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an – einmal, nach dem Theater natürlich, mit einer Choristin, die ihm eigentlich auch mehr in die Arme gelaufen kam, als daß er sich um sie bemüht hätte; aber das ging gar ärgerlich, ja so traurig aus, daß mir das Verwunderliche und Närrische der Sache erst recht zu Sinn kam, als alles zu Ende war.

      Das Mädchen kam an einem Nachmittag zu mir gelaufen und traf mich an, als mich eben auf dem Fauteuil vor dem Klavier ein leichter Schlummer überfallen hatte. Ich hatte noch die Hand auf dem Piano liegen, irgendeine Dissonanz klang mir im Ohr.

      Ich sah der Kleinen mit einigem Erstaunen ins Gesicht, um so mehr, da ich Freund Ypsilon nicht an ihrer Seite gewahrte, ohne welchen sie mir noch nie in meinem Heim einen Besuch gemacht hatte. Mein rascher Blick nach der Tür mochte ihr die ungesprochene Frage klären, die auf meinen Lippen lag, und sie sagte, indem verhaltenes Weinen in ihrer Stimme zitterte: »Er sitzt zu Hause und schreibt!«

      »Du kommst von ihm?« Dabei stand ich auf und lud sie ein, auf dem Diwan Platz zu nehmen, zu dessen Seite ich mir einen Sessel rückte.

      Kaum saß sie da, als sie heftig zu schluchzen begann.

      »Was ist dir denn, Kleine?« fragte ich sie. »Nun?«

      Sie aber gab keine Antwort.

      Ich wartete geduldig. Dann fragte ich nochmals, ganz ohne Unruhe im Ton: »Nun –?«

      Sie nahm ihr Taschentuch und trocknete ihre Tränen. »Spielen Sie einen Walzer, irgend etwas Lustiges, dann werde ich’s Ihnen erzählen…«

      Ich begab mich zum Piano und schlug die Tasten an. Schon bei den ersten Akkorden hörte ich ihre Stimme neben mir.

      »Er liebt mich nicht«, sagte sie tonlos.

      Ich hielt im Spiel inne und sah sie mit einem überraschten Blicke an, der eigentlich nicht so ganz aufrichtig war, da ich auf einen Bericht dieser Art vorbereitet war.

      »Spielen Sie weiter«, sagte sie traurig.

      »Ja, aber einen Walzer kann ich jetzt nicht spielen«, entgegnete ich, um uns beide mit einem Scherze über den peinlichen Moment hinwegzubringen – und intonierte einen Trauermarsch… Ich wollte, ich hätte ihn damals nicht gespielt – heute quält mich der Gedanke daran in lächerlicher, abergläubischer Weise.

      Die Kleine sprach weiter: »Er muß eine andere haben«, sagte sie, »denn ein übers andere Mal rief er heute aus: ›Du bist doch nicht wie sie – nicht wie sie –‹ Und dann, als ich ihn ganz ängstlich küßte, sah er mich an – so von oben herab – und sagte: ›Geh, siehst du nicht, daß du mich störst?‹ Ich war erstarrt, er aber schrieb weiter, sein Gesicht war gerötet, und seine Augen glänzten. Nach einer Weile sah er sich um und sah mich noch immer dastehen. ›Noch immer?‹ fragte er; da ging ich.«

      »Was glaubst du eigentlich?« fragte ich.

      Sie zuckte nur die Achseln.

      »Ich will es dir sagen«, fuhr ich fort, »wenn du mich auch anfänglich nicht verstehen magst. Du hast keine Nebenbuhlerin aus Fleisch und Blut –, jene andere, von der du da sprichst – lebt gar nicht und ist nur eine Einbildung unseres Freundes Ypsilon.«

      Sie starrte mich an.

      »Ich kenne ihn«, sagte ich, »und weiß, daß er verrückt ist!«

      Auf ihrem Antlitz las ich das Erstaunen über die Ruhe, mit welcher ich diese Wahrheit aussprach. »Es ist nicht das erste Mal, daß er sich in seine eigenen Phantasiegebilde verliebt. Laß ihn zu Ende kommen mit seinem Gedicht, laß es ihn ins Pult werfen, und der Spuk ist wieder verschwunden.«

      »Da muß man ja Angst vor ihm haben!« rief sie aus.

      »Das eben nicht«, entgegnete ich, »aber schon das eine oder andere Mal habe ich daran gedacht, wie sehr es seiner Liebe zu dir zustatten käme, wenn du ihm erklärtest: ›Mein süßer Ypsilon, ich existiere ja eigentlich nicht, ich habe mich davongestohlen aus einem Märchen, und diese holde Weiblichkeit in deinen Armen ist nur ein Traum…‹«

      »Wie?« fragte sie. Sie verstand mich kaum.

