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MORT(E). Robert Repino
Читать онлайн.Название MORT(E)
Год выпуска 0
isbn 9783958354173
Автор произведения Robert Repino
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Sebastian hielt sie nicht auf. Alles war still. Auch die Explosionen in der Ferne hatten aufgehört. Sein rasendes Herz kam in seinem Brustkorb zur Ruhe und er konnte wieder nachdenken. Klarheit kehrte mit knappen Anweisungen zurück: Sheba ist da draußen. Ich muss sie finden. Wahrscheinlich ist sie tot. Sie floh nach Süden. Aber ich muss sie finden, selbst wenn sie tot ist.
Sebastian packte den Lauf des Gewehrs und machte sich auf den Weg.
Kapitel 2 | Die Geschichte von Hymenoptera Unus
Die Königin sah alles. Ihre Augen und Fühler gierten nach mehr Informationen, mehr Düften, mehr Farben, mehr Wörtern. Milliarden ihrer Töchter erweiterten die Kolonie in der Welt der Menschen, während sie dabei zusah und all ihre Erfahrungen sammelte, erfreut darüber, dass die Dinge so abliefen wie geplant. Ihr Verstand war jener der Kolonie. Er pulsierte in seinem Wachstum und zog Licht aus der Finsternis. Und er brachte sie um.
Aber sie war Hymenoptera Unus, die Tochter der Außenseiterkönigin, die die Menschen des Teufels Hand, Monarchin der Unterwelt genannt hatten. Die Verantwortung und schrecklich pochende Folter, die damit einherging, gebührte ihr allein. Niemand könnte je verstehen, was sie wusste, weder ihre Töchter noch die Menschen noch die Tiere an der Oberfläche, die sie der Sklaverei einer leibhaftigen Göttin gleich enthoben hatte. Ihre Kinder würden alles für sie opfern, und dafür war sie dankbar, doch sie könnten nie die Welt durch ihre Augen sehen, sich als Teil des Ganzen niemals einsam fühlen und kein Bedauern empfinden, da es für sie keinem Zweck diente.
Ihr tausende Jahre alter Geist beherbergte das Kollektivgedächtnis der Kolonie. Jeder Sieg, jede Niederlage, jeder entsetzliche Tod wurde in der chemischen Sprache ihres Volkes aufgezeichnet und in ihrem Gehirn gespeichert. Ein Tod war schlimm genug, aber sie hatte im Laufe der Millennien Abermilliarden erlebt.
Es war ein Tag in der Spätphase des Kriegs ohne Namen gekommen, an dem die Menschen kurz davor gestanden hatten, das Nest zu entdecken, das tief in der neugeformten Insel im Ozean vergraben war. Die Erde darüber war unter ihren Kriegsmaschinen erzittert. Sie hatten Bomben, Grabwerkzeuge und tausende trampelnde Stiefel mitgebracht. Die Königin hatte in ihrer Kammer gelegen, anfällig, aufgebläht, gewachsen auf die Maße eines großen Wals, zu einem Tier, das mehr Raum beanspruchte als die ursprüngliche Kolonie, in der sie geboren worden war. So hoch entwickelt ihr Hirn auch sein mochte, ihr monströser Körper blieb eine machtlose Eierlegefabrik, gefangen und wehrlos durch ihr eigenes Werk. Darum durften ihr die Menschen nicht zu nahe kommen. Sie hätten sie verbrannt, auf ihrer Leiche getanzt in den Glauben, eine von ihren Zauberbüchern und Medizinmännern weisgesagte Prophezeiung erfüllt zu haben. Die Kolonie würde nicht so enden, das schwor die Königin. Sie hatte diesen Krieg nach Jahrhunderten der Planung begonnen. Sie stünde es durch, bis die Menschheit tot und die Welt mit all ihren anerkannten Bewohnern nach ihrer Vorstellung neu erschaffen war.
Der Planet würde weiter rumpeln und ächzen, solange die Armeen beider Seiten kämpften. Eine weitere Explosion an der Oberfläche erschütterte die Kammer und löste Erdklumpen, die zu Boden krachten. Die Königin hatte die Menschen in den Wahnsinn der Angst getrieben. Ein in die Ecke gedrängtes Tier stellte eine Bedrohung dar, doch ein Mensch, dem die Ausrottung drohte, war unberechenbar und primitiv.
Die Töchter der Königin fuhren mit der Arbeit fort, ihren geschwollenen Hinterleib zu lecken, ihn von Schmutz und Keimen zu befreien, während er pulsierte und neue Eier herauspresste. Selbst wenn die Kammer kollabieren würde und ihre Dienerschaft enthauptet wäre, würden sie weiterlecken, bis ihre Gehirne durch Blut- und Sauerstoffmangel abschalteten. Ihre Hingabe blieb absolut.
Übergroße Arbeiterinnen trugen in ihren Kiefern die dicken, fast durchscheinenden Larven der Alphasoldatinnen, die gezüchtet wurden, um die Größe eines Menschen zu überragen. Sie konnten einen Mann in zwei Hälften schneiden, einen Panzer umkippen und unzählige Geschosse aus Gewehren und Geschützen ertragen. Wenn diese Supersoldatinnen schlüpften, verrichtete die Königin ihre altehrwürdige Aufgabe, jede zu halten und ihre Fühler zu berühren, um einen Teil ihres immensen Wissens weiterzugeben. Ihnen genügte das für die Erfüllung ihrer Pflicht. Mit mehr könnten sie nicht umgehen. Ihre Töchter folgten nur ihren Befehlen, analysierten nicht und zerbrachen sich nicht den Kopf so wie sie.
