbesuchten und belebten Städten Italiens.
Sie erwarteten den festgesetzten Tag ihrer Verbindung ohne allzu große Ungeduld, aber beseelt und getragen von einer innigen Zärtlichkeit. Sie durchkosteten alle die zahllosen kleinen Freuden des Brautstandes, die Händedrücke, die liebevollen langen Blicke, bei denen die Seelen sich