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sondern wie die Erinnerung an einen lebhaften und schönen Traum.

      Die Klingel, die ihn auf die Bühne rief, schrillte. Er stand auf, trat auf den Gang und schritt gemächlich die zehn Holzstufen hinab. Nun stand er hinter den Kulissen. Einige Choristen sagten ihm guten Abend. Roland ging ein paar Schritte weiter und stellte sich knapp hinter die Tür, aus der er auf die Szene hinaustreten sollte. Er hörte die Blandini singen; er erwartete sein Stichwort … So … jetzt war es da; der Inspizient, der neben ihm stand, gab ein Zeichen; zwei Arbeiter zu beiden Seiten öffneten die Tür, und Roland trat auf die Bühne. Aber es war etwas zu früh. Der Inspizient hatte voreilig das Zeichen gegeben, die Tür zu öffnen. Denn eben hatte sich ein starker Applaus erhoben, der offenbar der Blandini galt. Ihre Beliebtheit wächst noch immer, dachte er, selbst nach den paar Takten ein solcher Beifall! … Das wollte ja gar nicht aufhören. – Und Roland sah unwillkürlich die Blandini an, die anfangs ins Publikum hinausgeschaut hatte und sich jetzt zu ihm wandte. Er hörte sie flüstern: »Verstehen Sie das?« … Und der Applaus wurde immer stärker. Roland blickte auf die Galerie … Plötzlich glaubte er ganz deutlich unter den Bravorufen auch seinen Namen zu hören … Ah – er hatte sich gewiß getäuscht. Die Blandini sagte: »Hören Sie?« Roland antwortete: »Ja.« »Ihr Name«, sagte die Blandini … Der Applaus dauerte in gleicher Stärke fort. Und die Rufe >Roland< wurden immer lauter. »Was ist das?« dachte Roland, »bin ich wahnsinnig geworden? Träum’ ich?« »Reden Sie«, flüsterte die Blandini. – »Was?« fragte Roland verwirrt. – »Nun, Ihre Worte … vom Geschmeide.« – Und Roland begann zu sprechen: »Schöne Dame, dieses Geschmeide…« Aber er drang nicht durch. Der Applaus dauerte fort; einige Zischlaute mischten sich drein, worauf er noch lärmender wurde. »Kränze«, sagte die Blandini. Und Roland, in der Überzeugung, sie seien für die Blandini bestimmt, eilte zur Rampe vor, bückte sich und nahm einen riesigen Lorbeerkranz, den er sofort der Sängerin überreichen wollte. Aber sie flüsterte: »Für Sie.« – Er verstand es nicht; da fiel sein Auge auf die Schleifen, und er erblickte seinen Namen. Eine Sekunde lang ging jetzt etwas ihm selbst Unbegreifliches in ihm vor; er dachte: »Ich bin ein großer Schauspieler. Das merken alle Menschen, trotzdem ich die nichtigste Rolle spiele«; er nahm mechanisch die eine Schleife in die linke Hand – er las: »Dem genialen Mimen Roland die dankbare Mitwelt…« Und plötzlich hörte er im Saale ein stürmisches Gelächter schallen; er ließ die Schleife aus der Hand fallen, – er sah ins Publikum, sah tausend hocherhobene klatschende Hände, und die Gesichter der Leute leuchteten vor Vergnügen … Er verstand es nicht. Man lachte lauter, immer lauter. Plötzlich verstand er es. Und es war ihm, als wenn er niedersinken müßte und sein Gesicht verstecken, denn man lachte ja über ihn … man höhnte ihn aus … Das ganze Publikum war in diese rasende Fröhlichkeit geraten über den Einfall – ihn, Herrn Friedrich Roland, zu feiern. Er fühlte es: nun war für ihn der Gipfel des Ruhmes erreicht … er fühlte es so tief, daß er nichts mehr sah und hörte und in die lärmende Menge wie ins Stille und Leere starrte. Und – mit einem Male, als hätte er es damit erzwungen – war es wirklich still. Und er wußte, daß er seine Worte noch nicht gesprochen; vielleicht auch hatte ihm die Blandini zugeflüstert, daß er sprechen sollte. Und er sagte, ohne mit der Stimme zu zittern, indem er der Sängerin ruhig ins Gesicht sah: »Schöne Dame, dieses Geschmeide sendet Euch mein Herr.« – Die Blandini nahm das Geschmeide und sah ihn mit einem sehr langen Blicke an, er mußte denken: »Diese Nuance hat sie in den früheren Vorstellungen nicht gebracht« und fragte sich: »Warum?« … Da hörte er sie zu ihm sagen: »Machen Sie sich nichts daraus. « Jetzt merkte er, daß das Orchester bereits wieder spielte; die Einleitungstakte der Arie waren vorbei; die Blandini mußte einsetzen, sie sang. Es war eine unendlich lange Arie. Roland stand an der Tür und hörte die wohlbekannten Töne, und die Blandini sang immer weiter, es war, als wenn sie stundenlang sänge. Roland empfand nichts; nur ging die Bühne auf und nieder, gleichmäßig, und ein Summen von tausend kleinen Stimmen ohne Sinn war in seiner Nähe;

