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4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018. Christoph-Maria Liegener
Читать онлайн.Название 4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018
Год выпуска 0
isbn 9783746992471
Автор произведения Christoph-Maria Liegener
Жанр Зарубежные стихи
Издательство Readbox publishing GmbH
Kommentar: Ob das Szenario realistisch ist, mag dahingestellt bleiben. Tatsache ist jedoch, dass Eltern gern versuchen, ihre Kinder vor den Fehlern zu bewahren, die sie, die Eltern, von sich selbst kennen. Auch wenn es gegen das Sprichwort vom Glashaus verstößt, es geschieht in bester Absicht!
Armin Leonhard Fischer
NIRGENDWO
NIRGENDWO IST MAN BESSER AUFGEHOBEN ALS GANZ WEIT WEG VON HIER UND DAHER IST ES BESSER SICH AUFZUMACHEN UND DEN SCHÖNEN ORT DER GERADE DROHT HEIMAT ZU WERDEN FÜR WER WEISS WIE LANGE ZU VERLASSEN
VIELLEICHT UM NUR N I E ZURÜCK KEHREN ZU MÜSSEN VIELLEICHT UM WIEDER DIE UND DAS FREMDE ZU SPÜREN UND VIELLEICHT AM RANDE DAS ABSEITS ALS EINZIG SICHEREN ORT ZU BEHALTEN
Kommentar: Der Text war ursprünglich als eine Art Bildgedicht in Blockform gedacht. Da es sich dabei um ein anderes Format als das des Buches handelte, musste der Text angepasst werden. Dadurch ging die ursprüngliche optische Wirkung des Textes verloren. In Absprache mit dem Autor wurde hier nun eine Formatierung gewählt, die dem Gesamtstil der Anthologie entspricht.
Die äußere Form ist indes nur ein Faktor. Was mehr zählt, ist der Inhalt.
Mona Krassu
Kreiseln
Sie bückt sich, verliert dabei das Gleichgewicht, findet Halt am Schuhschrank. Senkel und Schuhe verschmelzen mit dem Boden. Bunter Kreisel, dideldum, ei wie lustig, ei wie schön. Bums, da fällt der Kreisel um. Sie sitzt auf dem Boden und lacht. Sitzt, lacht, flucht, wartet, dass das Karussell sich langsamer dreht. Dann zieht sie sich an der Garderobe hoch. Die Schuhe lässt sie offen, wankt zur Tür raus. Es muss sein. Lange hält sie nicht mehr durch. Das Zittern wird stärker. Nicht nur in den Händen. Auch die Füße zittern irgendwie. Sie zittern, obwohl sie gar nicht da sind. Jedenfalls fühlt sie ihre Füße nicht. Als hätte sie jemand von ihr abgeschnitten. Zittern tun sie trotzdem, wegen der offenen Schuhe vielleicht. Die Knie zittern auch und sie brennen irgendwie. Die sind noch da, noch dran an ihr, die Knie. Sonst würden sie ja nicht brennen.
Die Pflastersteine tanzen unter ihr. Was tanzt, das lebt. Leben ist draußen, außerhalb von ihr, wie ihre Füße. Leben sind die Männer und Frauen, die vorbeieilen, sich nach ihr umdrehen. Leben sind Motorroller mit lauwarmer Pizza auf dem Gepäckträger. Leben sind Kinder, die in Kassenschlangen nach Schokoriegeln plärren. Sie hat keine. Auch keinen Mann. Nicht mal der Pizzabote erkennt sie auf der Straße wieder. Er bringt auch keine Pizza. Er liefert überteuerten Wein. Die leeren Flaschen im Flur übersieht er. Der Weg zum Container ist weit, verdammt noch mal. Der zum Discounter auch. Sonst würde der Pizzabote nicht so oft bei ihr im Flur stehen, die leeren Flaschen übersehen und so tun, als rieche er nicht ihren schlechten Atem. „Als hättest du faule Eier gefrühstückt, sag ich dir.“ Das hat Peter aus der Gruppe zu ihr gesagt. Da war sie den ersten Tag trocken. Ein Anderer sagte: „Wie ein Abwasserkanal, du stinkst wie ein Abwasserkanal.“ „Selber.“, antwortete sie und schubste ihn weg. „Angst vor Wasser, was? Egal ob von innen oder außen.“, er lachte. Sein Lachen war genauso schmutzig wie er. Richtig verkrustet. Wenig später stand sie wieder auf der Straße. Sie sei noch nicht so weit.
Sie prustet los. Sie steht auf der Straße, tanzt mit den Pflastersteinen und lacht. Dann laufen Tränen über ihre Wangen. Wo die nur wieder herkommen. Wenn der Mensch stinkt, ist er Abfall, sagen die in der Gruppe. Sie wäscht sich, jeden verdammten Morgen. Den Spiegel hat sie zugeklebt. Warum weiß sie nicht mehr. Zähneputzen ist viel schwieriger. Das Würgen bringt sie noch um, verdammt noch mal. Da klingelt was. Hinter ihr quietscht es. So laut. Kopfschmerzlaut. Jemand zerrt an ihrem Arm. Gelbe Schlange kreischt an ihr vorbei. Die Leute stehen um sie herum, schütteln die Köpfe.
