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dass endlich etwas geschehen möge. Meine Nervosität ist kaum noch auszuhalten.

      Es dauert, nichts passiert.

      Nach weiteren zehn Minuten des Wartens schaue ich mich in diesem - bestimmt an die 50m2 großen Raum – neugierig um. Schwere, wertvolle Möbel – aus verschiedenen Jahrhunderten – sind stil- und geschmackvoll arrangiert. Auf dem hellgrauen Marmorfußboden liegen etliche orientalische – aus verschiedenen Ländern stammende – handgeknüpfte Seidenteppiche. Und dann die Kunstgegenstände. Ich bin fasziniert, soviel wertvolle Kleinodien in einem Raum versammelt zu sehen. Ein paar Gemälde von Armin Müller-Stahl und Edward B. Gordon sind geschmackvoll an den weiß gestrichenen Wänden verteilt. Der ganze Raum ist ein Kunstwerk allererster Güte. Man fühlt sich wohl in ihm, strahlt er doch Behaglichkeit aus und gibt einem das Gefühl von Geborgenheit.

      Ich sitze immer noch in diesem wunderbaren Raum – auf einem der zwei Stühle, die sich an einer Wand befinden. Und während ich mich noch so in diesem Zimmer umsehe, fällt mein Blick auf eine potthässliche, alte, weiß emaillierte Leselampe, die an exponierter Stelle, auf einem wunderschönen Sekretär aus dem vorigen Jahrhundert, platziert ist. An manchen Stellen der Lampe ist die Emaille schon abgeplatzt, so dass sich dort Rostflecken ansiedeln konnten. Ist bin entgeistert. Wie kann man einen so wunderschön gestalteten Raum durch ein so hässliches Teil verunstalten? Es ist mir unbegreiflich.

      Während ich noch so darüber nachdenke, höre ich Schritte. Der Hausherr steht auf einmal vor mir. Ich springe auf, strecke ihm meine Hand zur Begrüßung entgegen und lasse sie alsbald wieder sinken, da sie nicht ergriffen wird. Dann stammele ich: „Ich bin Franziska …..“

      „Ja, ja, ich weiß: Hasselmann oder Hasselkuss oder Hasselblatt. Schließlich wurden Sie mir ja angekündigt.“ Mit einer herrischen Handbewegung fordert er mich auf, wieder Platz zu nehmen. Mit weichen Knien sinke ich, froh wieder sitzen zu können, auf den Stuhl. Der Mann bleibt vor mir stehen, so dass ich gezwungen bin, zu ihm aufzublicken.

      „Nun gut, liebe Frau, fünf Minuten und keine Sekunde länger. Sollte es Ihnen einfallen, mir eine falsche Frage zu stellen, ist das Interview sofort beendet. Also, halten Sie sich daran.“

      Ich bin unsagbar nervös und höre mich zu meinem größten Entsetzen fragen: „Warum um alles in der Welt haben Sie diese potthässliche Lampe auf den Sekretär gestellt und verunstalten diesen herrlichen Raum damit?“ Das war es ja wohl. Ich halte die Luft an.

      Doch zu meiner größten Überraschung wird das strenge Gesicht meines Gegenübers auf einmal weich, ein mildes Lächeln huscht über seine Lippen und er setzt sich neben mich.

      Dann höre ich ihn sagen: „Nun ja, ich kann verstehen, dass Sie sich fragen, was dieses hässliche Teil, potthässliche Teil, wie Sie es so gern ausdrücken, da zu suchen hat. Dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung. Diese scheußliche Lampe, die ich für 1,50 DM auf einem Flohmarkt erworben habe, hat mir Ruhm und Reichtum eingebracht.“

      Im Stillen frage ich mich, wie das wohl sein konnte.

      Da fährt er auch schon fort: „Früher war ich arm wie eine Kirchenmaus, Oft wusste ich nicht, womit ich meine nächste Mahlzeit bezahlen sollte. Ich wohnte in einem kleinen Kellerloch, dessen einzige Lichtquelle ein winziges, noch dazu total blindes Fenster war.

      Eines Tages sah ich sie, die Leselampe. Wie schon gesagt, ich kaufte sie und sie ermöglichte es mir, in der Dunkelheit meines Kellerloches, dank ihrer Strahlkraft, meinen ersten Bestseller zu schreiben. Wie es mir ohne ergangen wäre, vermag ich nicht zu sagen. Also ist es doch nur recht und billig, dass ich sie in Ehren halte.“

      Übrigens, dieses Interview hat fünfundvierzig Minuten gedauert.

       Sonja Gruber

       An dich

      Mit jeder Kerbe meine Seele

      sehe ich dich.

      Deine Liebe weckt mich.

      Mit jeder Kammer meiner Herzen

      atme ich dich.

      Deine Liebe wandelt mich.

      Mit jener Weite meiner Haut

      neige ich mich.

