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komm endlich. Wer zuerst bei den roten Punkten ist“, rief Doris und rannte los.

      Gizmo sprintete hinter ihr her. Über die grüne Wiese in einen Wald. Dort waren tatsächlich rote Punkte am Boden, die sich bewegten. Sie versuchten, welche zu fangen – und zum ersten Mal konnte er einen dieser roten Punkte mit den Pfoten festhalten.

      Danach gingen sie weiter zu einem Fluss, aus dem Seifenblasen Richtung Himmel aufstiegen. Unterwegs begegneten sie den unterschiedlichsten Katzen: großen, kleinen, dünnen, moppeligen, mit kurzem Fell oder mit langem. Alle waren gesund und fröhlich.

      „Heißt es nicht immer, Katzen hätten neun Leben?“, fragte Gizmo, als sie gerade in einem Baum auf einem Ast lagen.

      Doris drehte ihren Kopf und überlegte kurz. „Ja, jede Katze kann neunmal leben. Aber viele möchten auch hierbleiben, weil sie nicht so ein liebevolles Zuhause hatten wie wir. Möchtest du etwa zurück?“

      „Ich vermisse Emma“, antwortete Gizmo traurig.

      Doris streckte sich. „Dann müssen wir zu den neun Weisen. Sie wissen, wie viele Leben du noch übrig hast.“

      Sie sprang vom Baum und Gizmo folgte ihr. Sie gingen über Schmetterlingswiesen, vorbei an warmen Öfen und über Pusteblumenfelder zu einem Felsen. Sie stiegen hinauf zu einer Höhle. In der waren neun Katzen verteilt.

      „Gizmo“, sagte die Kleinste. „Du möchtest zurück?“

      „Ja.“ Der Kater war verwundert, dass sie ihn kannten.

      „Oh, du erinnerst dich nicht mehr“, sprach eine dicke Katze mit langem Fell. „Du hattest dein zweites Leben. Beim letzten Mal wolltest du auch unbedingt sofort zurück.“

      „Mein zweites Leben?“

      „Ja“, erwiderte eine Katze, die wie ein kleiner Gepard aussah. „Du solltest nächstes Mal wirklich besser aufpassen.“

      „Es sei dir gewährt. Ich sehe, dass du zurück zu dem kleinen Mädchen möchtest, bei dem du gelebt hast“, sprach eine anscheinend blinde Katze.

      Emma. Es war damals Liebe auf den ersten Blick gewesen. Er hatte diese Kleine sofort in sein Herz geschlossen – und sie ihn in das ihre. Nichts wünschte er sich sehnlicher, als wieder bei ihr zu sein. Sich von ihr hinter den Ohren kraulen zu lassen. Mit ihr zu spielen und auf ihrem Bett zu schlafen.

      „Ja, ich möchte zurück zu Emma.“

      Da öffnete sich ein Tor und ein dunkler Weg war zu sehen.

      „Du musst nur durchgehen. Dann fängst du ein neues Leben an“, sprach eine Stimme, die er nicht zuordnen konnte.

      Er nahm all seinen Mut zusammen und lief in die Finsternis.

      Es war schon ein halbes Jahr her, seit Gizmo von einem Auto überfahren worden war. Emma war seitdem nicht mehr wirklich fröhlich gewesen. Daher fuhren ihre Eltern öfter mit ihr ins Tierheim – vielleicht fand sie dort heute einen neuen Freund.

      Als sie den Raum betraten, fiel Emmas Blick sofort auf einen kleinen schwarzen Kater mit weißen Pfoten. Er kam auf sie zu – und es war, als wäre Gizmo wieder da. Sofort schloss Emma ihn ins Herz und auch der Kater schien schon in sie verliebt zu sein.

      Anja Pachali, 1987 in Thüringen geboren und aufgewachsen. In der Welt zu Hause, eine Reisende. Seit Sommer 2016 in München wohnhaft. Genießt das Leben und probiert gerne Neues.

      *

      Moritz, der kleine rote Perserkater

      Er war so schön flauschig, man konnte kaum seine kleinen Äuglein sehen. Rotes, weiches und unendlich kuscheliges Fell hatte er. ER hieß Moritz, war ein junges Katzenbaby von gerade mal acht Wochen und hatte sich sofort in mein Herz geschlichen. So lange hatten mein Bruder und ich Überzeugungsarbeit leisten müssen, bis unsere Mutter sich endlich hatte breitschlagen lassen. Sie wollte keine Haustiere mehr, weil es immer so schmerzhaft war, wenn sie dann nicht mehr da waren. Aber am Ende bekamen wir eben doch diesen tollen Kater. Und er war so putzig.

