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Hilfesuchend sah er Dr. Daniel an. »Ich will auch nicht so sein! Ich will nicht von allen gehaßt und gefürchtet werden. Ich will… ich will…« Er stockte, und Dr. Daniel spürte die Verzweiflung, die in ihm steckte.

      Mit einer väterlichen Geste legte er einen Arm um Dr. Metzlers Schultern.

      »Komm, Wolfgang, als erstes werden wir für dich ein ruhiges Plätzchen suchen.«

      Sie fanden dieses Plätzchen in einem Patientenzimmer im ersten Stockwerk, das ein wenig abseits lag. Meistens wurde es für Patienten benutzt, die von den anderen ein wenig abgesondert werden sollten – wie es beispielsweise auch bei Stefan damals der Fall gewesen war, als er sich eine schwere Diphtherie zugezogen hatte.

      »So, Wolfgang, jetzt legst du dich erst mal ins Bett«, ordnete Dr. Daniel an. »Ich bin in fünf Minuten wieder bei dir.«

      Es dauerte auch wirklich nicht lange, bis er mit einer vorbereiteten Spritze zurückkam.

      »Was gibst du mir da?« fragte Wolfgang argwöhnisch, als Dr. Daniel seinen linken Hemdärmel hochschob, einen Gurt um seinen Oberarm legte und schließlich eine Vene auswählte.

      »Kein Kommentar«, antwortete er, während er die Nadel vorsichtig einstach und die wasserhelle Flüssigkeit sehr langsam injizierte. »Du bist jetzt für einen Tag Patient und bekommst, was gut für dich ist.«

      Das Medikament wirkte rasch. Lähmende Müdigkeit breitete sich in Dr. Metzler aus.

      »Aber… Erika… und… meine Arbeit«, brachte er noch hervor, dann fielen ihm die Augen zu.

      Während Dr. Daniel ihn aufmerksam betrachtete, öffnete sich beinahe lautlos die Tür, und Dr. Scheibler kam herein.

      »Was ist mit ihm?« fragte er besorgt, dann fügte er erklärend hinzu: »Ich habe gesehen, wie Sie ihn hier hereingebracht haben.«

      »Er muß ein bißchen zur Ruhe kommen«, entgegnete Dr. Daniel. »Das alles war wohl zuviel für ihn – die Fehlgeburt und auch die jetzigen Sorgen um Erika…«

      Doch Dr. Scheibler schüttelte den Kopf. »Ich habe Ihnen heute schon einmal gesagt, daß seine Veränderung sehr viel früher begonnen hat.«

      »Ich weiß, aber sehen Sie, Gerrit, Wolfgang hat diese Veränderung selbst nicht bemerkt. Als er es heute erfahren mußte, war es ein Schock für ihn – und das hat er nicht nur gespielt, so gut kenne ich ihn denn doch.«

      Dr. Scheibler warf einen Blick auf den schlafenden Wolfgang.

      »Wie soll es nun weitergehen? Müssen wir ihn einfach so akzeptieren, wie er jetzt ist?«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Nein, Gerrit, keinesfalls. Sein momentanes Verhalten ist unzumutbar, aber ich glaube, das hat er auch eingesehen. Wichtig ist vorerst nur, daß er einmal zur Ruhe kommt.« Er sah auf die Uhr. »Das Medikament wird ihn sicher bis acht Uhr schlafen lassen, wahrscheinlich sogar länger. Wenn Sie merken, daß er zu sich kommt, dann spritzen Sie noch einmal nach. Vor morgen früh soll er nicht wach werden. Ich werde vor Beginn meiner Sprechstunde noch einmal nach ihm sehen.«

      »Ist in Ordnung, Robert«, meinte Dr. Scheibler. »Ich habe heute sowieso Nachtschicht, dann kann ich mich um ihn kümmern.«

      »Gut, ich werde noch mal zu Erika hinübergehen. Sie weiß, daß ich mit Wolfgang sprechen wollte, und wird sich bestimmt große Sorgen machen.«

      *

      Erika Metzler war tatsächlich schon sehr beunruhigt, als Dr. Daniel ihr Zimmer betrat. Rasch richtete sie sich auf.

      »Was ist mit Wolfi? Er wollte doch noch einmal zu mir kommen«, platzte sie sofort heraus.

      Spontan setzte sich Dr. Daniel zu ihr und griff nach ihrer Hand. »Immer mit der Ruhe, Erika. Wolfgang schläft jetzt, und ich glaube, das hat er auch bitter nötig. Vor morgen früh wird er nicht aufwachen, aber ich bin sicher, daß er dann noch am Vormittag zu Ihnen kommen wird.«

      Erika nickte zwar, doch Dr. Daniel spürte, daß sie noch etwas auf dem Herzen hatte.

