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      Ich war so unendlich traurig, dass ich das Weihnachtsfest über nur auf dem Sofa saß und weinte und mich über meine Geschenke gar nicht freute, war doch Anton nicht da, der die Freude mit mir teilen und aufgeregt mit den Geschenkbändeln spielen, sich im Glanzpapier wälzen und dabei freudig miauen konnte. Es war so furchtbar still, selbst die Schallplatte mit den Weihnachtsliedern und der Duft nach Omas geliebtem Braten vermochten diese plötzliche Dunkelheit in mir nicht zu erhellen. Es war mir, als sei ein Teil von meinem Herzen mit Anton gestorben.

      Am Abend besuchten wir die Christvesper, das ist Tradition in unserer Familie. Ich wollte nicht mit, aber Mama sagte, das würde mich auf andere Gedanken bringen. Daran glaubte ich nicht, doch ich ließ es über mich ergehen. In der Kirche saßen so viele strahlende Gesichter, rotwangige Kinder und selig lächelnde Erwachsene und mir war einfach elend. Doch tatsächlich dachte ich während der andächtigen Lieder und klugen Worte des Pfarrers an etwas anderes als den Verlust von Anton.

      Und nach dem Gottesdienst, als all die Erwachsenen herumstanden und sich fröhliche Weihnachten wünschten, kam mit einem Mal der Pfarrer auf mich zu. Er war ein alter Mann, bestimmt schon hundert oder noch älter, hatte ganz weiße Haare und so viele Falten im Gesicht, dass er aussah, als habe man ihn zusammen- und wieder auseinandergefaltet.

      Er ging vor mir in die Knie, dass er mir ins Gesicht sehen konnte. „Ich habe gehört, dass Anton von uns gegangen ist“, sagte er leise.

      Ich sah ihn an und meine Augen füllten sich sofort wieder mit Tränen. Stumm nickte ich.

      Der Pfarrer blickte kurz zu Boden. „Gott habe ihn selig“, murmelte er, dann hob er seinen Blick wieder. „Komm mit, ich möchte dir etwas zeigen.“ Er stand auf und reichte mir seine Hand.

      Ich nahm sie und sah zu Mama. „Mama, der Herr Pfarrer möchte mir etwas zeigen.“

      „Natürlich, geh ruhig“, sagte Mama und warf ihm einen dankbaren Blick zu.

      Ich darf normalerweise nicht mit Leuten mitgehen, die ich nicht so gut kenne, aber der Pfarrer ist eigentlich schon ein Teil unserer Familie. Er hat meine Mama getauft, konfirmiert, meine Eltern verheiratet und auch mich getauft. Er ist ein guter Freund meiner Oma und manchmal, wenn wir bei meinen Großeltern sind, besuchen wir ihn. Er hat ganz viele Enkelkinder, bestimmt zwanzig oder noch mehr. Meine Mama hat früher mit seiner Tochter im Sandkasten gespielt.

      Der alte, gutmütige Pfarrer führte mich durch den Seiteneingang aus der Kirche hinaus in den Garten. Die Stimmen der Menschen waren nur noch gedämpft zu hören, ein winziger Schimmer Licht fiel durch die Glasfenster hierher. Vor einem Blumenbeet blieb er stehen.

      „Dort, mein Kind, liegt Anton“, sagte er. „Ebenso wie all die anderen Tiere unserer Gemeinde.“

      Ich machte große Augen. „Ehrlich? Da drin?“

      „Ihre Körper ruhen in diesem Grab, doch ihre Seelen sind immer noch unter uns. Sie wachen über uns und sie freuen sich jedes Mal, wenn wir an sie denken. Denn so wissen sie, dass sie niemals vergessen werden.“

      Ich stemmte die Hände in die Hüften. „Ich werde Anton niemals vergessen. Er ist mein bester Freund.“ Traurig senkte ich den Blick. „Er war es.“

      „Aber nein. Er ist es immer noch und er wird es auch immer sein.“ Der Pfarrer betrachtete das schneebedeckte Beet, das im Mondlicht glitzerte. Im Sommer schillerte es sicherlich vor bunten Farben. „Egal, ob Mensch oder Tier, sie verlassen uns nie. Und wenn du dich Anton noch näher fühlen willst, kannst du hierherkommen und deine Blumen ablegen. Er sitzt dort oben beim lieben Gott und sieht auf dich hinab. Und er wird sich freuen, wenn du immerzu an ihn denkst.“

      Ich strahlte den Herrn Pfarrer an. „Das werde ich.“

      Ich hörte Schritte und sah Mama, Papa und meine Großeltern in den Garten treten. „Mama!“, rief ich aufgeregt. „Hier liegt Anton! Und er ist immer noch bei uns!“

      Mama lächelte. „Natürlich ist er das.“

      Irgendwo in den Büschen nahm ich eine Bewegung wahr und kniff die Augen zusammen. Ich war mir ganz sicher, dass Antons Geist es war, der dort durch das Unterholz huschte und mich beobachtete. Er wachte über mich und sah mir zu bei allem, was ich tat, deshalb musste ich auch nicht mehr weinen, als wir den Garten verließen und den Heimweg antraten. Denn mit einem Mal hatte ich verstanden: In jedem Tier, in jedem Menschen und in jeder Blume lebte ein winziges Stück von Anton weiter, begleitete mich und ging nie – nie in meinem ganzen Leben – verloren.

      Und auch heute noch, zehn Jahre später, sehe ich seinen Schatten umherflitzen, weiß ich, er ist bei mir und wird somit niemals verschwinden.

      Denn niemand ist gestorben, solange wir noch an ihn denken.

      Gewidmet Anton

      Carina Isabel Menzel wurde 1999 geboren und lebt mit ihrer Mutter, ihrer Zwillingsschwester und ihrer Katze Pony Hütchen in Sandhausen. Neben dem Schreiben tanzt sie Stepptanz und Modern Jazz, liest viel, geht gerne ins Kino und gibt Flötenunterricht für Grundschüler. Zahlreiche ihrer Geschichten erschienen bereits in Anthologien und 2017 wurde ihr Debütroman „Miss of the Match“ beim Papierfresserchen veröffentlicht. Weitere Infos zu Carina auch auf ihrer Homepage www.carina-isabel-menzel.npage.de.

      *

      Für immer Momo

      Warum hatte sie nicht mehr gelernt? „Eine Vier im Mathetest ist kein Beinbruch ...“ Anna konnte die Stimmen der Erwachsenen förmlich hören, aber es ärgerte sie trotzdem. Maßlos. Außerdem hatte sie sich heute mit ihrer besten Freundin wegen einer Kleinigkeit in die Haare bekommen.

      Dieser Mittwoch war nicht ihr Tag.

      Missmutig, mit hochgezogenen Schultern stapfte Anna von der Schule nach Hause. Seit dem Morgen hatte es ununterbrochen geregnet. Das Herbstlaub, das gestern noch an den Bäumen gehangen hatte, lag jetzt in dicken, schmutzigen Schichten auf der Erde. Überall standen Pfützen, fast kleine Seen, da das Wasser nicht durch die Gullys abfließen konnte. Obwohl Anna ihre dicke Winterjacke trug, spürte sie die feuchte Kälte, die unter ihre Jacke kroch. Noch eine Straßenecke und sie war zu Hause. Hoffentlich gab es wenigstens etwas Schönes zu essen, nicht wieder so etwas Gesundes, das ihre Mutter mit Vorliebe in der Erkältungszeit, wie sie die Wochen vor Weihnachten nannte, kochte.

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