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… Das darf nicht sein … Herr von Löwen!«

      Der Kommandant folgte mit den Blicken dem Finger des Oberingenieurs. Ein gelbes Pünktchen löste sich von dem Raubschiff und sank in die Tiefe. Der Kommandant sprach durch das Telephon. In dichten Salven feuerte das Kompagnieschiff. Weiße Schrapnellwölkchen umhüllten das niedersinkende gelbe Fleckchen und dann … ganz plötzlich war das verschwunden, wie weggewischt aus dem blauen Himmel.

      »Aber schon tropfte es weiter aus dem todwunden Raubschiff. Ein zweiter, dritter, vierter und fünfter Fallschirm löste sich fast gleichzeitig von ihm und sank nach unten.

      Wellington Fox hielt sich mit der Rechten am Fenstergriff und schlug sich mit der Linken auf die Schenkel.

      »Nummer zwei ist futsch … Nummer drei ist getroffen … den fünften hat’s gefaßt … der vierte … aber der vierte … Georg … der vierte kommt durch.«

      Die Geschütze des Kompagnieschiffes arbeiteten wie Schnellfeuerpistolen. Die Wolken der platzenden Schrapnelle umhüllten den vierten Fallschirm so dicht, daß man das Gelb seiner Form nicht mehr zu erkennen vermochte.

      »Jetzt hat’s ihn! … Nein, da ist er noch … jetzt hat’s ihn doch … nein … na … ich weiß nicht …«

      Wellington Fox stieß die Worte mit der Leidenschaftlichkeit eines Jägers hervor, während er das Schicksal des vierten Fallschirms verfolgte.

      In den letzten Minuten war das Kompagnieschiff dem bewegungslosen Raubschiff immer näher gekommen. Noch einmal drei Schüsse aus den schwersten Rohren. Trümmer flogen auf. Dann brach das führerlose Schiff in drei Teilen auseinander. Schwer wie Steine stürzten sie in die Tiefe und schlugen dumpf auf den Boden auf. Die Rohre des Kompagnieschiffes schwiegen. Unwahrscheinlich wirkte die Stille nach dem Getöse des vorangegangenen Kampfes. Der Kommandant brach als erster das Schweigen.

      »Horrido! Herr Isenbrandt … Das war also Ihre kleine Abwechslung!? Der Sieg war ja nicht schwer. Aber immerhin …«

      Isenbrandt trat auf ihn zu und schüttelte ihm die Hand.

      »Das war gute Arbeit, Herr von Löwen. Es waren nicht die hundert oder zweihundert Passagiere des Postschiffes, die Sie vor einem schlimmen Tode bewahrt haben … Denn offensichtlich ging die Absicht der Piraten nicht auf Raub, sondern auf Vernichtung … Es war diesmal mehr …«

      Herr von Löwen blickte den Sprecher zweifelnd an.

      »Also … Es war gute Arbeit, mein Herr von Löwen. Die Kompagnie wird Ihnen Dank wissen. Doch nun runter! Besehen wir uns die Strecke in der Nähe.«

      Im schnellen Gleitflug stieß der starke Kreuzer in die Tiefe. Nach wenigen Minuten setzte er dicht neben den Überresten des abgeschossenen Schiffes auf.

      Mit dem Kommandanten standen Georg Isenbrandt und Wellington Fox zwischen den Trümmern des Wracks. Verbogenes Fachwerk, zerfetzte Bleche, zerschlagene Transmissionen. Kaum möglich, sich durch den Wirrwarr einen Weg zu bahnen. Jetzt waren sie an der Batterie. Zwischen den zertrümmerten Lafetten lagen die Überreste menschlicher Körper. Zur Not ließen sich Rasse und Hautfarbe erkennen.

      »Mongolen … Mongolische Räuber?«

      Zweifelnd brachte der Kommandant die Worte hervor.

      »Jedenfalls Gelbe, Herr von Löwen! Gelbe! Es ist wichtig, daß Sie das in Ihrem Bericht an die Gesellschaft betonen … Was macht Nummer achtzehn?«

      »Ah! … Da!«

      Der Kommandant deutete nach Nordosten.

      »Es hat wieder Richtung Orenburg genommen. Seine Beschädigungen scheinen nicht allzu schwer zu sein. Es erreicht mit eigener Kraft den Hafen.

      Wir sollten bis Ferghana durchfahren, Herr Isenbrandt. Mit Ihrer Zustimmung würde ich indes gern in Orenburg zwischenlanden. Für die weiteren Ermittlungen und meinen Bericht wäre es wünschenswert.«

      »Bitte, Herr von Löwen!«

      Wenige Minuten später erhob sich das Kompagnieschiff und setzte den Kurs mit forcierter Fahrt auf Orenburg.

