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drängte an den Freund heran und sah ihm forschend ins Gesicht.

      »Ich meine, daß erheblich viele Grade der Wahrscheinlichkeit dafür sprechen … müßten. Aber meine Meinung wird von dem Direktorium der E. S. C. leider nicht geteilt.«

      »Georg, Krieg! … Krieg zwischen dem Vereinigten Europa und dem großen Himmlischen Reich!«

      Der andere nickte stumm. Sein gleichmäßig kühles Gesicht blieb unverändert. Nur ein leuchtendes Funkeln seiner starr ins Weite gerichteten Augen zeigte, daß sein Inneres keinen Teil an seiner äußerlichen Ruhe hatte.

      In dem Gehirn des Journalisten kreuzten sich wirr tausend Gedanken. Eine Weile schritten sie wortlos nebeneinander her.

      »Du weißt, Wellington, daß unsere Unterhaltungen keine Interviews sind. Der Journalist Wellington Fox von der Chikago Preß hört von unseren Gesprächen nichts.«

      »Kein Zweifel, Georg. Doch sag, zu welchem Zweck bist du hier in Berlin?«

      »Um einen letzten Versuch zu machen … die Herren der E. S. C. zu meiner Ansicht zu bekehren. Ich habe um fünf Uhr eine Konferenz mit ihnen.«

      »Und wenn …? Was wird dann aus dem großen Werk der E. S. C.? Den Hunderttausenden von europäischen Siedlern in Turkestan … und deinen großen Arbeiten? Werden sie nicht durch den Krieg schwer leiden?«

      »Du fürchtest für sie? … Ich nicht, wenn man mir folgt … sie zu verteidigen … zu sichern auf Menschenalter … darauf gehen meine Pläne … und wäre dazu Krieg nötig.«

      Jede Gleichgültigkeit war jetzt von dem Sprecher abgefallen. Ein eiserner Wille, eine unbeugsame Energie prägte sich auf dem scharf geschnittenen Gesicht mit der kantigen Stirn aus.

      Staunen, Überraschung … Bewunderung malten sich in den Zügen des Journalisten. Mit einem zweifelnden Blick maß er die Gestalt des einstigen Schulkameraden.

      »Georg, Krieg! Das Wort riecht nach Blut!«

      »Hat es stets getan … und wird es immer tun, solange Krieg die Ultima ratio menschlicher Zwistigkeiten ist … das heißt solange Menschen leben werden.«

      Ein Augenblick des Schweigens.

      »Nur eins möchte ich dich noch fragen.« Ein besorgter Unterton klang aus der Stimme des Sprechenden. »Bist du dir auch bewußt, mit welchem furchtbaren Gegner Europa … du … zu kämpfen haben würdest? Das große geeinte Gelbe Reich ist eine Macht, wie sie die Geschichte der Völker selten gekannt hat. Sein Herrscher, der Kaiser Schitsu ist ein Mann vom Blut und Schlage des Dschingis-Khan.«

      »Ich weiß es. Die Gefahr ist groß! Aber sie wird mit jedem Jahr größer … bis sie eines Tages das Abendland verschlingen wird. Deshalb heißt es, ihr zu begegnen … jetzt, ehe es zu spät ist.

      Der Kaiser ist todkrank. Ob er am Leben bleibt? … Wer weiß es? Stirbt er, wird man mir leichter folgen. Die Angst vor ihm ist größer als vor seinem Land. Doch wir sind am Ziel.«

      Er deutete auf den Sandsteinpalast, den sie jetzt erreicht hatten.

      »Was da drinnen in den nächsten Stunden beschlossen wird, ist entscheidend für das Wohl und Wehe von Millionen Menschen, für das Schicksal zweier Rassen … zweier Kulturen.«

      Unwillkürlich hatte sich seine Hand erhoben und stand fragend und drohend gegen die stummen Quadern des Riesenbaues gereckt, der hier wie eine Trutzfeste auf dem märkischen Sande ragte. Denn senkte sie sich langsam in die des Freundes.

      »Auf Wiedersehen denn heute abend bei dir im Hotel.«

      Noch ein Händedruck, und Georg Isenbrandt trat durch das Hauptportal in das Gebäude ein. Unschlüssig blieb Wellington Fox auf der Straße stehen. Dann begann er die Inschriften an dem Gebäude zu studieren. In den steinernen Ornamenten der Portalwölbung wiederholten sich das Ährenmotiv und die verschlungenen drei Buchstaben E. S. C. Jetzt ruhte sein Blick auf den Inschriften in der Höhe des ersten Stockwerkes. Breit und massig leuchteten von dort goldene Buchstaben … Europäische Siedlungs-Compagnie … Daneben in englischer Sprache »European Settlements Company« … wieder etwas weiter stand es auf russisch »Jewropeiskoje Obschtschestwo dlja naselenija Wostoka«.

