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ehrlich, Erika, ist es wahr, daß ich mich so sehr verändert habe?«

      Sie zögerte einen Moment, dann nickte sie. »Ja, Wolfi, so leid es mir tut, dir das sagen zu müssen, aber fast alle hier in der Klinik haben dich in den vergangenen Monaten von einer sehr unangenehmen Seite kennengelernt.«

      »Du auch?« fragte er, und dabei stand Angst in seinen sanften, rehbraunen Augen.

      Da schüttelte Erika den Kopf. »Nein, Wolfi, zu mir warst du so liebevoll und zärtlich wie immer – vielleicht sogar noch mehr als zuvor. Aber als Chefarzt warst du tatsächlich nur schwer zu ertragen.«

      Wolfgang seufzte tief auf. »Als Karina und Robert es zu mir sagten… ich weiß nicht, wie ich es erklären soll… ich habe ihnen geglaubt und gleichzeitig doch wieder daran gezweifelt. Es schien mir einfach unvorstellbar, daß mich mein Ehrgeiz so weit treiben konnte. Aber wenn sogar du es sagst…« Er stockte. Noch immer erschien ihm das alles zu ungeheuerlich, um wirklich wahr zu sein. Es war, als hätte er das alles in einer Art Trancezustand getan, dabei war ihm gleichzeitig jede Szene, in der er als unerbittlicher Chefarzt fungiert hatte, so deutlich in Erinnerung, als wäre sie erst vor fünf Minuten passiert.

      »Ich fürchte, ich habe jetzt eine ganze Menge gutzumachen«, murmelte er.

      »Wolfi.« Erikas Stimme klang sanft und weich. »Jeder hier in der Klinik mag dich. Sie werden es dir nicht schwermachen, da bin ich ganz sicher.«

      Er mußte lächeln. »Genau dasselbe hat Robert heute früh auch gesagt.« Dann stand er auf. »Ich werde es gleich hinter mich bringen, schließlich hat es keinen Sinn, die Sache noch weiter hinauszuzögern.«

      »Ich denke ganz fest an dich, Wolfi«, versprach Erika leise.

      Da beugte er sich zu ihr hinunter und küßt sie. »Das wird mir helfen, Liebes.«

      Er atmete tief durch, dann verließ er Erikas Zimmer. Er hatte jetzt eine Art Canossagang vor sich, aber er wußte auch, daß es dringend nötig war, sich zu entschuldigen. Nur so konnte die Arbeit hier in der Klinik wieder reibungslos funktionieren.

      *

      Es wurde eng in Dr. Metzlers Büro, denn der gesamte Ärztestab, alle Schwestern und Pfleger hatten sich auf Anweisung des Chefarztes hier versammelt.

      »Was ich jetzt gestehen muß, fällt mir wahrlich nicht leicht«, sagte Dr. Metzler ganz offen. »Sie alle haben mich während der vergangenen Monate von einer ziemlich üblen Seite kennengelernt, und dafür möchte ich mich heute ausdrücklich entschuldigen.« Er schwieg kurz. »Ich kann selbst nicht erklären, wie es dazu gekommen ist, aber… vermutlich war es mein Ehrgeiz. Ich wollte eben ein perfekter Chefarzt mit einem fehlerlosen Team sein, aber so etwas gibt es wohl nicht, und wenn doch, dann funktioniert es nicht, indem man andere tyrannisiert. Ich wollte das nicht, aber…« Er zuckte die Schultern. »Es ist nun mal passiert, und ich kann nur hoffen, daß Sie mir verzeihen.« Er zögerte. »Es wird nicht mehr vorkommen, das verspreche ich Ihnen.«

      Eine Weile herrschte Schweigen, dann trat der Oberarzt Dr. Scheibler vor.

      »Ich glaube, ich spreche für alle, wenn ich sage, daß eine so wortreiche Entschuldigung sicher nicht nötig gewesen wäre«, erklärte er. »Wir sind alle nur Menschen und machen Fehler.« Er lächelte Wolfgang an. »Auch ein Chefarzt ist davor nicht gefeit. Aber zumindest ich für meinen Teil freue mich wieder auf die Zusammenarbeit mit dir.«

      Dr. Metzler reichte ihm die Hand. »Danke, Gerrit.« Er nickte auch den anderen dankend zu, dann wandte er sich ab und lehnte sich an seinen Schreibtisch. Diese kurze Unterredung hatte ihn ziemlich erschöpft, aber das lag wahrscheinlich noch immer an dem Medikament, das er in der Nacht noch einmal gespritzt bekommen hatte.

      Währenddessen waren die Ärzte, Schwestern und Pfleger schon dabei, das Büro wieder zu verlassen.

      »Stefan, einen Augenblick noch!« rief Dr. Metzler dem jungen Assistenzarzt zu.

