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»Kö­nig Lud­wig«, ein klei­nes Packet­boot, wel­ches über Ajac­cio nach Nea­pel fuhr, an die Ge­sta­de Kor­si­kas.

      Kor­si­ka! mit sei­nen Ma­kis! sei­nen Räu­bern! sei­nen Ber­gen! Das Va­ter­land Na­po­le­ons! Es kam Jo­han­na vor, als ver­lies­se sie die Welt der Wirk­lich­keit, um wa­chen­den Sin­nes das Land der Träu­me zu be­tre­ten.

      Auf dem Ver­deck ne­ben­ein­an­der sit­zend sa­hen sie die Küs­te der Pro­vence an ih­ren Au­gen vor­über­zie­hen. Ru­hig, un­be­weg­lich, in präch­tig azur­ner Fär­bung lag das Meer, wie zu ei­ner fes­ten Mas­se er­starrt, un­ter den heis­sen Son­nen­strah­len, die von dem tief­blau­en Him­mel her­nie­der­san­ken.

      »Erin­nerst Du Dich noch un­se­rer Fahrt da­mals im Boo­te des Papa Las­ti­que?« frag­te sie ihn.

      Statt al­ler Ant­wort drück­te er einen Kuss auf ihre Wan­ge.

      Die Schau­feln der Rä­der weck­ten das Was­ser aus sei­nem stil­len Trau­me. Ein lan­ger schäu­men­der Strei­fen er­streck­te sich vom Hin­ter­teil des Schif­fes aus so­weit das Auge reich­te, und das ge­teil­te Was­ser braus­te zu bei­den Sei­ten auf wie Cham­pa­gner.

      Plötz­lich schnell­te vorn, nur ei­ni­ge Fa­den­län­gen vor dem Schiff, ein rie­si­ger Fisch aus dem Was­ser, tauch­te dann den Kopf un­ter und ver­schwand wie­der gänz­lich. Jo­han­na war so er­schreckt, dass sie mit ei­nem Angst­ruf ihr Ge­sicht an Ju­li­us’ Brust ver­barg. Dann muss­te sie selbst über ihre Furcht la­chen und war­te­te ge­spannt, ob das Tier nicht wie­der zum Vor­schein kam. Nach ei­ni­gen Mi­nu­ten tauch­te es wie­der auf wie ein großes künst­li­ches Spiel­zeug. Jetzt ver­schwand es wie­der, kam aber­mals her­auf; dann wa­ren es ih­rer zwei, dann drei, end­lich sechs, wel­che um das Schiff her­um­zuhüp­fen schie­nen, als woll­ten sie dem grös­se­ren Ge­fähr­ten, dem höl­zer­nen Fisch mit den ei­ser­nen Flos­sen, das Ge­leit ge­ben. Bald wa­ren sie rechts, bald links, bald ein­zeln, bald zu­sam­men, dann ei­ner hin­ter dem an­de­ren wie in lus­ti­ger Ver­fol­gung beim tän­deln­den Spiel. Zu­wei­len schnell­ten sie sich mit ei­nem großen Sprung in die Luft, um dann eins nach dem an­de­ren wie­der in ei­nem großen Bo­gen ins Was­ser zu­rück­zu­fal­len.

      Jo­han­na klatsch­te vor Ver­gnü­gen in die Hän­de, trotz­dem sie je­des Mal beim Er­schei­nen der großen Fi­sche aufs neue schau­der­te.

      Plötz­lich ver­schwan­den sie. Man sah sie noch ein­mal ziem­lich weit in der of­fe­nen See; dann kehr­ten sie nicht wie­der. Jo­han­na wur­de eine Zeit lang ganz trau­rig über ihr Ver­schwin­den.

      Der Abend kam her­an, ein ru­hi­ger, mil­der, strah­len­der Abend voll Glanz und süs­sem Frie­den. Luft und Was­ser wa­ren in stil­ler Ruhe, und die­se un­be­grenz­te Ruhe des Mee­res und des Him­mels teil­te sich auch dem Her­zen mit.

      Lang­sam ver­sank die Son­ne da drü­ben in der Ge­gend von Afri­ka, dem un­sicht­ba­ren heis­sen Afri­ka, des­sen Glut man schon zu spü­ren glaub­te, wenn nicht ein schmei­cheln­der küh­ler Luft­zug, der je­doch kei­nes­wegs ei­nem Wind­hau­che glich, die Ge­sich­ter der Rei­sen­den um­spielt hät­te, nach­dem die Son­ne un­ter­ge­gan­gen war.

      Sie hat­ten kei­ne Lust, in ihre Ka­bi­ne her­un­ter­zu­ge­hen, die mit al­len Düf­ten ei­nes Packet­boo­tes an­ge­füllt war. So wi­ckel­ten sie sich denn bei­de dicht in ihre Män­tel ein und leg­ten sich ne­ben­ein­an­der aufs Ver­deck. Ju­li­us schlief so­fort ein, wäh­rend Jo­han­na noch eine Wei­le un­ter den un­ge­wohn­ten Rei­se-Ein­drücken wach blieb.