      aber die Arie der Blandini klang hell, als wenn sie durch die Wände dringen müßte, hinaus ins Freie, und Roland war es, als ob man das Lied jetzt überall in der Welt zugleich hören könnte, wenn man nur recht aufpaßte. Es war gut von ihr, daß sie so lange sang, denn er hatte Angst vor dem Ende der Arie; er erinnerte sich, wie damals, bevor sie begonnen, das Klatschen und Gelächter getönt hatte; das würde sicher wieder kommen … und er fühlte, er müßte stark sein, um das noch einmal ertragen zu können – es war entsetzlich gewesen. – Die Arie war aus. Die Blandini reichte ihm den Schmuck. Und Roland fragte: »Was meld’ ich meinem Herrn?« – Und die Blandini sagte: »Nichts.« – Sie sagte es mit einem Zittern der Stimme wie niemals früher. Dabei sah sie ihn mit flehenden Augen an, als wollte sie ihn dabehalten auf der Szene, und er mußte doch abgehen. Er verbeugte sich, die Tür wurde geöffnet, er tat einen Schritt hinaus – da fing es so an wie vorher: »Bravo! Roland! Roland! Bravo!« Er stand bereits hinter der Szene, neben ihm der Inspizient, ein paar Choristen, die sich herzugedrängt hatten. Auch der jugendliche Komiker war da. »Meisterleistung«, sagte er zu Roland. Der Direktor trat hinzu. »Ja, was heißt das? Sind die Leute toll? Wissen Sie, Roland, was das zu bedeuten hat?« – Roland schüttelte den Kopf. »Ja, was machen wir denn?« rief der Direktor. »Die klatschen draußen weiter. Es bleibt nichts übrig, Sie müssen hinaus, sich verbeugen«, sagte der Direktor. »Ja«, sagte Roland. Jetzt merkte er, daß er den Kranz noch immer in der Hand hielt; er wollte ihn fallen lassen. »Der bleibt«, sagte der Direktor; »das wirkt ganz gut. Auf!« rief er. Die Tür flog auf, und Roland trat auf die Szene. Die Bravorufe verstärkten sich; helles Lachen tönte mit. Der Komiker sagte zum Direktor: »Meiner Ansicht nach handelt es sich um eine Wette.« – »Möglich«, antwortete der Direktor, »so kommt jeder einmal zu seinem Ehrentag.« –

      Roland trat wieder zurück, die Tür wurde geschlossen. Er ließ den Kranz fallen; er wollte langsam in die Garderobe gehen. Ein paar Mädel vom Chor wollten ihm scherzend die Hand drücken, aber er merkte es nicht und ließ seine Arme schlaff herunterhängen. Da fühlte er sich von rückwärts gehalten. »Sie müssen noch einmal heraus, die Leute geben keine Ruh!« Roland wandte sich um, trat wieder auf die Szene, verbeugte sich tief. Er schien sich mit so viel Humor in seine Rolle zu finden, die man ihm nun einmal zugedacht, daß das Lachen im Publikum immer heiterer und herzlicher klang; viele hatten ihn in diesem Augenblick lieb. Ihm fuhr plötzlich wieder jener Traum durch den Sinn, und er fragte sich, ob nicht jetzt der richtige Moment wäre, auf die Knie zu fallen und zu rufen: Ihr edlen Menschen, Gnade! Gnade! … Aber er wußte, da unten war keine Gnade. Und mitten in dem Jubel, dem Lachen, das ihn umtoste, kam es wie eine furchtbare Verlassenheit über ihn, daß ihm das Herz stillestand. Als er abging, warf er einen Seitenblick auf die Blandini. Sie hatte Tränen im Auge und schaute an ihm vorbei. Jetzt war der Lärm draußen vorüber; der Direktor klopfte Roland auf die Schulter und sagte lachend: »Ehrentag.« Viele standen hinter den Kulissen bereit. Schauspieler, Choristen, Arbeiter, und hatten Lust, den Spaß aus dem Zuschauerraum hier fortzusetzen; aber Roland ging mit gesenktem Kopf vorbei und sah und hörte sie nicht. Er ging langsam die sieben Stufen hinauf, schlich durch den Gang, öffnete die Tür seiner Garderobe, trat ein; dann sperrte er die Tür ab. Das Schloß knarrte hinter ihm, und unten ging das Spiel weiter.

       Inhaltsverzeichnis

      Seit einer Stunde saßen die drei jungen Leute in dem Cabinet particulier und warteten. Die Blandini war noch nicht da.

      »Sie wird gar nicht kommen«, sagte Fred.

      »Das ist unmöglich«, antwortete August. »Wir haben es gestern miteinander ausgemacht, und außerdem hab’ ich ihr heut nachmittags geschrieben.«

      »Weißt du, was ich finde?« bemerkte Emerich.

      »Nun?« fragte August.

      »Wir müßten dem Roland… «

      »Fang’ mir nicht wieder davon an, der Spaß ist vorbei, die Leute haben sich amüsiert, es war was Neues – und jetzt … Schluß.«

      »Ja, schon gut«, sagte Emerich. »Aber ich mein’, wir sollten ihm, dem Roland, morgen was schicken.«

      »Geld?«

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