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den Höllenbruch stieg sie hinauf. Der Pfad war schmal, doch die Sohlen der derben Wanderschuhe griffen gut. Im Hotel hatte Elke sich einen kleinen Rucksack geliehen, in dem etwas Proviant und eine Wasserflasche steckten. Der Fotoapparat und ein Fernglas hingen um ihren Hals. Zu Mittag, so hatte die junge Frau sich vorgenommen, wollte sie in einer Sennenwirtschaft einkehren.

      Elke schnaufte ein wenig, als sie die Hälfte des Weges geschafft hatte. Sie spürte, wie sehr ihr die Übung fehlte. Zwar joggte sie hin und wieder, doch um sich richtig fit zu halten, ließ die Arbeit ihr einfach zu wenig Zeit.

      Schließlich stand sie oben und genoß den herrlichen Rundblick. Beinahe einen ganzen Film verschoß sie und freute sich immer wieder an den herrlichen Motiven. Nachdem sie ausgiebig gerastet hatte, wobei sie sich ihren Proviant schmecken ließ, wanderte sie weiter. Anhand einer Karte stellte sie fest, daß es in einiger Entfernung eine Alm gab, auf der eine Sennerhütte stand. Sie war als Einkehr für Wanderer gekennzeichnet. Auf dem Weg dorthin begegnete Elke immer wieder Menschen, die gleichfalls den sonnigen Tag genossen und sich an der Natur erfreuten.

      Gegen Mittag hatte sie ihr Ziel erreicht. An der Hütte herrschte ein reger Betrieb. Viele Gäste saßen draußen, auf roh gezimmerten Bänken, andere in der kleinen Sennenwirtschaft. Elke fand draußen unter dem Dach einen Platz und bestellte als erstes ein Glas kühle Milch.

      Das junge Madel, das die Milch brachte, fragte, ob sie etwas zu essen wünsche. Elke bejahte und erfuhr, daß es nur ein warmes Gericht gäbe, ansonsten müsse sie mit einer Brotzeit vorlieb nehmen. Sie wählte die warme Mahlzeit und erhielt nach ein paar

      Minuten ein herrliches Schwammerlgulasch mit einem Semmelkloß, der doppelt so groß war, wie ein Tennisball. Es war eine ungeheure Portion, doch Elke schaffte sie.

      Der Aufstieg und die frische Bergluft hatten ihren Appetit angeregt.

      In dem Fenster hinter ihr standen wunderhübsche geschnitzte Holzfiguren. Elke fragte das Madel, ob sie verkäuflich seien.

      »Ja«, lautete die Antwort. »Der Großvater schnitzt sie, wenn

      grad keine Leut’ da sind.«

      Sie kaufte einen kleinen geschnitzten Schäferhund, der nur ein paar Mark kostete. Ein nettes Andenken an einen schönen Ausflug. Das Madel, das ihr den Hund brachte, setzte sich zu ihr an den Tisch. Es hieß Katja.

      »Schön habt ihr’s, hier oben«, sagte Elke.

      »Schon, aber immer möcht’ ich net da’roben sein«, erwiderte Katja und erzählte, daß sie in St. Johann wohne und nur am Wochenend’ hier oben beim Großvater sei.

      Der war schon seit mehr als vierzig Jahren auf der Alm und war entschlossen, bis zu seinem Tode hier zu bleiben.

      *

      Die meisten Gäste waren schon wieder unterwegs. Es kamen nur noch wenige herauf. Einer von ihnen fiel Elke auf. Es war ein sonnengebräunter sportlicher Typ, den man leicht für einen Sport-

      ler halten konnte. Selbst jetzt, nach dem anstrengenden Aufstieg schien er kaum aus der Puste zu sein.

      »Das ist unser Pfarrer«, lachte Katja. »Grüß’ Gott, Hochwürden, Sind S’ auch wieder einmal da’roben?«

      Elke staunte. Das sollte der Pfarrer von St. Johann sein? Wenn das Madel es net gesagt hätte – sie würd’s net glauben!

      »Grüß Gott, miteinand’«, nickte Sebastian Trenker und setzte sich zu den beiden. »Katja, ein Glaserl Milch wär’ genau das richtige für mich.«

      »Kommt sofort, Herr Pfarrer«, antwortete sie und verschwand im Haus.

      Der Geistliche wandte sich an Elke Kerner.

      »Sebastian Trenker«, stellte er sich vor.