Beratungsstelle. Die Buchstaben tun besoffen. Drauf gespuckt. Da geht sie nicht mehr hin. Die stinken da alle. Sie wiegt die Münzen in der Tasche. Ungefähr sieben Euro. Wein oder Schnaps? Wein ist besser. Vom Billigen kriegt sie drei Liter, wenn sie Glück hat. Bier ist scheiße. Vom Bier fängt man an zu stinken, von innen heraus. Von innen heraus stinken, ist das Schlimmste. Dann ist es zu spät, sagen die. Ein Centstück rollt aus der Tasche. Sie schafft es nicht, es aufzuheben. Seit wann hat das Kleid überhaupt Taschen.
Licht in der Kneipe. Atemhauch am Fenster. Ihrer. Atem ist Leben. Nicht viel los da drin.
Zahltag ist am Ersten. Das kriegt sie mit, wenn Zahltag ist. Sie ist ja nicht besoffen. Da sind sie spendabel mit sich und der Welt. Bestimmt Monatsmitte jetzt. Da gehen sie nicht aus. Wissen ja nicht, was zum Ende hin noch kommt. Sie kennt die Menschen. Sie ist ja nicht blöd. Die Klinke rutscht ihr aus der Hand. Sie glotzen. Kann ja mal passieren, dass einem das Dings da aus der Hand rutscht.
„Da leck mich doch die Kuh am Arsch.“ Was sagt der da? Was die so starren. Der Barhocker kippelt, fällt. Sie hält sich am Tresen fest. Das Kleid ist nicht das Kleid. Ist der Morgenmantel. Kann ja mal passieren, wenn man es eilig hat. Passiert doch jedem mal. Der, der da glotzt, ist auch nicht besser. Sitz da im Unterhemd. Sie kriegt das ja mit. Sie ist ja nicht besoffen. Der Wirt schüttelt den Kopf, redet was von nach Hause gehen. Zu Hause ist da, wo es brennt. Also hier, also Schnaps. Brennen soll’s. Das dumpfe Gefühl ausbrennen, dass da hockt auf ihrem Brustkorb und sie nicht atmen lässt. Brennen soll die Watte im Kopp. Sie will wieder denken, ganz normale Gedanken denken.
„Auf die Pizzadings! Jungs, mein ich.“, schreit sie. Sie trinkt, schiebt das Glas zurück zum Wirt, lacht. Lacht und leckt Blut ab, von ihrer Hand. Der Wirt flucht. Er zerrt und zieht an ihrem Dings, äh Kleid. Geht man so mit Frauen um! Sie ist ja nicht besoffen, verdammt. Sie kriegt das ja mit, wie die hier mit Frauen umgehen.
Taxi mit Lichtern. So viele Lichter. Männer halten sie fest. Mützenmänner. Als Kind hatte sie einen Kapitän. Der hatte auch so eine Mütze und einen weißen, weichen Bart. Mutter sagte:
„Männer mit so einer Mütze und so einem Bart sind nicht gut. Sie sind nie da.“ Ihr Kapitän war da. Und wenn er nicht da war, hat er ihr bunte Karten geschickt, mit großen Schiffen drauf und viel blau. Sie hatte ihn Onkel genannt. Da haben sie geschimpft mit ihr. Er sei doch ihr Vater.
Einer beugt sich über sie. Der hat keine Mütze, nur einen Bart. Vielleicht hat er die Mütze vergessen. Er blendet sie. Er sagt, sie solle jetzt schlafen. Und er sagt, sie muss aufhören, unbedingt. Auf wen hören? Der Onkel ist nicht mehr da. Mutter auch nicht. Nicht mal der Kapitän. Sie weiß nicht, was der meint. Aber sie ist ja nicht besoffen verdammt. Sie kriegt das schon mit.
Anette Kiel
Als mein Herz zerbrach
Früh am Morgen küsst mich die Sonne wach. Vogelgezwitscher lockt mich aus dem Bett. Ich spüre das Leben durch meinen Körper fließen und bin zu allem bereit. Glücklich über den neuen Tag springe ich aus dem Bett. Ich fühle mich wie eine Königin. Der Blick in den Spiegel bestätigt, dass es mir gut geht. Heute liegt mir die Welt zu Füßen. Heute bin ich bereit für alles.
Es gibt viele dieser wunderbaren Tage, an denen ich mich am Leben freue. Aber es gibt auch die anderen Tage. Tage, an denen ich am liebsten alleine bin. Tage, an denen ich mich in mein Schneckenhaus zurückziehe. Tage, an denen mich die Einsamkeit mit Macht überkommt. Ich fühle mich davon überrollt, wie von einer Dampfwalze, die aus dem Nichts kommt und alles Gute und Schöne niederwalzt und zunichte macht. An diesen Tagen leide ich an einem unerklärlichen Mangel und fühle mich total verlassen.
Das sind die Momente in denen ich mir wünsche, mich in Nichts aufzulösen. Einfach nicht mehr da sein, um dieses erschütternde Gefühl der Verlassenheit nicht spüren zu müssen.
Hinzu gesellt sich meist nach kurzer Zeit eine tiefe Trauer, die mir beim kleinsten Anlass die Tränen in die Augen treibt. Ich fühle mich, als schäle man mir das Herz aus dem Leib. Wie eine Zwiebel, von der man Schicht um Schicht abtrennt, bis nichts mehr übrig ist, außer den lebensnotwendigen Funktionen.
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