Скачать книгу

anders. Er war ein Mann, der mir gefallen hat. Ja, er hat mir wirklich gefallen. Ich gebe es ehrlich zu.“

      „Und du hättest auch mit ihm geschlafen, wenn sich das so ergeben hätte?“

      „Nein, das hätte ich nicht getan. Es wäre leicht gewesen, wenn ich es wirklich gewollt hätte.“

      Er sah sie ein wenig unsicher an. „Sollen wir das denn noch fortsetzen, oder ...“

      „Nein“, entgegnete sie, „ich wollte es dich wissen lassen, genau so, wie du mir das von der kleinen Friedländer erzählt hast.“

      Er sah sie überrascht an, weil sie die „kleine Friedländer“ gesagt hatte. Aber er schwieg dazu. Offensichtlich war es auch ihm nicht angenehm, dieses Thema fortzusetzen.

      „Weißt du was?“, sagte er. „Heute Abend gehen wir miteinander aus.“

      „Wohin?“, wollte sie wissen, die einen ähnlichen Gedanken gehabt hatte.

      „Ganz gleich. Wir setzen uns in den Wagen, fahren nach Frankfurt hinein und lassen alles auf uns zukommen.“

      „Da ist heute unheimlicher Betrieb. Die Messe ist eröffnet.“

      „Das macht nichts. Mir fällt schon was ein. wo wir hinfahren. Warte mal, wir könnten ...“ Da war er schon draußen auf dem Korridor, hatte das Telefonbuch ergriffen und blätterte darin.

      „Ich mache uns inzwischen das Abendbrot“, rief sie und begann weiter Brot zu schneiden.

      Sie fuhren diesen Abend doch nicht in die Stadt. Nach dem Abendbrot hatten sie beschlossen, zu Hause zu bleiben, und Dieter entkorkte eine gute Flasche Wein, die sie dann gemeinsam tranken, unterhalten von einschmeichelnder Musik, die aus Dieters neuer Stereoanlage erklang.

      Es sollte so sein wie früher. Sie beide wollten es. Und doch war es nicht so. Nichts war wie früher, nicht für Heidi, die machen konnte, was sie wollte und doch immer an ihn - an Hans - denken musste. Sie ahnte nicht, was in Dieters Kopf vorging. Sie fühlte sich schuldig, und doch kam sie einfach mit ihren Gedanken von Hans nicht los. Sie wollte sich zwingen dazu, sich ganz und gar Dieter zu widmen. Und doch wusste sie, dass es im Grunde nichts weiter als Schauspielerei war und sie ihm und sich am Ende nur etwas vormachte.

      Aber er ging darauf ein. Er schien, wie Heidi meinte, ihre Liebe zu glauben, tanzte dann sogar mit ihr, und sie blieben auch dann noch, als das Musikstück endete, eng umschlungen mitten im Zimmer stehen.

      Als sie den Kopf hob, küsste er sie, und alles schien, so meinte Heidi, wirklich wie früher zu sein. Er merkt es nicht, dachte sie. Er spürt nicht, was ich empfinde und wie es in mir drinnen drunter und drüber geht. Sie ahnte nicht, was er wirklich empfand.

      „Haben wir einander verziehen?“, fragte sie ihn plötzlich.

      Er hielt sie noch immer in den Armen, und als sie ihn anblickte, musste sie sich zugeben, dass er ein gut aussehender, sehr sympathischer Mensch war. Aber zugleich ertappte sie sich dabei, dass sie ihn mit Hans verglich.

      Hans war älter, hatte mehr Profil, mehr Persönlichkeit. Dieter hingegen besaß eine gewisse Unbefangenheit, eine Lässigkeit, die sie früher verzaubert hatte. Aber jetzt fiel er im Vergleich gegen das Bild von Hans ab, gegen das Bild, das sie sich von Hans machte.