      Sie nannte ebenfalls ihren Namen. Das war also der Hirte von St. Johann, dachte sie. Er gehörte somit zu den Honoratioren des Ortes. Vielleicht war dies eine gute Gelegenheit, herauszufinden, wie der Pfarrer zu einem Projekt stand, wie es der Bruckner-Markus anstrebte. Behutsam versuchte sie das Gespräch in diese Bahn zu lenken.

      »Ja, es kommen reichlich Touristen hierher«, antwortete Sebastian auf eine diesbezügliche Frage. »Viele von ihnen schon seit Jahren. Sie kommen immer wieder, weil sie hier etwas finden, was es anderswo vielleicht nicht gibt.«

      »Nämlich?«

      Der Geistliche schaute die junge Frau lächelnd an.

      »Ruhe und Erholung.«

      »Aber meinen Sie nicht, daß der Ort ein wenig mehr haben könnte, was den Fremdenverkehr noch mehr ankurbelt und Sankt Johann für Touristen noch attraktiver macht?«

      »Was könnte das sein?«

      Elke Kerner ließ sich einen Moment Zeit mit ihrer Antwort.

      »Nun, ich denke da an eine Skipiste, zum Beispiel, eine Bergbahn zum Gletscher hinauf. Oder ein größeres Hotel mit Schwimmbad. Eine Diskothek, vielleicht«, sagte sie schließlich.

      Sebastian trank einen Schluck von seiner Milch.

      »Sehen Sie, genau das meinte ich, als ich sagte, die Leute finden hier, was sie woanders nicht bekommen – Ruhe und Erholung«, antwortete er. »Die Menschen, die zu uns kommen, wollen keine Skipiste oder eine Diskothek. Gerade deshalb kommen sie immer wieder. Abgesehen davon wäre es eine Schande, unser schönes Tal mit einem großen Hotelkomplex zuzubauen.«

      Er hob eine Hand.

      »Natürlich gibt es Bestrebungen in diese Richtung«, fuhr er fort. »Doch ich denke, daß sie keine Mehrheit finden werden. Die meisten Mitglieder des Gemeinderats sind vernünftig genug, zu erkennen, welche nicht wieder gutzumachenden Schäden der Natur und Umwelt zugefügt würden, sollte solch ein Projekt jemals in Angriff genommen werden.«

      Sebastian schaute Elke Kerner direkt an.

      »Sie scheinen sich sehr für diese Dinge zu interessieren«, stellte er fest. »Haben Sie mit der Tourismusbranche zu tun?«

      Elke spürte ein unangenehmes Gefühl in sich aufsteigen. Was sollte sie antworten? Durfte sie gegenüber dem Geistlichen von ihrer Arbeit sprechen, ohne ihrem Auftraggeber zu schaden?

      »Nicht direkt«, antwortete sie, was ja auch der Wahrheit entsprach, wenngleich es nur die halbe Wahrheit war.

      Zumindest in diesem Fall hatte sie mit dem Fremdenverkehr zu tun.

      »Ich interessiere mich nur ganz allgemein.«

      Sebastian Trenker nickte verstehend.

      »Ich weiß, daß der Fremdenverkehr Geld in die Kassen bringt, die heutzutage überall leer sind, egal ob in den Kommunen oder bei den Geschäftsleuten. Dennoch kann kein gesunder Menschenverstand es gutheißen, daß um des Profit willens, die Natur und damit der Lebensraum von Mensch und Tier zerstört wird«, schloß er seine Ausführungen.

      Elke Kerner erhob sich.

      »Vielen Dank, Herr Pfarrer, ich glaube, Sie haben mir noch ein bißchen mehr die Augen geöffnet«, sagte sie und wandte sich zum Gehen. »Auf Wiedersehen. Bevor ich abreise, werde ich Ihre Kirche besuchen.«

      »Das freut mich. Sie sind herzlich willkommen.«

      Sebastian sah der jungen Frau nach, bis sie nicht mehr zu sehen war. Etwas an dem Gespräch mit ihr hatte ihn nachdenklich gemacht. Für eine Touristin hatte Elke Kerener zuviele gezielte Fragen gestellt.

      War es wirklich nur allgemeines Interesse gewesen, das sie zu diesen Fragen veranlaßt ahtte?

      Sebastian ahnte nicht, daß er mit seiner Meinung Elkes Herz erleichtert hatte. Jetzt würde es ihr nur noch halb so schwer fallen, auch ihren Bruder von der Notwendigkeit zu überzeugen, Bürgermeister Bruckner ein negatives Gutachen zu überreichen.

      *

      Als Carsten Henning erwachte, bekam er einen Heidenschrecken. Der Reisewecker zeigte halb zwölf an.

      »Um Himmels willen«, stöhnte

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