      »Fragen Sie ruhig, Erika, ich werde Ihnen alles sagen, was Sie wissen möchten.«

      »Mußten Sie sehr mit ihm schimpfen?«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Nein, Erika, überhaupt nicht. Wolfgang war von dem, was ich ihm sagen mußte, ziemlich geschockt. Er selbst hat diese gravierende Veränderung, die in ihm vorgegangen war, offenbar überhaupt nicht bemerkt.«

      »So ist es mir auch manchmal vorgekommen«, stimmte Erika zu. »Wenn er zu Hause war, dann war er so ruhig und ausgeglichen wie immer, aber kaum hat er die Klinik betreten, da…« Sie zögerte, wußte nicht, wie sie ihr Gefühl beschreiben sollte. »Irgendwie hatte ich den Eindruck, er wäre hier ein völlig anderer Mensch.« Sie sah Dr. Daniel an. »Wird sich das wieder ändern?«

      »Ja, ich denke schon – vorausgesetzt, Wolfgang will es selbst, aber davon gehe ich eigentlich aus.« Dr. Daniel tätschelte Erikas Hand. »Sie sollten sich darüber allerdings gar keine Gedanken machen, sondern in erster Linie an sich und das Baby denken.«

      Erika mußte lächeln. »Genau dasselbe hat Wolfi heute auch gesagt.« Dann wurde sie wieder ernst. »Dabei gibt es jetzt doch so vieles zu bedenken. Die Waldsee-Klinik braucht einen Anästhesisten und…« Sie stockte, dann ging in ihrem hübschen Gesicht plötzlich die Sonne auf. »Ich glaube, ich habe eine Idee.«

      »Und die wäre?« wollte Dr. Daniel wissen.

      »Wird nicht verraten. Erst muß ich ein Telefongespräch führen.«

      Das tat Erika dann auch, als Dr. Daniel ihr Zimmer verlassen hatte. Doch so einfach, wie sie es sich vorgestellt hatte, war es nicht. Ihre Kollegin, mit der sie einst in einer sehr exklusiven Würzburger Privatklinik zusammengearbeitet hatte, war offensichtlich umgezogen, und erst über die Auskunft bekam Erika die Telefonnummer ihrer Eltern heraus.

      »Guten Tag, Frau Köster, hier ist Erika Metzler«, gab sie sich zu erkennen, dann mußte sie lächeln. »Früher Wieland. Ich bin inzwischen verheiratet.«

      Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis die Frau am anderen Ende der Leitung den Namen zuordnen konnte.

      »Ach, Fräulein Erika… das heißt, ein Fräulein sind Sie dann ja gar nicht mehr.«

      »Eigentlich nicht, aber sagen Sie doch einfach Erika zu mir«, meinte sie, dann kam sie gleich zur Sache. »Ich bin auf der Suche nach Gabi.«

      Frau Köster seufzte tief auf. »Ach, Erika, das ist ein ganz trauriges Kapitel. Gabi ist nicht mehr in Deutschland… nicht einmal in Europa.«

      »Wie bitte? Ja… hat sie denn ins Ausland geheiratet?«

      »Ganz und gar nicht. Gabi ist ausgewandert – auf der Flucht vor ihrem Ex-Verlobten.«

      Erika begriff kein Wort. »Auf der Flucht? Aber… ich verstehe nicht… wo ist sie denn jetzt?«

      »In Australien. Auf einer Farm, und… wissen Sie, sie schreibt es nicht direkt, aber ich glaube, sie ist sehr unglücklich dort.«

      »In Australien«, wiederholte Erika erschüttert. »Meine Güte…« Sie überlegte kurz. »Kann ich sie dort irgendwie erreichen?«

      »Telefonisch ist das sehr teuer, aber Sie könnten ihr ja schreiben. Die Adresse…«

      »Nein, Frau Köster«, wehrte Erika ab. »Ich werde die hohen Telefonkosten nicht scheuen.«

      Frau Köster gab ihr die endlos lange Telefonnummer durch, und dann gab es für Erika kein Halten mehr. Sie hatte keine Ahnung, wie spät es jetzt in Australien war, trotzdem zögerte sie nicht, sofort auf dieser fernen Farm anzurufen. Tatsächlich holte sie Gabriela Köster aus dem Bett, und so dauerte es eine ganze Weile, bis die junge Frau begriff, wer da eigentlich am Telefon war.

      »Erika? Erika Wieland?« vergewisserte sie sich, und sogar am Telefon konnte Erika hören, wie sie noch immer daran zweifelte, daß es tatsächlich Erika war, die sich bei ihr meldete.

      »Ja,

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