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es sich um einen unterseeischen Vulkanausbruch.

      Professor Raps hatte die Depesche noch am vergangenen Abend gelesen. Er vermißte die genaue Zeitangabe und war deswegen auf die Redaktion gegangen. Man hatte sie ihm bereitwillig gegeben. 8h 13m abends. Der Professor hatte das Originaltelegramm lange Zeit in der Hand behalten. Der Zusammenhang war zu frappant, zu augenfällig, um ihn nicht zu erschüttern. Und während er dort sinnend saß, hatte ihm der Redakteur eine andere eben einlaufende Depesche des Forest Department of Canada vorgelegt. Ein Bericht über einen schweren Waldbrand, bei dem mehrere tausend Hektar Urwald verascht worden waren. Das Merkwürdige war, daß das Feuer sich hier nicht allmählich weitergefressen hatte. Die ganze riesige Fläche mußte beinahe zur selben Zeit aufgeflammt und niedergebrannt sein.

      Dann hatte die Zeitung des späten Abends an dem gleichen Tage noch eine eigentümliche Meldung veröffentlicht. Einen Funkspruch der indischen Großstation zu Dehli.

      Plötzliche, überraschende Schneeschmelze im Himalaja. Ghahngak, Burh Ghandk und Damla werfen Hochwasser in den Ganges. Überschwemmung bei Hajipur.

      Die Morgenzeitungen des heutigen Tages hatten die Nachricht aus Dehli auch gebracht. Sie fügten aber eine zweite Depesche an, gleichfalls aus Dehli, daß die Schneeschmelze und das Hochwasser ebenso plötzlich, wie sie aufgetreten waren, auch wieder nachgelassen hätten.

      Das waren die hauptsächlichsten Nachrichten, die wichtigsten Glieder der Kette.

      Professor Raps hatte die Nacht keine Ruhe gefunden. Die Gedanken kamen und gingen während der Stunden von Mitternacht bis zum Sonnenaufgang. Sie überfielen ihn, drängten sich ihm auf, zwangen ihn wieder und immer wieder, diese Nachrichten zu überlegen, in Zusammenhang zu bringen. Als er sich am frühen Morgen erhob, hatte er eine Lösung gefunden. Es sind keine zufälligen Naturereignisse … es waren Wirkungen der Macht … Was war geschehen? … Raumenergie war an den verschiedensten Stellen der Erde fast gleichzeitig explodiert … Warum? … Weshalb? … Vor dem Friedensschluß wären diese Auswirkungen erklärlich gewesen … Warum jetzt? … Jetzt war eine Probe der Macht nicht mehr nötig.

      In der neunten Morgenstunde hatte Professor Raps ein Telegramm aus Hammerfest bekommen. Auch dort waren die beiden Explosionen im Spektroskop beobachtet worden, und diese zweite Beobachtung bestätigte seine Schlußfolgerungen. Die letzte Explosion zeigte die Linien reinen Aluminiums.

      Was war der Zweck, was der Sinn aller dieser Erscheinungen … hatte es noch Sinn … war es am Ende auch sinnloser Kampf … hatte die Macht sich selbst bekämpft? … Drei waren es doch … drei sollten es sein? … Waren die drei Träger der Macht miteinander in Kampf geraten? Oder … war es Selbstvernichtung? … Selbstvernichtung? … Das Korrigens? »So ist's!« Der Ausruf entfuhr dem Gelehrten, als seine Schlußkette bis zu diesem Punkte geschmiedet war. Das Korrigens des alten Linnés hatte sich gezeigt. In gewaltsamem Ausbruch hatte sich die Natur von einem Druck befreit, der ihren ewigen Gesetzen entgegenwirkte … War es das? … Es mußte so sein.

      »So ist's! … So ist's gewesen.« Die Überzeugung dafür trug er in Kopf und Herz.

      Es war Zeit, ins Kolleg zu gehen, die Vorlesung über Elektrodynamik zu halten. Er verließ seine Wohnung und ging in die Hochschule.

      Er sprach und war selbst über den Schwung, über das Feuer seines Vortrages erstaunt. Er fühlte es, er merkte es an den Mienen der Zuhörer, daß er das Auditorium heute mehr denn je faszinierte. Es lebte und wirkte etwas in ihm, was ihn emporhob, was den logischen Schlüssen, den mathematischen Formeln seiner Vorlesung einen höheren Schwung gab. Und die Hörer fanden ihren Lehrer verändert, sahen, daß das feine ruhige Gelehrtengesicht heute in Entdeckerfreude glühte.