      „Natürlich haben wir einander verziehen, mein Liebes“, erwiderte Dieter. „Komm, wir tanzen noch!“

      „Ich weiß nicht. Ich fühle mich wie zerschlagen. Ob das der Wein ist?“

      „Ja, ein wenig müde bin ich auch“, gab er zu. „Ich bin froh, dass wir nicht weggegangen sind. Es war eine Menge los heute.“

      Impulsiv umklammerte sie ihn mit ihren Armen, küsste ihn völlig unvermittelt und sagte ein wenig atemlos: „Ich liebe dich, Dieter. Ich liebe dich. Ich möchte ohne dich nicht leben.“ Es klang wie eine Beschwörung. Aber sie beschwor nicht ihn, sie beschwor sich selbst.

      7

      Es hatte ein paar Notfälle gegeben, die Dr. Hans Berring in der Klinik festhielten. Gegen neun Uhr abends stand er noch im OP. Einen Besuch bei Freunden hatte er absagen müssen. Ingrid war alleine dort.

      Jetzt endlich war er mit der Operation fertig, verließ den OP und zog sich hinter der Schleuse die Operationskleidung aus. Eine Schwester half ihm noch in den Kittel, und er sagte: „Ich muss noch auf die Station gehen. Ist alles andere erledigt?“

      Die junge Schwester nickte nur. Da fiel ihm rein zufällig Dr. Timmel ein, den er schon den ganzen Tag hatte anrufen wollen. Er war nicht dazu gekommen. Er ging ins Arztzimmer hinüber, wusste aber keine Nummer. Die Zentrale, die er anwählte, vermittelte das Gespräch. Wenig später meldete sich Dr. Timmel selbst.

      „Mein lieber Hans, wie geht es dir? Wie war es unten in München?“

      „Du hast einiges verpasst, Hartmut“, erwiderte Hans Berring.

      Sie sprachen eine ganze Weile über den Kongress, doch dann fragte Hans: „Du, sag mal, das war eine mysteriöse Geschichte. Du wolltest mich sprechen, hast meiner Frau gesagt, du hättest das schon seit Wochen versucht, ohne mich erreichen zu können. Da ist doch ...“

      „Hans, reden wir jetzt nicht davon. Das war eine Notlüge. Ich habe deine Frau bei mir gehabt. Mittlerweile liegt mir auch das Ergebnis vor. Hans, es ist eine sehr ernste Sache. Mein Verdacht hat sich bestätigt.“

      „Krebs?“, fragte Hans nur, und seine Stimme klang eigenartig spröde.

      „Ja, Krebs“, hörte er seinen langjährigen Freund sagen. „Ich weiß allerdings nicht, in welchem Stadium sich die ganze Geschichte schon befindet. Ich hoffe, in einem sehr frühen Stadium. Es gibt nur eins: sofortige Operation!“

      „Natürlich, selbstverständlich“, bestätigte Hans, der noch gar nicht imstande war, die Tragweite dieser Feststellung voll zu übersehen.

      „Hans“, fuhr Dr. Timmel fort, „es ist zwar bösartig, aber vielleicht sind die Geschwülste noch relativ klein. Allerdings die Beschwerden ...“

      „Sie hat mir nichts erzählt. Sie sagt, sie hätte etwas Ausfluss und manchmal ein leichtes Ziehen in der Gegend der Gebärmutter.“

      „Es ist nicht der Uterus selbst“, sagte Dr. Timmel, „es ist ein Zervixkarzinom.“

      „Also kein Gebärmutterkrebs, sondern eine Geschwulst im Gebärmutterhals.“

      „Hat sie sich denn nie untersuchen lassen?“, fragte Dr. Timmel.

      „Ich war sicher, dass sie es tut, dass sie regelmäßig zu ihrem Frauenarzt geht.“

      „Also bei mir ist sie nicht gewesen, und sie hat mir auch erzählt, sie wäre einmal als junges Mädchen bei einem Frauenarzt gewesen, hätte im gynäkologischen Stuhl gesessen, und das wäre für sie ein so entsetzliches Erlebnis gewesen, dass sie sich immer gescheut hätte, diese Vorsorgeuntersuchung machen zu lassen. Zudem meinte sie, dass es in ihrem Alter gar nicht nötig sei.“

      Hans wusste selbst, welch verhängnisvoller Irrtum dies war, weil mittlerweile feststand, dass immer mehr jüngere Frauen Gebärmutter- oder Gebärmutterhalskrebs bekamen.

      „Du weißt ja“, sagte Dr. Timmel,

Скачать книгу