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4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018. Christoph-Maria Liegener
Читать онлайн.Название 4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018
Год выпуска 0
isbn 9783746992471
Автор произведения Christoph-Maria Liegener
Жанр Зарубежные стихи
Издательство Readbox publishing GmbH
Du gingst, obwohl ich dich so sehr brauchte. Es dauerte eine Zeit, bis ich begriff, dass du für immer aus meinem Leben verschwunden warst und nichts blieb wie es war. Fortan ging es rasant bergab. Ich fühlte mich verlassen, hilflos und vollkommen orientierungslos.
Was mir jedoch am meisten zu schaffen machte, war, dass niemand mit mir sprach. Niemand erklärte, was geschehen war, oder fragte nach meinem Befinden. Papa tat so, als hättest du nie eine Rolle in unserem Leben gespielt. Er glaubte tatsächlich, ich würde dich vergessen. Auf diese Weise machte er alles nur schlimmer. Viel schlimmer. Vielleicht hätte ich irgendwann deinen Tod akzeptieren und darüber hinwegkommen können, jedoch alleine durch Ignoranz und Verdrängung, so wie er es vorlebte, funktionierte das bei mir nicht. Also vergrub ich den Schmerz sehr tief in meinem Herzen und versuchte fröhlich zu sein.
Ein Jahr später heiratete Papa wieder und ich bekam eine Stiefmutter. Ich wollte keine neue Mutter, denn natürlich konnte niemand deine Liebe ersetzen. Es fragte mich aber keiner, wie ich mich dabei fühlte. Es war, wie man damals so schön sagte, eine Vernunftehe. Was daran vernünftig sein sollte, ist mir bis heute schleierhaft.
Nach deinem Tod lernte ich vor allem eins: Es ist wichtig die Fassade aufrecht zu erhalten. Aber es gelang mir nicht. Von Tag zu Tag wurde ich trauriger und stiller. Ich zog mich immer mehr zurück. Viel Zeit verbrachte ich alleine auf meinem Zimmer, wo ich auf dem Bett lag und mir Geschichten ausdachte, die stets ein happy end hatten.
Als mich Papa einmal weinend dort fand, schloss er die Tür und setzte sich zu mir. Ohne nach dem Grund für meine Tränen zu fragen, sagte er: „Ich weiß, dass es nicht leicht für dich ist, aber du musst Mami vergessen. Glaub mir, das ist das Beste.“
Damit stand er auf und verließ das Zimmer. Keine Berührung, keine Erklärung, kein Trost. In dem Moment geschah es: Mein Magen wurde zu einem Eisklumpen und mein Herz pochte laut gegen die Rippen. Ich fiel in eine Schockstarre, aus der ich nie wieder ganz herauskam. In meiner Verzweiflung richtete ich die Wut, die in mir brannte, gegen mich selbst. Zu groß war meine Angst, auch ihn zu verlieren.
So tat ich alles was von mir verlangt wurde, ohne Rücksicht auf meine Gefühle. Irgendwann spürte ich nichts mehr. Ich spielte einfach mit in dem Theaterstück „Fassadenerhaltung“. Das gelang mir, denn im Schauspielern war ich richtig gut. Dafür hätte ich einen Preis verdient. Den bekam ich aber nicht. Stattdessen wurde das Loch in meinem Herzen täglich größer. Ich vermisste dich so sehr. Am meisten fehlte mir die Ruhe und Geborgenheit, so wie das Gefühl, gewünscht zu sein. Mein Leben verlief nicht wie du es gewollt hättest. Das spürte ich und konnte dennoch nicht entkommen.
Meine einzige Chance war, einen Panzer um mein Herz zu bauen. Einen dicken, harten und unüberwindbaren Panzer. Undurchdringbar. Niemand sollte meine tiefe unerfüllte Sehnsucht sehen, denn die durfte ich ja nicht haben. Niemand sollte mir zu nahe kommen. Niemand, den ich liebte, sollte mir noch einmal so weh tun.
Heute, viele Jahre später, bröckelt der Panzer. Ich spüre wieder Glück in meinem Herzen. Die Sehnsucht bleibt.
Kommentar: Traurig.
Julia Nettinger
Ich bin gut so wie du bist
Es ist ein kühler Abend im August und die Nacht ist sternenklar. Das Sommerfest ist vorbei, doch meine Nacht fängt gerade erst an. Ich weiß noch, wie ich dich zum ersten Mal sah. An jenem Tag. Zwischen Wodka O und Gin Tonic, warst du auf einmal da.
Du wolltest nicht nach Hause gehen, also bliebst du hier. Du bliebst nicht auf der Türschwelle stehen sondern kamst ganz nah zu mir. Dann ziehst du mich aus und nimmst dir, was du brauchst – ich will es auch.