      Die Vorlesung war zu Ende. Professor Raps wollte das Katheder verlassen und sah, daß seine Hörer noch etwas von ihm erwarteten, daß hundert Augenpaare fragend an seinen Mienen hingen. Und blieb noch einmal auf dem Katheder stehen, fühlte, wie seine Lippen sich unter einem inneren Zwang öffneten. Wußte nicht, wie es geschah, daß er die Worte sprach: »Meine Herren! Natura non facit saltus!«

      Stille herrschte im Hörsaal. Aber die Hörer sahen das Gesicht ihres Lehrers aufleuchten, sahen eine Verklärung auf seinen Zügen, und jeder von ihnen fühlte es: Hier hatte ein großer Geist in die weltbewegenden Ereignisse der letzten Tage hineingeschaut. Brausender Beifallsturm durchtobte den Saal, als der Professor das Katheder verließ.

      Die Abendblätter brachten bereits einen Bericht über die Vorgänge im Kolleg. Das Wort Linnés, das der Professor dort gesprochen, wurde um den Erdball gefunkt.

      Ein Blatt brachte die Nachricht, daß ein hoher Beamter der Reichsregierung den Professor bereits am Nachmittag in seiner Wohnung aufgesucht und eine längere Unterredung mit ihm gehabt hatte. Ein anderes wußte zu melden, daß die Vertreter der Reichsregierung danach bis spät in die Nacht hinein getagt hätten. Depeschen durchschwirrten die Welt. Die Konferenz der Reichsminister erwies sich als Tatsache und steigerte die Spannung.

      Was wußte Deutschland? … Kannte es das Geheimnis?

      Die Augen der ganzen Welt richteten sich plötzlich nach Deutschland. Man begann zu rechnen. Man überschlug die deutschen Machtmittel. Die wirtschaftliche Stärkung Deutschlands durch die Lieferungen des Englisch-Amerikanischen Krieges. Daneben die Schwächung der beiden kriegführenden Länder. Die Erschöpfung ihrer Kassen, der Verlust ihrer Flotten und sonstigen Kampfmittel.

      War Deutschland dem Geheimnis der Macht auf die Spur gekommen?

      Als die Tür des Rapid Flyers ins Schloß fiel, ließ Erik Truwor die Turbinen anspringen. In jähem Aufstieg stürmte die Maschine in die Höhe, brachte Kilometer um Kilometer unter sich.

      Schon stand der Sonnenball, der dort unten bereits zur Hälfte vom Horizont verdeckt wurde, wieder frei über der Kimme. Schon höhlte sich die weitgestreckte Eiswüste wie eine ungeheure Mulde unter dem Flieger.

      Erik Truwor stand am Steuer und sah es … blickte dann wieder nach oben und ballte die Fäuste, als drohe er einem unsichtbaren Feind.

      Ein einziger Gedanke beherrschte sein krankes Gehirn: Nach oben … immer höher nach oben …

      Der Flieger stieg und stieg. Aber er war nur gebaut, eine Höhe von dreißig Kilometer zu erreichen, in ihr zu fliegen.

      Erik Truwor sah am Höhenmesser, daß die Maschine langsamer stieg, daß die Kraft der Turbinen nachließ.

      »Haha … haha …« Wieder entquoll jenes dumpfe schaurige Gelächter seinen Lippen.

      »Menschenwerk! … Tand … Sie können nicht weiter. Ihre Macht ist zu Ende … Aber ich, ich habe die Macht … haha … ich steige, bis ich euch unter mir habe … ihr da oben …«

      Mit geschickten Griffen entfernte er die Sperrungen an den Schalthebeln des Strahlers. Und konzentrierte dann die Energie in den Druckkammern der großen Turbinen.

      Schon war es geschehen, schon war die Wirkung zu merken. Die Turbinen, die bis dahin matt und unregelmäßig gelaufen waren, begannen sich in rasendem Wirbel zu drehen, rissen die Propeller in gleichem Tempo mit sich.

      Der Rapid Flyer stieg unaufhaltsam. Längst hatte er die Dreißigkilometerhöhe überschritten und war tief in die Zone der Polarlichter eingedrungen. Schon strahlte die Sonne wieder gelbweiß, die er so lange Tage nur in blutfarbenem Dämmerschein erblickt hatte. Schon stand sie hoch über der Kimme.

      Der Rapid Flyer stieg, und das Land weitete sich. Schon waren hundert Kilometer erklommen. Die nördlichen Küstenstreifen der Kontinente wurden sichtbar, mehr zu ahnen als zu erblicken.

      Höher hinauf! … Immer höher! … Es war vergeblich, daß er die Turbinen bis zum Bersten mit Energie versah. Es war vergeblich, daß die Propeller, bis zum Zerreißen gespannt, in rasendem Spiel rotierten. Die Atmosphäre war in dieser Höhe zu dünn, um den Luftschrauben noch Halt, den Tragflächen Stütze zu geben. Über hundert Kilometer kam er mit der Maschine nicht hinauf.

      Wie hatte er auch hoffen können, mit diesem gebrechlichen Menschenwerk Höhen zu erreichen, aus denen er sein ganzes Reich zu übersehen vermochte.

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