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4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018. Christoph-Maria Liegener
Читать онлайн.Название 4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018
Год выпуска 0
isbn 9783746992471
Автор произведения Christoph-Maria Liegener
Жанр Зарубежные стихи
Издательство Readbox publishing GmbH
Als ich die Tür öffnete, ertönte die Glocke. Ein Typ mit dünnen Schnurrbart und einer dicken smaragdgrünen Schlange um den Hals schaute mich an, während er ein Kartendeck mischte. Ein verliebtes Paar, welches ihre Liebe freien Lauf ließ, schaute zu mir herüber, während die Frau kopfüber auf dem Tisch lag. Alle waren plötzlich so still. Sie durchlöcherten mich mit ihren Blicken. Dann gingen sie an mir mit musternden Blick vorbei und verließen das Diner.
Es war dieser typische Fritteusen Geruch, der in dem Diner dominierte. Die vier Personen, die vor mir das Lokal betraten, saßen an zwei Tischen, ein Stück hinter dem Tresen. Sie versteckten ihre Köpfe hinter Zeitungen und tranken Kaffee, ohne ein Wort miteinander zusprechen. Hinter dem Tresen stand ein Junge mit schwarzen Haaren, weißen Schuhen, weißen Socken, weißer Hose, weißen Shirt, weißer Schürze, weißer Mütze und schwarzen Schnauzbart. Auf seiner Brust war der Name Gonzalo eingestickt. Dieser Junge ist komplett in chefweiß gekleidet. Ich ging auf ihn zu. Er fragte mich, ob ich das Tagesangebot wolle. Ich vergewisserte mich, ob er damit die Pancakes zum halben Preis meinte. Er nickte. Ich sagte ihm also, dass ich das Tagesangebot nehme, dazu noch Spiegelei und einen Kaffee. Ich setzte mich an den Tresen und schaute die vier Menschen an, die regungslos da saßen. Dann glitt mein Blick zu Gonzalo, den Typen, der den Laden hier anscheinend am Laufen hielt, obwohl er mit meiner Bestellung schon überfordert schien. Er rührte gerade den Teig für die Pancakes fertig, die Eier lagen schon auf dem Grill und mussten bald gewendet werden, während ich meinen Kaffee kostete und die Männer einfach still waren, als die Türglocke klingelte.
Es waren zwei Polizisten, die durch ihre Sonnenbrillen den Laden musterten. Der eine zeigte auf Gonzalo und rief fragend: »Eugene?« - Gonzalo riss sich die Schürze und die Mütze vom Leib sprang über den Tresen und wollte zum Seiteneingang raus, doch die Polizei schnappte ihn. Gonzalo schrie, die Polizisten schwiegen. Sie legten ihm Handschellen an und zogen ihn einmal durch das Diner auf dem rot-weiß gekachelten Fußboden, durch die Tür, durch den Sand und warfen ihn in den Kofferraum. Ich hörte noch das dumpfe Klopfen aus dem Kofferraum durch die Glasscheibe, während ich am Tresen saß und dachte, warum das genau jetzt passieren müsse, wenn mein Spiegelei fast fertig ist. Ich ärgerte mich. Die vier Menschen in ihren karierten Anzügen hielten noch immer die Köpfe in die Zeitungen – ich glaube sie haben den Vorfall nicht mitbekommen.
Ich schaute mich um, verzweifelt nach einem weiteren Mitarbeiter, der mein Spiegelei umdreht und die Pancakes auf den Grill wirft. Doch niemand weit und breit. Noch 45 Minuten hatte ich Zeit. Langsam musste es schnell gehen, sonst wird das nichts mehr. »Was soll's«, dachte ich, trank den letzten Schluck aus meiner Tasse und sprang über den Tresen, nahm den Pfannenwender, wollte gerade das Spiegelei drehen, doch dachte dann an die Spritzflecken. Ich ging in den Hinterraum und suchte nach einer Schürze. Eine Minute später kam ich komplett in chefweiß raus; Schuhe, Socken, Hose, Shirt, Schürze, Mütze. Ich drehte endlich mein Spiegelei um, schmiss die Pancakes auf die Grillplatte und goss mir einen weiteren Kaffee ein – er schmeckte unverständlich gut.
Kurz bevor alles fertig war, ertönte erneut die Türglocke. Es waren zwei Jugendliche. Sie kamen an den Tresen. »Hallo Sir!« - Ich war überfordert. Sollte ich ihnen sagen, dass ich gar nicht hier arbeite? Mein Outfit sagte etwas anderes. »Ja Bitte?« - »Einmal Pancakes für mich« - »Und für Sie Mister?« - »Ich nehme das Spiegelei« - »Kaffee dazu?« - »Gerne«. Ich legte die zwei schon fertigen Gerichte auf die Teller und brachte sie ihnen. »Wow, das ging ja verdammt schnell!«, freute sich der eine. »Sie haben den Laden ja super am Laufen, he?«, sagte der andere. Ein Lächeln glitt über meine Lippen. Bevor ich überhaupt daran denken konnte, was ich jetzt mache, ob ich mir neue Pancakes zubereite oder einfach durch den Hintereingang verschwinde, kam eine größere Gruppe von Menschen herein. Alle bestellten etwas. Cola, Kaffee, Pancakes, Sandwiches, Spiegelei. Wie zum Teufel hat Gonzalo das alleine geschafft? Ich bereitete alles zu. Mit Leidenschaft. Konzentriert. Voller Freude. Es machte mir echt Spaß. Als ich fertig war, schaute ich auf die Uhr. Den Termin hatte ich um 30 Minuten verpasst. Aber egal, anscheinend hatte ich ja einen neuen Job. Eugene wird schon damit einverstanden sein, dachte ich, wenn er sieht wie ich den Laden florieren lasse.
Ich arbeitete bis 11 PM, dann schloss ich den Laden zu. Der Schlüssel steckte noch als ich eine Stimme hörte. »Eugene?« - Es war die gleiche Stimme wie am Vormittag. Die gleichen Polizisten standen vor mir. Ich dachte an den Vorfall heute morgen, blickte nach links, blickte nach rechts und lief in die Wüste. Dass das Polizeiauto schneller war, steht außer Frage. Sie legten mir Handschellen an und schmissen mich in den Kofferraum. Einer von ihnen schlug mit seiner Pistole auf meinen Kopf – ich war bewusstlos.
Ich wachte in einem dunklen Raum auf. Vereinzelte Lichtstrahlen schimmerten durch das kleine hohe Fenster. Gitterstäbe umgaben mich. Ich blickte durch die düstere Zelle und entdeckte lange, dünne Gesichter. Trauer und Angst steht darin geschrieben. Sie lagen kauernd in der Ecke, auf dem Boden und auf den Bänken. Alle gekleidet in chefweiß. Ein faltiger Mann kommt zu mir, streckt seine Hand aus und sagt: »Hallo, mein Name ist Eugene!«
Sonja Crone
Ein Gedicht
Am Anfang A
Aufsteigend
Als Ast
Dazwischen Worte
Neue Worte
Sprießend Gegen
Mauergebein
Am Ende Sinn-
Bilder flatternd
Wie Schmetterlinge
Auf Drahtseilen.
Ismail Kanay
GENAUIGKEIT UND GERÜMPEL
eines tages dann, das ende daheim
endlich, von dem nagenden wunsch
mich befreiend, einmal ein umhegtes
gelände werden zu können
genauigkeit und gerümpel, mehr war
mein leben nicht hier gewesen
hinter dieser tür, festzuhalten
mit allen erdenklichen stiften
ein zuhause also, vom blick her leicht
abzutasten, zu durchbrechen
diese abartige kontinuität von
keimenden erinnerungslücken
beginnend beim sofa, wo mittagsschlaf
stattfand unter dieser warmen decke
vorbei an treppen und konsolen
hinweg zu den großen fenstern
fehlt hier das weiß der wände nicht
wie ich es halt wollte, auch die unruhe
der beschriebenen blätter, die nachwehen
meines kümmerlichen lebens morgen werde ich zwischen körben
kartons und gartengeräten ein rätsel sein
für mich selbst, wenn sie mich abholen
ein fragezeichen für die andern
Gisela Baudy
wenn
wenn stille
an sprache rührt
entsteht
reibung
und licht
beginnen