      Das gleich­för­mi­ge Geräusch der Schau­fel­rä­der hielt sie wach, und sie be­trach­te­te mit In­ter­es­se die Le­gi­on von Ster­nen, so hell, so klar und fun­kelnd, wie man sie eben nur am süd­li­chen Him­mel er­blickt.

      Ge­gen Mor­gen schlief sie in­des­sen ein, bis ein Geräusch von Stim­men sie weck­te. Die Ma­tro­sen rei­nig­ten un­ter ein­för­mi­gem Ge­san­ge das Schiff. Sie rüt­tel­te ih­ren im­mer noch re­gungs­los schla­fen­den Mann und bei­de er­ho­ben sich.

      Mit Ent­zücken sog sie den sal­zi­gen Duft ein, der ihr bis in die Fin­ger­spit­zen drang. Rings um­her sah sie nichts als Meer. In­des­sen da vorn zeig­te sich et­was grau­es, noch un­be­stimmt in der Mor­gen­däm­me­rung; es sah aus wie ein­zel­ne auf­ge­türm­te za­cki­ge zer­ris­se­ne Wol­ken, die auf den Wo­gen zu la­gern schie­nen.

      Dann konn­te man ge­nau­er un­ter­schei­den; die For­men tra­ten mehr her­vor, je mehr der Him­mel sich auf­klär­te. Eine lan­ge Rei­he son­der­bar ge­zack­ter Ber­ge er­hob sich aus dem Mee­re. Es war Cor­si­ka, noch ver­hüllt in ei­ner Art leich­tem Ne­bel­schlei­er.

      Da­hin­ter stieg lang­sam die Son­ne auf. An­fangs la­gen die Käm­me der Ber­ge noch in tie­fem Schat­ten, dann schi­en es, als ob auf al­len Gip­feln strah­len­de Lich­ter ent­zün­det wür­den, wäh­rend der un­te­re Teil der In­sel noch in dich­tem Ne­bel lag.

      Der Ka­pi­tän, ein al­tes gelb­li­ches, von den schar­fen salz­hal­ti­gen Win­den ver­trock­ne­tes, ver­schrumpf­tes und aus­ge­dörr­tes, aber zä­hes Männ­chen wur­de auf der Steu­er­brücke sicht­bar.

      »Rie­chen Sie das, die­sen Duft?« sag­te er mit sei­ner durch dreis­sig­jäh­ri­ges Kom­man­die­ren rau ge­wor­de­nen und im Ge­brüll der Stür­me ver­schlis­se­nen Stim­me.

      In der Tat nahm sie einen ei­gen­tüm­li­chen selt­sa­men Pflan­zen­duft von un­ge­wöhn­li­cher Wür­ze wahr.

      »Das ist Cor­si­ka in der Blü­te, Ma­da­me«, fuhr der Ka­pi­tän fort. »Es ist wie der Duft ei­ner hüb­schen jun­gen Frau. Ich wür­de ihn noch nach zwan­zig Jah­ren auf fünf Mei­len Ent­fer­nung wie­der­er­ken­nen. Ich stam­me von dort. Er, da un­ten auf St. He­le­na, spricht wie es heisst, stets von dem Duf­te sei­nes Va­ter­lan­des. Wir sind mit ihm ver­wandt.«

      Und der Ka­pi­tän lüf­te­te sei­nen Hut, grüss­te Cor­si­ka und grüss­te da un­ten, weit im Ozean den großen ge­fan­ge­nen Kai­ser, der zu sei­ner Fa­mi­lie ge­hör­te.

      Jo­han­na fühl­te sich so be­wegt, dass sie bei­na­he ge­weint hät­te.

      Dann brei­te­te der See­mann die Arme ge­gen den Ho­ri­zont aus.

      »Die Blut­stei­ne!« sag­te er.

      Ju­li­us stand ne­ben sei­ner Frau und hielt sie um­schlun­gen; bei­de schau­ten in die Fer­ne, um den an­ge­deu­te­ten Punkt zu er­ken­nen.

      End­lich be­merk­ten sie ei­ni­ge Fel­sen in Ge­stalt von Py­ra­mi­den, wel­che bald dar­auf das Schiff um­fuhr, um in einen un­ge­heu­ren ru­hi­gen Golf ein­zu­lau­fen, der von zahl­rei­chen ho­hen Gip­feln um­säumt war, de­ren grü­ne Hän­ge mit Moos be­deckt schie­nen.

      Je nä­her man kam, de­sto mehr schi­en sich der Kreis von Ber­gen hin­ter dem Schiff zu­sam­men­zu­sch­lies­sen, wel­ches lang­sam da­hin glitt. Die azur­blaue Flut war so klar, dass man fast bis auf den Grund se­hen konn­te.

      Und plötz­lich zeig­te sich im Hin­ter­grun­de der Bucht am Ran­de der Wo­gen zu Füs­sen der Ber­ge die weiß­schim­mern­de Stadt.

      Ei­ni­ge klei­ne ita­lie­ni­sche Schif­fe la­gen im Ha­fen vor An­ker. Vier oder fünf Bar­ken um­kreis­ten den »Kö­nig Lud­wig«,

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