Deine Hände auf meiner Haut, dein heißer Atem an meinem Ohr. Mein Herz pocht ganz laut.
Dann schaust du mich an. Was du denkst, kann ich nur erahnen.
Ich höre meine Gedanken mich ermahnen. „Das ist keine gute Idee, irgendwem tut sowas am Ende immer weh.“
Du weißt, ich kann alleine sein und ich weiß es auch. Ich bin eine gute Version von mir, wenn ich unabhängig bin. Trotzdem wollte ich dich wieder sehen, nicht nach Hause gehen, wann immer ich Zeit mit dir verbrachte.
Ich öffnete mich, teilte meine guten und schlechten Seiten, aber vor allem die guten. Eine Stunde fühlte sich an wie zwei Minuten.
Unsere gemeinsamen Momente waren wie ein Tanz auf Scherben, spannend aber gefährlich.
Die Zeit mit dir war eine Mischung aus Cola küsst Orange und Cola mit Mentos. Explosiv und herrlich.
Du brachtest mich um viele Stunden Schlaf – zusammen, aber auch allein.
Ich hatte das Gefühl, ich konnte dir nie das bieten, was du suchtest und wurde innerlich ganz klein.
Trotzdem, du erzähltest mir schöne Dinge, dass du mich vielleicht sogar magst, dass ich dir doch nicht ganz unwichtig bin?
Für mich machte das alles keinen Sinn, aber ich wollte dich in den schillerndsten Farben sehen. Von dir kam nur Stille, kein Wille, einen Schritt mehr zu gehen. Du schautest mich mit leeren Augen an und ließest mich im Regen stehen.
Ich zog mir ein hübsches Kleid an und überlegte mir, welche Schuhe dazu passen. Ich wollte, dass du deine Finger nicht kannst von mir lassen.
Komplimente machte ich mir immer selbst, denn von dir kamen keine Worte der Anerkennung. Dein Verhalten zeigte mir, du spielst ein Spiel und ich bin die Marionette. Bin ich eine Klette?
Ich gab dir alles, ich versuchte es. Du hast alles genommen und einen Teil davon hast du weggeworfen. Ich sah dich mit anderen Frauen und dahin war mein Vertrauen. Mir ging es schlecht, doch dir war das gerade recht.
Du gabst mir das Gefühl, dass du mich nicht willst. Das Gefühl, dass ich dir nicht genug bin. Und ich wusste, das mit uns macht auf gar keinen Fall Sinn.
Ich wollte doch die Starke sein, ich wollte nie emotionalen Schiffbruch erleiden. Das wollte ich doch von Anfang an vermeiden.
Ich kann alleine sein. Ich bin eine gute Version von mir, wenn ich unabhängig und selbstständig und vor allem weg von dir bin. Doch dann kommst du wieder auf mich zu, und entschuldigst dich. Ich sehe keine Fehler obwohl ich so viel auszusetzen hätte. Verleugne ich mich?
Mir war immer klar, du bist der Wind der Gezeiten. Und ich bin eine leere Plastiktüte, die im Winde treibt, kein Ziel und keine Perspektive. Mitgerissen. In die weite Welt. Und verloren. Halb lebendig, halb gestorben.
Von hier oben war nur eins ersichtlich: nach der Flut kommt die Ebbe. Sobald mein Körper voller Endorphine war, war er danach noch viel schneller wieder leer. Und ich bereute es doch nie so sehr.
Ich denke an dich und denke an dich. Weißt du, manchmal denke ich noch viel weniger an mich. Das, was wir haben, ist unersetzbar und doch weiß ich, das ist nicht wahr. Meine Gedanken sind ganz und gar nicht frei. Jeder kann sie erraten, wie nächtliche Schatten, verfolgen sie mich.
Ich fühle mich auch ohne zu kiffen high. Ich ritze mich, doch so sehr tut es nicht weh. Ich betrinke mich, doch in so einen Zustand von Benommenheit komme ich nicht, um nicht an dich zu denken. Ich kann mich einfach nicht ablenken.
Ich laufe bergab, so schnell ich kann, doch ich komme nicht voran. Ich gehe tanzen, gehe feiern doch ohne dich feiere ich allein. Mit der Menge im Club, in der mich keiner interessiert. Ja, das ist alles so passiert.
Und jetzt ist es vorbei und ich kann alleine sein. Ich bin eine gute Version von mir, wenn ich unabhängig und selbstständig und vor allem weg von dir bin.
Kommentar: Erlebnisverarbeitung in Prosa. Man fühlt mit.
Anastasia Grubnik
Erlösung
19:32. Ich stehe. Der kühle Wind weht mir durch die Haare.