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genug heim. Was willst du auch daheim?… Du darfst nicht mehr arbeiten.«

      Er sah mich an, ganz erstaunt. »Ich muß doch«, sagte er.

      Jetzt fuhren wir zwischen den ersten Laternen der Vorstadt. Immer ruheloser wurde Ypsilon. Er fuhr mit den Händen hin und her, und seine Augen irrten; auch atmete er wie ein Fieberkranker…

      Er atmete so heftig, daß sich der Kutscher umwandte und ihn mit Verwunderung betrachtete. Dann hieb er auf die Pferde ein, und mit großer Geschwindigkeit rollten wir auf dem lärmenden Pflaster dem Wohnhause meines Freundes zu. Ein oder das andere Mal rief ich ihn noch an: »Ypsilon! Ypsilon!« Er aber hörte gar nicht auf mich; in unendlich hastiger Arbeit schien sein Geist befangen, und meiner bemächtigte sich eine immer trübseligere Stimmung.

      Ein Bild tauchte vor mir auf, als wir durch die schlechterleuchteten Gassen fuhren, das ich nimmer loswerden konnte… Ich sah die Prinzessin Türkisa im Sarge liegen, der ganz von Glas war, und davor stand mein unseliger Dichter mit tränenlosen, schmerzlichen Augen.

      Da hielten wir vor dem Hause; Ypsilon sprang aus dem Wagen und stürmte über die Treppen. Als ich hinaufkam, saß er schon vor seinem Schreibtisch mit den vier roten Kerzen und hörte mich nicht, als ich eintrat.

      Eben begann er zu schreiben. Alles um ihn war versunken. Die sterbende Türkisa bannte ihn in ihren Kreis.

      Ich legte mich auf den Diwan und gedachte hierzubleiben, da ich ernstlich unruhig war.

      Seine Feder hastete übers Papier, das Fenster war offen, die Kerzenlichter flackerten. Die losen Blätter seiner Geschichte flogen auf dem Tisch durcheinander. Der Ausdruck seines Gesichts ward immer bewegter; dabei war er aber totenblaß.

      In einem Augenblick hatte ich das deutliche Gefühl, daß Türkisa starb. Er schrieb plötzlich etwas langsamer, während er schwer atmete und mit stierem Blicke auf die vor ihm liegenden Zeilen starrte. Dann ließ er die Feder aus der Hand fallen, sein Kopf sank herab, und er weinte bitterlich, herzbrechend. Mir wurde wohler, freier. Ich dachte, jetzt sei es vorbei, der Bann gelöst, die schreckliche Phantasie, in der er tagelang gelebt, sei zerstoben, verweht. Ja, mir war, als ginge in der ganzen Atmosphäre rings um uns her eine Veränderung vor. Böse Geister rauschten durchs Fenster davon – und die roten Lichter im Zimmer brannten ruhiger und heller. Auch die Blätter auf dem Tisch regten sich nicht mehr; der Friede war wiedergekehrt. Und mein armer Freund weinte, weinte still und stiller.

      Ich schlummerte auf dem Diwan langsam ein…

      Es muß ziemlich lange gewesen sein, denn als ich wieder aufwachte, waren die Kerzen tief herabgebrannt. Ypsilon aber saß noch immer da mit gesenktem Haupte.

      Ich trat zu ihm. Er sah mich voll, mit einem ganz beruhigten Blicke an.

      »Geh doch schlafen«, sagte ich zu ihm.

      Er erwiderte, und seine Stimme klang fest und gemäßigt: »Geh du doch und sorge dich um nichts weiter.«

      »Nun, Ypsilon«, rief ich freudig bewegt aus, »es ist doch alles vorüber!«

      »Alles vorüber«, sagte er und küßte mich auf die Stirne.

      »Nun, so erlaube mir doch«, sagte ich, »den Rest meiner Nachtruhe hier auf dem Sofa in deinem Zimmer zu halten, Ypsilon.«

      »Bleib immerhin«, erwiderte er mit freundlichem Blicke.

      Er behielt mich im Auge, während ich mich auf das Lager streckte. Und als ich ihm zurief: »Also ins Bett!« nickte er mir lächelnd zu. Ich fühlte sein Auge weiter auf mir ruhen, als ich zu schlummern begann.

