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4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018. Christoph-Maria Liegener
Читать онлайн.Название 4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018
Год выпуска 0
isbn 9783746992471
Автор произведения Christoph-Maria Liegener
Жанр Зарубежные стихи
Издательство Readbox publishing GmbH
Christian Engelken
Die Löwen
Es dösen die Gatten
Gewöhnlich im Schatten,
Sie blinzeln und gähnen
Und schütteln die Mähnen
Und spenden den Samen -
Den Rest tun die Damen…
Sie sind, weiß der Kenner,
Halt richtige Männer.
Simon Bethge
Schwarmgelächter
Zwischen den Steinplatten passiert etwas. Der schwarze Streifen Erde scheint sich zu bewegen; eine kleine Spinne kriecht in die kalte Nacht, die auf träge Fliegen hoffen lässt. Aber Mayas Stiefel bricht über sie herein wie ein wildlederner Rachegott und zerstört diesen Mikrokosmos.
Einen Fuß vor den anderen setzend, tanzt sie die Wasserkante entlang und ihre roten Haare flackern jedes Mal auf, wenn sie eine Straßenlaterne passiert. Wir sind in letzter Zeit oft hier. Am Hafen, auf der andern Seite vom Fluss. Der Rauch ihrer Zigarette spinnt Fäden um sie. Hüllt sie ein, bis die Kippe heißgeraucht und Maya hinter grauen Schleiern verschwunden ist. Ich sehe sie nicht mehr; einen Moment lang habe ich Angst — wie oft schon, kann ich nicht sagen, irgendwann habe ich aufgehört, zu zählen. Wenn sie bei mir ist, geht’s mir gut, aber wenn nicht, kommt die Angst zu mir zurück wie ein Boomerang.
Dann lässt sie ihren Nebel hinter sich und lächelt mich über die Schulter an. Am Horizont spiegelt sich der Mond blass auf dem letzten Kunstwerk unserer Stadt; verlassene Baukräne beugen sich über sie wie alte Brüder. Ich bleibe zurück, als Maya ein paar Schritte vorspringt. Sie lockt mich in eine Nische, zu einer toten Laderampe. Wartet an einer Wand und als ich ihr folge, springt sie mir in die Arme. Ich bemerke unwillkürlich, dass wir seit gut einer Stunde kein Wort mehr gewechselt haben.
Und auch jetzt schweigen wir. Die Wand, an die ich sie drücke, ist grau und rissig. Hier und da sieht man schwarze Flecken, wo Hafenarbeiter ihre Kippen ausgedrückt haben. Nachtmöwen ziehen ihre ruhigen Bahnen und lachen wissend auf uns herab. Meine Finger finden ihre Lippen, und ich streiche mit dem Daumen darüber. Sie wimmert leise, denn sie weiß, was kommen wird. Einen Moment liegen sich unsere schwarzen Münder wie zwei offene Wunden gegenüber; im Mondschein lauert der rote Muskel ihrer Zunge unruhig. Und ich kann nicht mehr warten –
— einen Augenblick später löst sich Maya von mir, schaut auf und mich wieder an: „Nicht hier.“ Noch immer schweigend gehen wir unseren Weg zurück, vorbei an toten Spinnen und dem Summen der Sodiumlampen, bis wir zu ihrem kleinen Wagen kommen. Sie hat im Schatten geparkt, denn eigentlich darf so spät niemand mehr bei den Lagerhallen sein. Wir ruckeln über die Brücke zurück, und ich kann mich kaum beherrschen, sie von meinem Platz aus nicht gierig zu betrachten; die ersten Menschen des neuen Tages schleichen schweigsam über den Asphalt.
Immer schneller kommt die große Stadt in Bewegung, Maya und mir fällt es immer schwerer, das Dazwischen zu entschleunigen. Manchmal weint sie im Schlaf, und wenn ich sie, auf die Ellenbogen gestützt, dabei beobachte, will ich immer die Stadt untergraben, und mit ihr in die Tunnel ziehen. Nur parasitär mitfahren im Unterboden der U-Bahn, Kopfsteinpflaster überwinden und am Ende von den Klippen des Atlantic springen!
Und ich wünsche wünsche wünsche mir einen Seitenblick, der meine Zweifel erstickt und die Luftschlösser erobert.
Nein, nicht hier, sie hat schon recht.