Was sie den neuen Soldatinnen an diesem besonderen Tag darbrachte, stellte sie vor eine Herausforderung. Die Kolonie war dem Sieg über die Menschheit nah, doch sie könnten alles ebenso schnell wieder verlieren. Ihre eigene Mutter, die sogenannte Außenseiterkönigin, wurde damals zur selben Entscheidung gezwungen. Und sie hatte beschlossen, Hymenoptera alles zu geben. Das war der Quell ihrer Bedeutsamkeit und die Wurzel ihres Elends. Hätte sie diese verhasste Gabe nicht angenommen, wäre die Kolonie gescheitert und der Mensch längst siegreich gewesen.
Sie gab jede der Alphas eine Zusammenfassung des Krieges und der Geschichte der Kolonie, die bis zu ihrer Großmutter zurückreichte, der Verlorenen Königin, jener törichten Monarchin, die tausende Jahre zuvor regiert hatte und deren Versagen den Konflikt mit der Menschheit ausgelöst hatte. Unangefochten weite Teile der Erde und ihres Untergrunds regierend, hatte die Verlorene geglaubt, die rechtmäßige Herrscherin des Planeten zu sein, denn ihre Spezies war die bestgeeignete zur Führung: Ungehindert durch Sentimentalität, Angst oder die fehlgeleitete Irrung, diese Welt wäre einzig für sie geschaffen worden.
Als die Außenseiterin noch im Larvenstadium gewesen war, hatte die Verlorene zu spät erkannt, dass sie den Menschen unterlag, und Land, Nahrung, Wasser sowie die Herrschaft über andere Kreaturen abtreten musste. Während sie gezögert hatte und nicht in der Lage gewesen war, die umgebende Gefahr zu begreifen, war eine Armee Männer über das Land geschwappt, um die Ameisenhügel anzugreifen, die sich zur Missachtung einer ihrer Städte erhoben hatten. Der Gestank menschlicher Sandalen und das Donnern ihrer Füße hatte die Kolonie alarmiert, doch es half nicht mehr. Die Menschen hatten scharfes Werkzeug und Fackeln mitgebracht. Sie hatten tagsüber angegriffen, da die Wüstensonne die Ameisen träge machte. Millionen waren zur Verteidigung in den Tod geschickt worden. Ganze Blutlinien waren verloren gegangen. Überall in den Tunneln und Nebengängen hatte sich der süßliche Geruch von Ölsäure an die Wände geklammert, das Warnsignal toter Ameisen und Symbol ihrer Niederlage.
Obwohl es zuvor schon Angriffe gegeben hatte, herrschte Eintracht. Sie und ihre Feinde hatten gewusst, dass die Auslöschung des Gegners auf lange Sicht unklug gewesen wäre. Es brauchte ein Gleichgewicht. Doch dieser Ansturm hatte alles in den Schatten gestellt. Die Männer hatten beabsichtigt, jede einzelne Ameise zu ermorden, statt eine Grenze zwischen beiden Welten zu ziehen. Die Verlorene hatte gewusst, dass sie einer Rasse böser Götter gegenüberstand. Diese Kreaturen töteten zum Vergnügen und erachteten nur ihr eigenes Leiden als bedeutend. Eine solche Spezies zeigte weder Vernunft noch Gnade.
Im Angesicht der Offensive hatten sich die Töchter der Verlorenen in ihre Katakomben zurückgezogen, während die Menschen über ihre Städte gepflügt waren. Als wieder Ruhe eingekehrt war, hatte die Königin den Arbeiterinnen befohlen einen Weg hinauszugraben. Sämtliche Bemühungen waren darauf konzentriert und Zucht und Nahrungsbeschaffung eingestellt worden. Die schwächeren der vorhandenen Larven hatten den Gräberinnen als Nahrung gedient, bis sie an Erschöpfung gestorben waren und die nächste Reihe aufrückte. Die Zukunft hatte warten müssen, bis die Gegenwart gelöst war.
Mit der Zeit waren die Ameisen aus der Erde gedrungen. Das Land um sie herum war zu einem weiten Kulturfeld geworden, scheinbar endlos in alle Richtungen. Das Glücksspiel der Königin hatte sich ausgezahlt. Es hatte Nahrung in Hülle und Fülle gegeben. Sie hatte ihren Töchtern befohlen, davon zu essen, um gleichzeitig die Stadt der Menschen zu schwächen. In nur wenigen Stunden hatten sie den Großteil der Feldfrüchte verschlungen. Bei Tagesanbruch waren die Bauern gekommen und hatten das meiste ihrer Ernte vernichtet gesehen. Ehe sie hatten reagieren können, hatten die ermutigten Ameisen die Knöchel der Männer umschwärmt und in ihr Fleisch gebissen. Viele tapfere Ameisen waren in diesem Moment seliger Rache unter den zerquetschenden