      Das Haus hier war das Verwaltungsgebäude der großen, von den europäischen Staaten mit einem Milliardenkapital begründeten Siedlungsgesellschaft, die den Überschuß der europäischen Bevölkerung seit zehn Jahren in Asien ansiedelte. Auf meilenweiten Ländereien, die vordem unfruchtbare Steppen, nach der Erfindung des Dynotherms bestes Ackerland geworden waren. Hier in Berlin war der Hauptsitz dieser großen internationalen und mit staatlichen Hoheitsrechten ausgestatteten Gesellschaft. Ihr Arbeitsgebiet lag in Asien. Dort reichte es vom Kaspischen Meer bis zu den Grenzen des chinesischen Reiches. Dort dampften die Hochalpen unter der Wirkung des Dynotherms. Dort kochten die großen Seen, und warmer, über das ganze Jahr verteilter Regen schuf fünfzigfältige Ernten, wo früher wandernde Kirgisen kaum das Notwendigste fanden.

      Wellington Fox war mit der Betrachtung des Gebäudes zu Ende und ging weiter, dem Grunewaldpark zu. Die letzten Worte seines Freundes gaben ihm reichlich Anlaß zum Nachdenken. Seine Gedanken weilten abwechselnd im fernen Osten und im Palast der E. S. C. Und so übersah er es, wie eine elegant gekleidete Gestalt, die ihm entgegenkam, bei seinem Anblick schon von weitem einen Bogen schlug, um auf die andere Seite der Straße zu gelangen und dann im Hause der E. S. C. zu verschwinden.

      Ein dumpfer Knall riß ihn wenige Minuten später aus seinem Sinnen. Der Luftdruck einer schweren Explosion brachte ihn momentan ins Wanken. Mit einem jähen Ruck warf er sich herum und sah aus den zersplitterten unteren Fenstern des E. S. C.-Gebäudes dünne Rauchschwaden ziehen.

      Instinktiv lief er auf den Eingang des Gebäudes zu. Durch die aufgerissenen Flügeltüren drang er in das Haus ein und stürmte die Treppen empor. Ein Gemisch von Staub und Rauch benahm ihm fast den Atem. Eine schreiende, in ihrer Aufregung sinnlose Menge drang ihm entgegen. Zwischendurch … darüber hinweg bahnte er sich seinen Weg bis in das zweite Stockwerk, wo er den Freund wußte.

      Hier war er ruhiger. Hier ließ auch der Qualm nach. Er lief über einen Korridor und sah die Person, die ihm auf der Straße entgangen, in einen Seitengang verschwinden. Mit einem Ruck blieb er stehen. Ein sekundenlanges Zögern. Dann schlug er den entgegengesetzten Weg zu den Direktionszimmern ein. Noch ehe er sie erreicht, kam ihm Georg Isenbrandt mit einigen Herren entgegen.

      »Georg, was ist los?«

      »Das wissen wir selbst noch nicht. Wir müssen die Untersuchung abwarten.«

      »Ein verbrecherischer Anschlag?«

      »Nicht so eilig! Warte mit deinen Telegrammen, bis die Untersuchung Klarheit geschaffen hat.«

      Der Donner einer zweiten, schwächeren Explosion in der Nähe verschlang die letzten Worte Isenbrandts. Ohne sich noch aufhalten zu lassen, stürmte der Amerikaner dem Weg nach, den der Fremde vorher eingeschlagen hatte. Die zweite Explosion hatte neue Rauchmengen entwickelt. Er konnte kaum sehen und atmen, lief durch einen anderen Korridor, rüttelte an verschlossenen Türen und stieß schließlich auf eine Tür, die nachgab. Sah zuerst einen mächtigen Tresor, der durch die Gewalt der Explosion von oben bis unten aufgerissen war. Die Kraft der Sprengung hatte die in ihm verwahrten Dokumente durch das Zimmer zerstreut. Sah dann nur undeutlich in dem rauchgefüllten Raum, wie der Gesuchte bemüht war, mehrere Schriftstücke in seinen Taschen verschwinden zu lassen. Mit ein paar tigerähnlichen Sätzen schoß Wellington auf ihn los. Doch noch schneller hatte der Fremde die Tür zum Nebenzimmer aufgerissen. Als Wellington Fox die Klinke berührte, hörte er, wie der Schlüssel im Schloß von außen umgedreht wurde. Im selben Augenblick ließ er sie auch schon los, um über den Flur einen anderen Eingang zu diesem Zimmer zu suchen. Doch umsonst! Alle Türen waren verschlossen.

      Wellington Fox blieb stehen. Das Vergebliche einer weiteren Verfolgung hier im Gebäude war ihm klar.

      Wo ihn finden? … Ah! … Schon lief Fox dem Hauptportal zu.

      Seine Exzellenz Herr Wang Tschung Hu, der chinesische Botschafter beim Deutschen Reiche, saß

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