„Ich hab’s mir überlegt“, fängt Maya an, Blickduelle mit dem Mittelstreifen verlierend, „vielleicht doch lieber morgen.“ Das ist alles.
Sie hält rechts an und fährt mein Fenster hoch, wie um mich noch einen Moment vor dem blau gereiften Irrsinn draußen zu schützen: „Gute Nacht, Eva, und bis morgen.“ Ich steige raus zu den Menschenkonturen, verschanzt hinter Pappbechern mit Kaffee. Bevor sie wegfährt, wende ich mich ab, und betrete das warme Gelb des Kiosks.
Mein Boomerang kommt zurück. Morgen wird wohl noch lange dauern.
Kommentar: Eine unromantisch-romantische Stimmung wird auf den Leser übertragen. Eindrucksvoll.
Jochen Bender
Mein Interview mit E.M.
Die Zukunft der Menschheit wird im Silicon Valley gemacht. Seit Jahren schreibe ich hierüber voller Leidenschaft im Internet. Meine Worte kommen an, immer mehr Menschen abonnieren meinen Blog und selbst im Silicon Valley nimmt man meinen Erfolg war. E.M., eines meiner großen Vorbilder, von dem ich nicht weniger als entscheidende Impulse für die Zukunft der Erde erwarte, hat mich zu einem Interview eingeladen. Soeben führt mich eine unglaublich hübsche Sekretärin in seine geheiligten Hallen. Das mit den Hallen ist nicht übertrieben, ist sein Büro doch größer als meine Wohnung. Er sitzt am anderen Ende an einem Schreibtisch aus Chrom und schwarzem Stein, vor ihm nichts als drei Bildschirme und eine Tasse. Bei unserem Eintreten sieht er nicht auf. Meine Hände schwitzen und mein Bauch rumort. Die Schönheit nickt mir aufmunternd zu, dann lässt sie uns allein. Zögernd mache ich einen Schritt auf den Großmeister zu.
Ich: Es ist mir eine große Ehre…
Sein Arm schießt hoch, seine Hand macht ein unmissverständliches Stopp-Signal, weist dann auf einen kargen Stuhl vor seinem Schreibtisch. Zögernd durchquere ich den Raum und nehme Platz. Er thront in seinem schwarzen Ledersessel, ohne den Blick von dem Bildschirm vor sich zu wenden. Ich wage es, das Papier mit meinen Fragen vor mich auf seinen Schreibtisch zu legen. Er runzelt die Brauen, sieht mich erstmals an.
E.M.: Sie haben fünf Minuten! Am besten kommen Sie schnell auf den Punkt!
Er nimmt seine Kaffeetasse in die Hand.
Ich: Also gut, wie wollen Sie dazu beitragen, die Welt gerechter zu machen?
Er spuckt seinen Kaffee quer über den Tisch.
E.M.: Was für eine Frage ist das denn?
Ich hebe mit spitzen Fingern das Blatt mit meinen Fragen hoch. Sein Kaffee tropft davon herunter.
Ich: Äh, wir hatten doch ein Interview zum Thema vereinbart, wie Milliardäre wie Sie die Welt besser machen können.
E.M.: Besser! Aber doch nicht gerechter!
Ich: Aber denken Sie nicht…
E.M.: Die Welt wird besser, wenn man uns Starke machen lässt und die Regierungen sich raushalten! Das gilt auch für die deutsche Regierung!
Ich: Aber…
E.M.: Kein Aber! Adam Smith hat Recht, basta! Der ungestörte Eigennutz des Einzelnen dient letztendlich dem Gemeinwohl! Widerrede dulde ich keine! Sonst noch Fragen?
Meine vorformulierten Fragen sind unleserlich geworden. E.M. bevorzugt seinen Kaffee schwarz und stark. Krampfhaft versuche ich mich an meine Fragen zu erinnern. Abzuwarten scheint nicht seine Stärke zu sein.
E.M.: Ich mache die Welt besser, indem ich die Art verändere, wie die Menschen künftig Energie produzieren und verbrauchen! Ich mache die Welt besser, indem ich die Mobilität verändere!
Ärger wallt in mir auf. Etwas zerbricht.
Ich: Und wenn wir nicht mitmachen?
E.M.: Ihr habt keine Wahl! Ich werde die besten Produkte herstellen!
Ich: Und wenn wir diese nicht kaufen?
E.M.: Warum solltet ihr diese nicht kaufen?
Ich: