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bleiben.

      Herostrat? Ein Name, aus dunkelster Jugenderinnerung aufgestiegen.

      Nein, weg damit!

      Das, was ihm Uhlenkort sagte vom Kampf der Rassen, war in seiner Seele haften geblieben, sich entzündend zu einem Feuer, das weiter und weiter wuchs.

      Das Telefon rasselte. »Förderschale auf! Transport beginnt!«

      Kiste auf Kiste lagerte in der Schale. Hinunter, herauf. Stundenlang das gleiche Spiel.

      Die Maschine arbeitete unaufhörlich wie das Hirn Tredrups.

      Heute!

      Der Gedanke beherrschte ihn, verließ ihn nicht. Heute mußte es geschehen. Sein Geist arbeitete fieberhaft, überschlug die Menge der Ladung, das Fassungsvermögen der Schalen, die Zahl der Kisten. Gab es keine Verzögerung, mußte er gegen Ende der Schicht fertig sein. Die letzte Ladung! Dann oder nie!

      Er arbeitete am Hebel, vermied den geringsten Zeitverlust … geizte mit der Sekunde. Die Schale flog nach oben und nach unten. Er sah nach der Uhr. Die Schicht war wie im Fluge vergangen. Zwanzig Minuten noch, dann kam die Ablösung. Das Telefon schrillte:

      »Letzte Fahrt!«

      Das Schrillen riß an seinen Nerven.

      Jetzt oder nie galt’s … mit zitternden Händen griff er in seinen Handwerkskasten. Nahm da und da und da Einzelteile heraus, fügte sie aneinander, verband sie und hüllte das Ganze in einen dunklen Lederbeutel, den er sorgfältig unter seinem Rock verbarg.

      Die Mittags-Sonne spiegelte sich in den klaren Fluten der Südsee. Bis in die Unendlichkeit streckte sich das leise atmende, tiefblaue Meer.

      Weite Wasserwüste, so weit das Auge reichte.

      Da und dort verstreut Gruppen von Koralleninseln, kleinere und größere, und auf ihnen hier und da die schlanken Stämme von Kokospalmen, deren Samen die See auf das jungfräuliche Land geworfen.

      Eine dieser Inseln war ganz eigenartig gestaltet! Die zackigen Riffe gleich einer Mauer von Zyklopenhänden errichtet. Hoch über alles emporragend in weitem Kreise zog sich ihr Kranz um eine Lagune, auf dem inneren Rand ein Gewirr von Kokospalmen, die höchsten Spitzen der Riffe überragend. Ein leiser Rauch kräuselte durch die breiten Fächerkronen der Palmen.

      Menschen … Menschen? Hier auf weltentlegenem Atoll, fern von jedem Verkehr, von jeder menschlichen Siedlung? Wer konnte hier wohnen? Insulaner? Eingeborene?

      Die Insel bot kaum Lebensmöglichkeiten trotz ihrer Größe. Tausend Meter im Durchmesser mochte sie haben. Es war die Stunde des höchsten Sonnenstandes. Die sengenden Strahlen brachten die eingeschlossene Luft in den Wänden des Atolls zum Glühen. Kein menschliches Wesen war zu sehen.

      Da! Aus der dunklen Höhlung im inneren Felsenriff trat eine weibliche Gestalt. Sie schritt einer Hängematte zu, die zwischen den Stämmen zweier Palmen ausgespannt war. Ihre Rechte griff nach der Schnur, mit der die Matte an dem einen Palmenstamm befestigt war, als wolle sie den Knoten prüfen.

      Nur wer direkt daneben gestanden, hätte den haarfeinen blanken Draht bemerken können, der dabei mit scharfem Stift in den saftstrotzenden Palmenstamm gedrückt wurde, zu der Gestalt weiterlief, in den Falten ihres Gewandes verschwand. Das Taschentuch entglitt ihrer Hand, fiel zwischen zwei Wurzelrippen des Baumes zu Boden. Sie bückte sich, es aufzuheben. Ein winziger Kontakt in der Höhlung zwischen den Wurzeln.

      Unter dem Taschentuch griffen ihre Finger danach. Ein kurzer Druck, dann richtete sie sich auf. Und dann legte sie sich in die Matte, streckte sich lang aus. Ihre Hände bargen sich in den Falten ihres Gewandes, sie ruhte. Eine Stunde mochte vergangen sein. Sie warf einen Blick auf die kleine Armbanduhr.