      Nummer achtzehn steuerte von Norden her den Orenburger Hafen an. Es fuhr schwerfällig, als ob ein Teil seiner Maschinen außer Betrieb sei. Der mächtige Rumpf lag nach Backbord über, als ob das Gleichgewicht gestört sei. Aber es fuhr doch mit eigener Kraft und kam dem Flughafen von Minute zu Minute näher.

      Jetzt konnte man auch mit unbewaffnetem Auge erkennen, daß sein Rumpf an mehr als einer Stelle schwere Verletzungen aufwies. Ein Teil seiner Propeller war zerstört. Geknickt und zertrümmert hingen die Bruchstücke in den Lagern. Auf der Backbordseite zeigte der Rumpf große Risse und Löcher. Nur mit Mühe konnte der Führer sein Schiff in der Luft halten und vor dem Kentern bewahren.

      Jetzt senkte es sich über der Plattform und warf die Leinen aus. Geschickt griffen die Schaffner zu. Aber sie hatten heute viel länger als sonst zu richten und zu dirigieren, bevor das Schiff endlich über dem Gleis stand und seine starken Räder in die Schienen eingriffen.

      Im gleichen Moment begannen die hydraulischen Pressen der Station zu arbeiten. Wie von Zauberhänden bewegt, klappten zu beiden Seiten des Schiffes mächtige eiserne Wände empor, schoben sich hoch und vereinigten sich über ihm. Nur wenige Minuten, und von der aufsteigenden Halle völlig umgeben, stand es dort sicher vor Wind und Wetter geborgen. Treppen wurden ausgeklappt, Türen geöffnet, und in breitem Schwarm ergossen sich die Passagiere aus dem Schiffsinnern in das Freie.

      Aber das Bild war heute anders als sonst. Der Schrecken des Überfalles lag den Reisenden in den Gliedern. Es hatte Treffer und auch unter den Passagieren Verwundungen gegeben. Wenn sonst hier ein Schiff der großen europäisch-asiatischen Linie landete, waren seine Promenadendecks stets dicht besetzt, und schon von weitem grüßte Winken und Tücherschwenken. Diesmal dauerte es viel länger, bis das gewohnte Leben und Treiben in Gang kamen. Viele Gesichter zeigten noch die Blässe, die von überstandener Gefahr sprach. Der Überfall, so schnell er auch bestraft wurde, war doch dem Luftverkehr dieses Tages nicht günstig. Die Beamten der Station hatten alle Hände voll zu tun, um Fahrscheine, die nach Omsk oder Andischan weiter galten, für die Eisenbahn umzustempeln. Viele Reisende zogen den langsameren, aber nach ihrer Meinung sicheren Landweg für die Weiterreise vor.

      Jetzt lenkte Propellerschwirren die Blicke von neuem aufwärts. In windender Fahrt kam das Wachtschiff der E. S. C. an. Auf der Wölbung des Rumpfes schimmerte in leuchtenden Farben das Kompagniewappen. Die drei Ähren mit der Sichel und die verschlungenen Initialen E. S. C.

      Sicher und schnell, ohne die Hilfe der Schaffner abzuwarten, setzte das Schiff auf der Plattform auf. Seine Treppe wurde ausgelegt. Georg Isenbrandt und Wellington Fox traten in Begleitung des Kommandanten ins Freie.

      Zu dritt bestiegen sie einen der Fahrstühle, fuhren in die Tiefe und begaben sich zum Posthotel.

      Georg Isenbrandt wandte sich an Herrn von Löwen:

      »Während Sie sich mit dem Kommandanten von Nummer achtzehn besprechen und das Weitere in die Wege leiten, werde ich mit Mr. Fox im Hotel eine Erfrischung nehmen. Sie werden die Liebenswürdigkeit haben, es uns wissen zu lassen, wenn Sie abfahrtbereit sind.«

      In der kleinen Trinkstube hinter dem großen Speisesaal fanden die beiden Freunde eine wohnliche Ecke, in der sie allein und ungestört sitzen konnten.

      Der Raum war im Stile der alten deutschen Ratsstuben gehalten, wie man sie heute noch in den baltischen Hansestädten an der Ostsee findet. Man konnte sich hier in das sechzehnte Jahrhundert zurückversetzt glauben. Nur der Funkenschreiber, der auf einem Tischchen an der Wand stand und unablässig Depeschen aus aller Welt aufschrieb, verriet, daß die Zeit inzwischen ein halbes Jahrtausend weitergegangen war.

      Wellington Fox sprang auf und trat an den Apparat heran. Einen kurzen Moment haftete sein Blick auf den Schriftzügen des Papierstreifens. Dann wandte er sich an den Oberingenieur.

      »Höre mal, Georg, was die Wun-Fang-Ti-Agentur meldet …«

      Georg Isenbrandt machte eine abwehrende Handbewegung.

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