      Moritz war auf einem Bauernhof geboren und hatte es nur in unsere Wohnstube geschafft, weil er eine Perserkatze war UND rothaarig! Denn nur einer solchen Kombination hatte unsere Mutter zugestimmt. In der Hoffnung, dass es keine roten Perserkatzen gäbe? Aber es gab sie! Und eine gute Freundin unserer Mutter hatte ebendiese „Mischung“ gefunden.

      Tja, und nun war es so weit – wir hatten endlich eine Katze. Einen Kater! Und was für einen Kater! Moritz war von Anfang an anders als andere Katzen. Er fraß kein normales Katzenfutter, sondern ließ sich mit Frischfleisch füttern, wenn ihm was nicht schmeckte, rümpfte er die Nase und man konnte sein „Bäääääh, igitt, DAS soll ich essen?“ förmlich hören.

      Schnell hatte er uns im Griff und wurde von vorne bis hinten verwöhnt. Wir fütterten ihn mit der Hand, schnitten das Fleisch so klein, damit er es auch mit seinen zarten Zähnchen essen konnte. Wir liebten ihn! Alle liebten ihn! Und wir waren froh, dass wir ihn hatten.

      Viele Jahre voller Kuscheleinheiten und gemeinsamem Auf-dem-Boden-Liegen kamen auf uns zu. Es war eine herrliche Zeit! Wir sprachen mit Moritz fast wie mit einem Menschen und es machte den Anschein, als wenn er uns wirklich verstand. Wir zogen in eine andere Stadt, Moritz zog mit – wir zogen nochmals um, er kam mit. Immer war er da! Wenn ich von der Schule nach Hause kam, wenn ich abends ins Bett gehen musste. Und auch wenn ich morgens aufwachte. Selbst wenn ich nachts aufwachte, war er da. Moritz lag eingerollt auf meiner Decke und schnurrte.

      Moritz stieg tagsüber in sämtliche Kartons, die wie von Zauberhand in unsere Wohnung kamen – Milchkartons. Aber die wurden bei uns nicht gefaltet und in das Altpapier gegeben, nein, bei uns lag ein kleines rotes Knäuel drin und schnurrte. Natürlich lag auch eine Decke unter dem Kater, er sollte es ja gemütlich haben! Den ganzen Tag lag er irgendwo rum und schlief. Und immer wenn jemand an ihm vorbeiging, hob er sein kleines rotes Köpfchen und schaute uns mit seinen kleinen Knopfaugen an.

      Manchmal „sprach“ er auch mit uns. Zumindest hörte es sich so an, er antwortete mit Mauz-Geräuschen, wenn er gefragt wurde, ob er denn hungrig sei. Und wenn er im Garten gewesen war und wieder hineinwollte, mauzte er so lang, bis ihn jemand zur Haustür hineinließ. Er ging nicht durch seine Katzenklappe im Keller, nein, er mauzte. Und wenn einer von uns es sich auf dem Sofa gemütlich machte, machte Moritz es sich dort auch gemütlich und forderte seine Streicheleinheiten ein. Wie eine anständige Katze das macht, fing er auch ab und zu mal eine Maus. Diese fraß er aber nicht auf, nein – er brachte sie als „Geschenk“ zu uns ins Haus. Das freute nicht unbedingt alle, war aber so.

      Ich erzählte dem Kater alles, was mich bedrückte. Alles! Und er? Er hörte mir aufmerksam zu und ich hatte immer das Gefühl, dass er mich verstehen würde. Wenn ich traurig war, kuschelte ich mich an ihn. Wenn ich fröhlich war, kuschelte ich mich an ihn. Wenn ich Langeweile hatte, spielte ich mit ihm. Das Schönste war, dass er es scheinbar schon immer fünf Minuten früher wusste, wenn ich nach Hause kam – er stand oft schon an der Tür, wenn ich reinkam, und freute sich, wenn er mich sah. Es war einfach herrlich, ihn zu haben!

      Und natürlich dachte ich gar nicht daran, dass es irgendwann anders werden könnte. Doch es kam, wie es kommen musste, irgendwann war Moritz so alt geworden, dass er eines Tages nicht mehr die Kraft hatte weiterzuleben, und wir mussten uns von ihm verabschieden.

      Tagelang waren wir unglücklich, auch Monate später verging kein Tag, an dem ich nicht an ihn dachte. Und kein Tag endete, ohne dass ich meinen Freundinnen erzählt hatte, wie schrecklich ich mich fühlte. Manchmal musste ich unaufhörlich weinen. Manchmal musste ich es jedem erzählen, dass es ihn nicht mehr gab. Und stell dir vor, alle wussten, wie es mir ging, denn alle hatten schon mal ein Haustier verloren. Leonie erst kürzlich ein Meerschweinchen, Lara einen sprechenden Papagei und Linda ... Linda hatte sogar schon zwei Katzen nicht mehr nach Hause kommen sehen.

      Ein anderes Mal musste ich mir stundenlang die alten Fotos von Moritz anschauen und weinte

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