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seine Runde.

      Ein Sekundenbruchteil blieb ihm, um die Situation zu begreifen. Aber der reichte nicht, um das Gewehr hochzureißen, das er lässig in der Rechten trug. Es reichte noch nicht einmal für einen Schrei. Er bekam den Kolben von Coburns Winchester gegen den Kopf, fiel der Länge nach zu Boden und rührte sich nicht mehr.

      Es würde wohl eine ganze Weile dauern, bis er wieder aufwachte...

      Coburn ließ den Blick schweifen, aber von den anderen Banditen schien keiner etwas gemerkt zu haben. Gut so.

      Dann wandte er sich zu der jungen Frau, die ihn mit großen Augen anstarrte. In diesem Moment spätestens hatte sie begriffen, dass er die Wahrheit gesprochen hatte.

      In Coburns Kopf wirbelte einiges durcheinander. Zweifellos hatte man dieser Frau Schlimmes angetan. Allein auf sich gestellt war ihre Flucht zum Scheitern verurteilt. Aber wenn Coburn ihr half, musste er seine Rache an Warren verschieben...

      Im Augenblick war sie ein erbarmungswürdiges Bündel aus Angst und Verzweiflung.

      Und so groß Coburns Durst nach Rache auch war - er konnte sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.

      "Komm!", sagte er schließlich.

      "Wohin?", wisperte sie.

      "Weg von hier!"

      Sie schien nicht zu begreifen.

      "Ich dachte, du wolltest mit Warren abrechnen!", warf sie ein. Coburn zuckte die Achseln.

      "Das kann noch warten. Ich werde dich erst in Sicherheit bringen. Allein kommst du hier nicht weg, das muss dir doch klar sein."

      Er nahm sie bei der Hand und zog sie mit sich. Sie widerstrebte nicht. Sie schlichen in geduckter Haltung von einem Gebäude zum anderen.

      Dann ging es hinaus in die dunkle Ebene und schließlich hatten sie Coburns Pferd erreicht.

      "Wie kommt eine Lady wie du unter diese Wolfsmeute?"

      "Mein Mann und ich hatten eine kleine Ranch im Grenzgebiet. Meinen Mann und seine beiden Cowboys haben sie erschossen, die Ranch angezündet und die Rinder mitgenommen. Und mich..."

      Sie stockte und blickte zur Seite. "Sie haben mich mitgenommen. Sie wollten mich eigentlich an ein Bordell in Magdalena verkaufen. Blonde Frauen sind dort offenbar eine Rarität..."

      Sie atmete tief durch und Coburn nickte.

      "Ich verstehe", sagte er.

      Und er sagte das nicht nur so dahin.

      Er verstand sie wirklich, denn sie hatte Ähnliches durchgemacht wie er selbst.

      Nach kurzer Pause fuhr sie fort: "Einer der Kerle konnte sich nicht beherrschen und ist über mich hergefallen. Ich habe mich gewehrt - und so wie ich im Moment aussehe, können diese Bastarde keinen guten Preis für mich erzielen. Also wollten sie mich solange festhalten, bis die Spuren nicht mehr sichtbar sind..."

      "Steig auf", sagte Coburn. "Und dann reite bis zu den Bergen." Er deutete mit der Hand. "Wenn du dich genau in diese Richtung hältst, erreichst du den Eingang einer Schlucht..."

      Sie stieg auf, machte aber keinerlei Anstalten loszureiten.

      Statt dessen fragte sie: "Und dann?"

      "Warte dort auf mich."

      "Die kennst nicht einmal meinen Namen. Woher willst du wissen, dass ich nicht einfach mit deinem Pferd und deinen Sachen verschwinde?"

      "Weil Apachen in der Gegend sind. Ich glaube nicht, dass du scharf darauf bist, vom Regen in die Traufe zu kommen!"

      Sie schluckte.

      "Ich weiß. Einen von Warrens Leuten haben sie auf seinen Gaul gebunden und das Tier zurück zur Hazienda laufen lassen. Warren war ziemlich aufgeregt deswegen."