      »Mittagsstunde … Mitternacht in Hamburg …«, murmelten ihre Lippen. Die Welle frei in dieser Zeit. Und als hätten die Worte ein leises Hüsteln aus ihrer Brust gelöst, fuhr ihre Rechte mit dem Taschentuch zum Munde. »Walter! Hier Christie! Uhlenkort-Harlessen!«

      Die Worte … Ihre Lippen flüsterten sie in das Mikrofon im Taschentuch. Immer wieder! Das leichte Gewand über ihrem Busen hob sich unter den Stößen der wogenden Brust. Immer wieder die gleichen Worte, gesendet auf der Uhlenkort-Welle in den Äther.

      Dann … wie müde sank die Hand mit dem Taschentuch zurück. In der ganzen Welt verstreut die Uhlenkortschen Kontore … einmal müßte es glücken! Tagelang schon ging das Spiel, das gewagte Spiel … und dann!

      Wieder ging das Taschentuch zum Mund, wieder sprach sie in das Mikrofon. Vielleicht, daß heute einer den Ruf vernahm …

      »Koralleninsel … Südsee … gefangen … sechstägige Fahrt vom Kanal … West zu Südwest.«

      Wieder, immer wieder die Worte. Die Hand mit dem Taschentuch glitt zurück, ruhte auf der Brust, ging wieder zum Munde.

      Wieder der Notruf! Wieder, immer wieder! Die Sonne neigte sich nach Westen. Eine leichte Brise bewegte die breiten Palmenwipfel. Die glühende Hitze in dem Trichter über der Lagune wich langsam der Abendkühle. Sie richtete sich auf, ließ den Blick in die Runde gleiten.

      Da drüben auf der anderen Seite der Lagune waren Menschen, Männer …

      Sie sprang aus der Hängematte. Wieder glitt ihre Hand zu den Knoten, die die Matte am Stamme der Palme hielten. Wieder entglitt ihr das Tuch, wieder beugte sie sich, es aufzuheben. Der Kontakt war frei. Ihre Hände strichen über die Stirn, ordneten das verwirrte Haar. Die erregte Brust sog in tiefen Zügen die Kühle des Abends in die Lungen.

      In der Höhlung am Riff, aus der sie gekommen, erschien ein altes Negerweib, rief zu ihr herunter. Sie nickte, schritt zu ihr empor. Am Eingang blieb sie stehen, wandte sich um. Am Rande der Lagune sammelten sich Männer. Einer, der Führer, schrie ungeduldig zu den Klippen hinauf. Da, dort, aus den Spalten und Höhlen kamen immer mehr herbeigeeilt. Stiegen zu der Lagune hinunter, sammelten sich um den Führer.

      Eine stattliche Schar war es. Männer! Matrosen, alte, junge, gebräunt von der tropischen Sonne, dem Seewind. Das Auge des Führers glitt zählend über sie hin.

      »Vierundsechzig! All right!«

      Er drehte sich zur Lagune um. Einer in seinem Rücken, ein junger, frischer Kerl, winkte gerade zu Christie hinauf. Ein Faustschlag des Führers ließ ihn ins Wasser taumeln.

      »Kühle dich ab, du Satan! Die …«, er wandte sich mit drohendem Blick zu den übrigen, »… die ist tabu für jeden. Hütet euch! Ihr kennt die Order! Daß keiner ihr zu nahe tritt! Der Strick wäre ihm sicher!«

      Sein Blick ging zu der Höhle, wo Christies Gestalt eben verschwand.

      »Reserviert, das Schätzchen! Nichts für euch!« lachte er.

      Er hob die Hand in die Höhe, winkte. Der graue Leib eines U-Bootes schob sich aus der stillen See, kam hoch und höher. Rauschend glitten die Wasser an seinen Aufbauten hinunter. Ein stattliches Ding, fünftausend Tonnen mochte es haben.

      Eine aufgezogene Brücke vom Uferrand senkte sich zum Deck hinüber. Der Führer ging darüber hinweg, kam an Bord, sprach mit dem Offizier dort ein paar Worte. Dieser rief durchs Sprachrohr nach unten.

      Wohl ein Dutzend Leute kam aus dem Innern des Bootes aufs Deck, trat an.

      »Ihr bleibt hier!« rief der Führer. »Als Wache. Ihr anderen da hinüber, an Bord!«

      Der Befehl wurde ausgeführt.

      »Große Fahrt! Weit rauf zum anderen Wendekreis; wir werden lange wegbleiben. Zwei, drei Monate wird’s dauern. Vielleicht noch länger.

      Laßt euch hier die Zeit nicht lang werden!«

      »Zum Atlantik?« fragte der Offizier.

      »Atlantik«, gab der mürrisch zur Antwort. »Müssen durch den Kanal.

      Verfluchte Fahrt! Das Stückchen mit der ›Abraham Lincoln‹ – dem Frauenzimmer da oben galt’s, nichts anderem! Es hat gewirkt wie ein Tritt in einen Ameisenhaufen. Wimmelt da oben von Polizeibooten.

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