      Eine warme Luft strömte jetzt von draußen ins Zimmer, einer von den Leuchtern verlöschte, die andern flackerten weiter, mit unruhigem Schein, ich sah das alles im Halbtraum, dann schlief ich vollends ein…

      Es dämmerte. als ich aufwachte. Ypsilon war nicht mehr im Zimmer.

      Noch dachte ich an nichts und erhob mich, um zu dem Tische zu gehen, wo ich im Dämmerlichte einen zusammengefalteten Zettel liegen sah.

      Bevor ich ihn öffnete, trat ich zu dem Bette meines Freundes. Es war nicht berührt worden.

      Ich schauderte und sah vor allem, wie schon so die Verwirrung in solchen Augenblicken mit uns ihr Spiel treibt, nach den Kerzen. Sie standen nicht mehr auf dem Tisch, sie lagen samt den Leuchtern in der Ecke neben dem Ofen. Ich sah nach den Blättern, sie lagen zerstreut da, wie früher.

      Jetzt erst öffnete ich den Zettel. Darauf stand:

      »Türkisa ist tot! Alles ist vorüber!«

      Meine Zähne schlugen zusammen. Wo war er, wo war er denn nur?

      Ich eilte ins Vorzimmer – leer! Riß die Tür auf, trat ins Stiegenhaus – es war dunkel. Ich ging zurück, entzündete eine von den in der Ecke liegenden Kerzen und trat in den Flur. Dort lag etwas Schwarzes ganz unten! Ich hielt das Licht über das Geländer, um besser zu sehen. Ein roter Wachstropfen fiel hinunter, ich rannte mit dem Lichte die Treppe hinab – da lag sein Leichnam vor mir –

      Dann kamen wohl, durch meinen hastigen Lauf über die Stiegen aufgeweckt, noch andere Leute hinzu und erblickten den Körper.

      »Was ist’s?« fragte man. Einige schrien auch laut auf.

      Ich hielt mich zu einer Erklärung verpflichtet: »Er war wahnsinnig«, sagte ich.

      Einer nahm mir das Licht aus der Hand; es muß gezittert haben.

      Ich habe die letzte Erzählung meines Freundes Y. gelesen; sie ist ganz mißlungen, und es steckt kaum etwas Talent darin.

      Sicher ist das ein trübseliger Abschluß meiner Geschichte; er gehört jedoch zur Vollständigkeit meines Berichtes.

      Nichtsdestoweniger war Y. ein wahrer Dichter, ja, ein großer Dichter! Denn welch eine Phantasie muß es sein, die ein Wesen hervorzuzaubern vermag, in das sich der Phantast selbst bis zum Wahnsinn verliebt. So sehr verliebt, daß er nicht weiterleben kann, wenn die eingebildete Gestalt wieder durch andere Spiele der Phantasie ins Nichts herniedertaucht.

      Die Muse hat zuweilen Launen… Das Werkzeug einer solchen war mein Freund Y. Er ist verrückt geworden und gestorben.

      Nun, es haben ihn wenige bei Lebzeiten gekannt… seine Werke werden ihm die Unsterblichkeit nicht verleihen. Sein Wahnsinn jedoch wird ihn manchem liebenswert erscheinen lassen, dessen Interesse von den traurigen Scherzen angeregt wird, an denen die Natur zuweilen Gefallen findet.

      Launische, goldene Phantasie! Dem einen nahst du schmeichelnd in duftender Freundschaft und bildest ihn zum glücklichsten aller Narren, zum Dichter; wie einen Feind überfällst du den andern und machst ihn zum Bedauernswertesten der Poeten: zum Narren!

       Inhaltsverzeichnis

       Erstes Kapitel

       Zweites Kapitel

       Drittes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Es war ihr, als hätte sie ein Geräusch aus dem Nebenzimmer gehört. Sie sah von ihrem angefangenen Briefe auf, erhob sich, ging ein paar leise Schritte zur angelehnten Türe hin und blickte zuerst durch die Spalte in den benachbarten Raum, wo bei geschlossenen Läden ihr Sohn, anscheinend ruhig schlafend, auf dem Diwan lag. Dann erst trat sie näher heran und konnte nun beobachten, wie Hugos Brust in gleichmäßig starkem Knabenatem sich hob und senkte. Der weiche, etwas

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