      Coburn nickte.

      "Ja. Die Roten scheinen auf El Diablo nicht gut zu sprechen zu sein."

      Sie schwang sich in den Sattel.

      "Was wird aus dir?"

      "Ich werde mit Warren abrechnen. Wenn ich bis morgen früh nicht bei den Felsen dort drüben auftauche, musst du dich allein durchschlagen."

      "Ich wäre gerne dabei, wenn du diesem Warren eine Kugel in den Kopf jagst!", bekannte sie offen.

      "Ich werde genug damit zu tun haben, selbst wieder lebend aus diesem Wespennest herauszukommen. Da kann ich dich nicht gebrauchen..."

      Sie nickte.

      "Mein Name ist übrigens Helen", sagte sie dann. "Helen McCarvor."

      Coburn antwortete nicht.

      Stattdessen gab er dem Pferd einen Klaps.

      32

      Coburn schlug einen Bogen um die Hazienda und kam zur hinteren Seite des Wohnhauses.

      Es gab dort eine Tür, aber ein Fenster, das leicht zu öffnen war. Annähernd lautlos stieg Coburn ein, die Winchester im Anschlag.

      Er befand sich in einem Raum, in dem ein halbes Dutzend Männer kampierten. Einer schnarchte ziemlich laut.

      Warren war jedenfalls nicht unter ihnen.

      Coburn ging zwischen ihnen hindurch und kam durch eine Tür.

      Im Flur war es ziemlich dunkel. Eine Treppe führte hinauf zu den Räumen des Obergeschosses.

      Vermutlich hatte El Diablo eines der Zimmer für sich reserviert. Schließlich war er hier der Boss.

      Vorsichtig trat Coburn die Stufen hinauf. Eine von ihnen knarrte etwas. Aber das schien niemanden aufzuwecken.

      Oben gab es ebenfalls einen Flur und Reihe von Türen Eine stand offen. Coburn trat vor und sah vorsichtig hinein.

      Das Mondlicht fiel durchs Fenster.

      Ein Mann schlief in einem Sessel. Das Haar schimmerte rötlich. Es war niemand anderes als El Diablo.

      Coburn trat auf ihn zu und hielt dabei den Lauf der Winchester auf den Bandenführer gerichtet. Endlich stand er dem Mann gegenüber, der für das verantwortlich war, was mit seiner Frau und seinem ungeborenen Kind geschehen war.

      Coburn fühlte, wie der kalte Grimm wieder in ihm aufstieg.

      Er war nahe daran, einfach abzudrücken und diesen vielfachen Mörder mit einer Handvoll Bleikugeln vollzupumpen.

      Einen unendlich langen Augenblick lang stand er so da und starrte auf den Mann, dessen Tod er so sehr wünschte wie sonst nichts.

      Dann war plötzlich von draußen eine heisere Männerstimme zu hören.

      "Aufwachen, Leute! Jemand hat Grayson niedergeschlagen! Und dieses verdammte Frauenzimmer ist weg!"

      Auf der Hazienda begann sich an verschiedenen Stellen etwas zu regen.

      Und auch El Diablo schreckte hoch.

      Als er Coburn wie einen finsteren Schatten dastehen sah, riss er vor Schreck die Augen auf.

      "Einen Ton und du bist ein toter Mann, El Diablo", flüsterte Coburn in einem Tonfall, der seine Entschlossenheit verriet.

      Und Warrens Gesichtsausdruck ließ keinerlei Zweifel daran, dass er Billy Coburn wiedererkannt hatte. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn.

      Er schluckte und hob die Schultern.

      "Du hast allen Grund dazu, Angst zu haben", knirschte Coburn grimmig.

      Mit dem Stiefelabsatz kickte er gegen die Tür, so dass sie ins Schloss fiel.

      Draußen erwachte indessen das Leben.

      Stimmengewirr war zu hören.

      Und auch unten im Haus erwachte

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