      Meine Liebe zeigt mir dich.

       Katharina Martin-Virolainen

       Ein Zimmer in einem anderen Hotel

      Ich stand am Fenster, er an der Tür. Ich war in eine warme Decke umhüllt, er in seinen durchnässten Mantel. Ich mit einem Glas Wein in der Hand, er mit seinem Koffer. Keiner von uns sagte was. Wir standen einander gegenüber und schauten uns verdutzt an. Endlich brach er das Schweigen. Seine Stimme war sehr tief. Vielleicht war er ein Opernsänger, der wegen des Schneesturmes in Genf festsaß und irgendwo in Europa sein Konzert verpasste. Oder er war ein Diplomat. Oder auch ein Gauner. Ein Mafioso. Ein Kunstdieb. Was kann man schon über einen Menschen sagen, wenn man ihn zum ersten Mal sieht?

      Eigentlich hätte ich schreien sollen. Ganz laut, damit man mich unten an der Rezeption hört. Vielleicht fällt er gleich über mich her und morgen früh findet man meine Leiche. Aber ich habe nicht geschrien. Ganz leise erklärte ich ihm, dass es mein Zimmer sei. Ich ging zu meinem Nachtisch und zeigte ihm den Schlüssel. Er lachte und zuckte seinen heraus. Einer von uns musste gehen. Das Zimmer wurde doppelt vergeben. Keine Ahnung, wie das passieren konnte. Aber ich war zuerst da, also hatte ich Anspruch darauf. Wenn einer gehen musste, dann er.

      Draußen tobte ein Schneesturm. Flughafen, Bahnhöfe, Straßen – alles lahmgelegt. Und er musste wieder raus, sich in der Dunkelheit und bei dieser Kälte weiter durchkämpfen und nach einem Hotel suchen. Er entschuldigte sich und kehrte um. Bevor die Tür zufallen konnte, rief ich ihn zurück. Ich bat ihn hineinzutreten. Wenn schon jemand Schuld an dieser Situation hat, dann ist es das Hotelpersonal. Ich erklärte mich bereit die Rezeption anzurufen. Sie sollen hochkommen und das in Ordnung bringen.

      Der Gast ließ sich schüchtern auf die Couch sinken und lehnte sich müde zurück. Keine zwei Minuten später stürmten zwei Hotelmitarbeiter in unser Zimmer. Sie entschuldigten sich, schworen Kostenrückerstattung, versprachen Entschädigung, waren bereit alles auf der Welt zu besorgen. Aber eins konnten sie nicht tun: Ihm ein Zimmer anbieten. Das Hotel war überbelegt. Wie das mit dem angeblich freien Zimmer und dem Schlüssel passieren konnte, dafür hatte niemand eine Erklärung.

      Die ganze Situation schien meinen Gast eher zu amüsieren. Die Hotelmitarbeiter luden ihn nach unten ein. Dort könne er an der Bar etwas trinken und eine Kleinigkeit essen. Währenddessen würden sie versuchen ein Zimmer in einem anderen Hotel für ihn zu organisieren. Es war Feiertag. Es war Wochenende. Es war Genf. Ich war gespannt, was sie da organisieren könnten und wie lange das dauern würde.

      Mein unerwarteter Besucher blieb bei der ganzen Sache ziemlich gelassen. Er griff nach seinem Koffer und wollte den Mitarbeitern folgen. Doch wieder hielt ich ihn auf. Ich bot ihm an eine Weile hier zu bleiben. Die Suite war groß genug, er störe mich nicht und dann platzte es aus mir heraus: „Ich könnte etwas Gesellschaft gebrauchen.“

      Die Hotelmitarbeiter schauten etwas verdutzt. Etwas überrascht, aber erleichtert nahm der Gast mein Angebot an. Die Hotelmitarbeiter wussten nicht wohin mit sich. Sie entschuldigten sich noch einmal und verschwanden nach unten. Sie würden sich sofort melden, sobald sie eine Lösung gefunden haben. Für die Unannehmlichkeiten, die wir beide dadurch erfahren, dürften wir uns auf Kosten des Hauses an der Minibar bedienen.

      Da waren wir wieder. Ich am Fenster, er auf der Couch. Beide mit einem Glas Wein in der Hand. Er war immer noch nass. Gut, dass die Couch aus Leder war. Ich sagte ihm, er könne doch duschen. Er muss nicht frieren. Sonst wird er ja noch krank. Er nickte, trank seinen Wein aus und verschwand im Bad. Ich drehte mich um und schaute wieder aus dem Fenster in die weiße Wüste.

      Während er im Bad war, warf ich die Decke ab und kleidete mich etwas angemessener. Wer weiß, was er sonst von mir denkt. Er kam aus dem Bad heraus. Frisch geduscht und wieder so elegant gekleidet. In jedem zweiten Satz dankte er mir für meine

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