      »Nun, ich will dir nur erklären, daß du keinen vernünftigen Grund hast, eifersüchtig zu sein. Laß ihn arbeiten, noch zwei, drei Tage, dann wird er selber zu dir kommen und dich bitten, wieder die Alte zu sein. Verlaß dich auf mich!«

      »Er ist also ein halber Narr!« rief sie aus.

      »Ein halber Narr? Ein halber Dichter, also wohl ein ganzer Narr! Aber beruhige dich nur und weine jetzt nicht!«

      Wieder griff ich in die Tasten und spielte einen Walzer.

      Währenddessen ging sie zur Tür, und als ich aufstehen wollte, sie zu begleiten, wehrte sie mit einer Handbewegung ab und sagte: »Ich komme schon wieder!« Damit verschwand sie, und ich ließ die Hände in den Schoß sinken…

      Des anderen Morgens besuchte ich Freund Ypsilon. Obzwar der helle Tag ins Zimmer schien, brannten auf seinem Schreibtisch vier rote Kerzen (er konnte nur bei roten Kerzen arbeiten), und mit trüben Augen saß Ypsilon davor, während seine Feder ruhelos über das Papier irrte.

      Ich löschte die Lichter aus; beim letzten gewahrte er überhaupt erst meine Anwesenheit. »Ach du«, sagte er.

      »Ypsilon«, sagte ich ernst, »wirf augenblicklich das Zeug da beiseite; geh mit mir frühstücken, widrigenfalls ich alles aufbieten werde, dich in den Narrenturm stecken zu lassen.«

      Er heftete seine großen glanzlosen Augen auf mich.

      »Die Kleine war gestern bei mir«, erzählte ich ihm weiter. »Was hast du denn angestellt?«

      Er lächelte. »Rede mir nicht von diesem armseligen Menschenkind! Ich habe dieses Geschlecht übersatt.«

      »Ja, natürlich!« sagte ich. »Diese lebendigen Weiber! Sie sind brutal genug, zu essen, zu trinken, zu lieben und mit einem Riesenaufwand von wirklicher Existenz durchs Leben zu schreiten.«

      »Rede mir nicht von ihnen«, unterbrach er mich. »Es gibt nur eine mehr für mich. Du wirst mich ihr nimmer entreißen! Höre! Es war einmal – – –«

      Nun begann er mir eine Geschichte zu erzählen, während deren er manchmal auf die Blätter schaute, die vor ihm lagen. Es handelte sich da um irgendein sonderbares Mägdelein, das auf einer Insel im Indischen Ozean lebte, Türkisa hieß und das Holdseligste war, das jemals von Menschen oder Göttern war erschaut worden. Ypsilon konnte nicht Worte genug finden, den unendlichen Zauber, der von ihr ausging, zu beschreiben. Mit verzückten Blicken erklärte er mir schließlich, daß er, seit Türkisa ihr Reich ihm in Kopf und Herzen aufgeschlagen, für nichts anderes mehr das geringste Interesse empfinden könnte.

      »Du liebst sie wohl?« sagte ich.

      »Ich bete sie an«, sagte er im Tone des tiefsten Ernstes. »Aber ach, sie muß sterben!«

      Ich schüttelte ganz entsetzt den Kopf.

      »Da ist dann noch ein afrikanischer Prinz«, setzte er seine Geschichte fort und berichtete ein Näheres von diesem Prinzen, der eine unselige Leidenschaft für Türkisa gefaßt hatte.

      »Du bist wohl eifersüchtig?« fragte ich.

      »Was hilft’s«, sagte er mit gepreßter Stimme, »sie liebt ihn wieder.«

      »Aber du Narr«, schrie ich ihn an. »Wach doch auf, bedenke doch, daß du den afrikanischen Prinzen von einem Tiger auffressen lassen, daß dann ein deutscher Dichter namens Ypsilon mit einer Barke an den Ufern dieser Insel landen kann und…«

      »Das kann er nicht«, erwiderte Ypsilon im Tone der tiefsten Überzeugung.

      »Wie? – Warum nicht?« rief ich aus. »Das liegt doch in deiner Hand! Du leitest die Fäden, deinem Schädel ist doch dieser Wahnwitz entsprungen, diese Türkisa existiert doch nur in deiner Phantasie!«

      »Gleichviel!« antwortete er ruhig. »Es muß gehen, wie es geht, die Dinge spielen sich ab, ich kann es nicht ändern.«

      Ich sprang auf. »Du bist

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