      Mit etwas gemischten Gefühlen blieb Stefan stehen und wünschte sich dabei trotz Wolfgangs beruhigender Worte, er könnte mit den anderen gleich wieder an seine Arbeit gehen.

      »Setz dich, bitte«, bot Dr. Metzler an, während auch er Platz nahm. Er schwieg noch eine Weile, dann sah er den jungen Assistenzarzt an. »Ich habe das Gefühl, als müßte ich mich bei dir persönlich entschuldigen. Du hattest unter meiner Veränderung wohl am meisten von allen zu leiden.«

      Stefan errötete ein wenig, weil er mit so einer Geste am allerwenigsten gerechnet hatte. Schließlich war er in den vergangenen Monaten ein völlig anderes Verhalten von seinem Chefarzt gewohnt gewesen.

      »Ist schon gut, Wolfgang«, murmelte er. »Du hast ja gerade erklärt, woran es lag und… Gerrit hat durchaus auch für mich gesprochen.«

      »Ich bin froh, daß du das sagst, trotzdem ist die ganze Sache in meinen Augen noch längst nicht gut«, entgegnete Dr. Metzler ernst. »Ich habe dich sehr oft mit ungerechtfertigten Vorwürfen bombardiert. Deshalb möchte ich dir heute etwas sagen, was du dir schon längst verdient hast.« Er schwieg kurz. »Du absolvierst zwar erst deine Assistenzzeit, trotzdem bist du schon jetzt ein sehr guter Arzt, und wenn du hier einmal fertig bist, dann würde ich mein Leben medizinisch betrachtet bedenkenlos in deine Hände legen.«

      Stefan errötete wieder, doch diesmal vor Freude über dieses Lob, mit dem er niemals im Leben gerechnet hätte.

      »Wolfgang, das ist…«, stammelte er.

      »Es ist die Wahrheit«, fiel Dr. Metzler ihm ins Wort, dann stand er auf. »Jetzt kannst auch du wieder an deine Arbeit gehen.«

      Das ließ sich Stefan nicht zweimal sagen. Plötzlich war er von einem Enthusiasmus erfüllt, den er seit Monaten nicht mehr an sich gekannt hatte.

      Dr. Metzler sah ihm nach, als er das Zimmer verließ, dann atmete er auf. Es war geschafft. Er hatte seine vielen Fehler der letzten Zeit ausgemerzt, so gut es möglich gewesen war. Und in diesem Moment schwor er sich, daß es nie wieder zu einem solchen Zwischenfall kommen solle.

      *

      Die letzten sechs Wochen in Australien wurden für Gabriela Köster zu einer nicht enden wollenden Qual. Plötzlich schien ihr die sengende Hitze noch unerträglicher als zuvor zu sein, und nicht einmal an den springfreudigen Känguruhs und den niedlichen Pandabären konnte sie noch Gefallen finden. Sie sehnte sich nach dem ihr unbekannten Steinhausen, nach dem kristallklaren See, von dem Erika gesprochen hatte, und nach der Klinik, in der sie endlich wieder in dem Beruf würde arbeiten können, den sie liebte.

      Gerade an dem Tag, an dem die Hitzeperiode ein Ende fand und der Regen wie aus Kübeln vom Himmel fiel, war es für Gabriela endlich soweit. Der Vorarbeiter Jim Pearson hatte es sich nicht nehmen lassen, sie nach Adelaide zu fahren. Gabriela war froh darüber, denn der ruhige und zuverlässige Jim war der einzige wirkliche Freund, den sie in Australien gefunden hatte.

      »Schade, daß du uns wieder verläßt«, erklärte er, und sein Bedauern in der Stimme klang echt. Er sah sie an, was auf den menschenleeren Straßen nicht einmal bei dieser Sintflut, die vom Himmel stürzte, ein großes Risiko war. »Mit dir konnte man sich immer so gut unterhalten.« Er lächelte. »Und im Schachspielen bist du eine Meisterin. Ich glaube, da wirst du mir schon sehr fehlen.«

      Auch Gabriela lächelte. »Es hat mir Spaß gemacht, meine geistigen Fähigkeiten mit den deinen zu messen – obwohl ich dabei meistens verloren habe.« Dann wurde sie ernst. »Aber irgendwann wäre ich sowieso wieder gegangen. Ich bin für dieses Leben einfach nicht geschaffen.«

      Jim nickte. »Es war wahrscheinlich ein Fehler, daß du überhaupt hergekommen bist.«

      »Ich weiß nicht so recht«, entgegnete Gabriela nachdenklich. »Vielleicht lernt man nur auf diese Weise das zu schätzen, was einem sonst am Leben ganz selbstverständlich zu sein scheint.«

      Dann herrschte Schweigen zwischen ihnen, doch es war kein peinliches Schweigen. Gabriela fühlte, daß Jim sie verstand, und sie wußte schon jetzt, daß sie seine Freundschaft, die nie auf irgendwelche Intimitäten ausgerichtet gewesen war, vermissen würde.

      In

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